'Kakao - Wenn der Schoko-Traum zum Trauma wird'
Erste Asset Management "IM GESPRÄCH"
Herr Rößler, viele naschen gern Schokolade. Doch den meisten ist nicht bewusst, dass der Kakao-Anbau und die weitere Verarbeitung durchaus Probleme hervorrufen. Rößler: Das ist korrekt. Die Analyse zeigt beim Kakao-Anbau ganz klar zwei Hauptproblemfelder, die in den Bereichen Umwelt und Soziales liegen. Bei Letzterem sind das vor allem Kinderarbeit und niedrige Arbeits- und Sozialstandards. Dagegen wurden auch erste Schritte eingeleitet, nur hapert es an deren Umsetzung. Durch die Vielzahl der Kakaobauern in Westafrika ist eine Organisation schwierig.
Auf der Abnehmerseite stehen die Produzenten aber auch vor einer strukturellen Herausforderung. Weltweit kaufen acht Unternehmen fast die gesamte Ernte auf. Eine intransparente und unübersichtliche Zulieferkette erschwert die Umsetzungen geeigneter Maßnahmen bei den Sozialstandards und auch für die Umwelt zusätzlich.
Sie haben gerade den Umweltaspekt erwähnt, wo bestehen hier die Herausforderungen?
Rößler: Es ist wichtig, sich vor Augen zu halten, dass zur Herstellung von Schokolade nicht nur Kakao benötigt wird. Hinzu kommen Rohstoffe wie Zucker, Haselnüsse und Palmöl. Diese verursachen in ihrer Herstellung ähnliche Probleme wie der Kakao selbst.
Die hohe Nachfrage nach Schokolade und damit auch nach Kakao hat dazu geführt, dass vornehmlich in eine höhere Produktivität investiert wird. Das ist aber zu einseitig. Notwendig und wünschenswert wäre eigentlich ein Zweiklang: Eine Investition in das Wissen, wie man produktiver wird, aber auch, wie man Kakao nachhaltig anbaut. Der Klimawandel wird laut Prognosen bis 2050 dazu führen, dass der Anbau in Westafrika nicht mehr möglich sein wird. Das trifft auch perspektivisch die Schokoladehersteller, denn die Versorgungssicherheit ist dann irgendwann nicht mehr gegeben.
Investitionen sind ja immer eine Frage der zu erzielenden Preise. Wie sieht es da aktuell aus? Rößler: Richtig, für entsprechende Investitionen in das Wissen und um die Produktion zu modernisieren, also nachhaltigen Kakaoanbau zu ermöglichen, bedarf es mehr finanzieller Mittel. Der Kakaopreis müsste sich aus unserer Sicht verdoppeln, um die Kakaobauern angemessen zu entlohnen, Bildung zu ermöglichen und den Anbau zu modernisieren.
Ihre Prognose: Werden wir weiterhin den süßen Schokoladenträumen nachgeben können, oder gibt es irgendwann ein Versorgungsproblem?
Rößler: Wir haben uns mit unterschiedlichen Researchagenturen, NGOs und auch Marktteilnehmern unterhalten, die gute Nachricht ist: Es wird auch künftig Kakao und damit Schokolade geben. Diverse Initiativen und Zertifikate etwa von FairTrade, UTZ und Rainforest Alliance gehen in die richtige Richtung. Das sollte jeder individuell unterstützen, indem er beispielsweise Schokolade mit entsprechenden Siegeln kauft. Und das können auch Investoren wie wir als Erste Asset
Management: Wir investieren nur in Aktien solcher Unternehmen, die bestimmte Mindeststandards einhalten und keinesfalls Arbeits- oder Menschenrechtsverletzungen in der Zuliefererkette aufweisen. Auch Umweltkontroversen sind Kriterien, die von uns berücksichtigt werden.
So kann jeder auf seine Weise dazu beitragen, dass die Kakaobauern ein vernünftiges Einkommen erzielen und ihnen so eine Zukunftsperspektive eröffnet wird. Falls der Wandel zu einem nachhaltigen Kakaoanbau nicht gelingt, ist die Perspektive für die Kakaobauern düster. Dann verlagert sich die Produktion in Regionen, wo trotz des Klimawandels Bedingungen und Gegebenheiten vorgefunden werden, die den Kakaoanbau ermöglichen.