Mehr Hygiene oder mehr Kontrolle? Bezahlautomaten im Handel

05.04.2016 - Deutschland

Fleisch und Wurst nehmen die Mitarbeiter noch in die Hand, Geld dagegen nicht mehr - das macht der Automat. In der Metzgerei Wolz in Schorndorf bei Stuttgart zeigt eine Bezahlmaschine den Preis an, nimmt das Geld entgegen und wechselt.

Die Mitarbeiter fassen keine Scheine und Münzen mehr an. Das "Hygienekonzept der Zukunft" sei das, wirbt die Metzgerei.

Die Automaten, die es bundesweit schon an Tankstellen, in Möbelhäusern und Baumärkten und vereinzelt auch in Supermärkten, Bürgerämtern oder Apotheken gibt, stoßen inzwischen auch bei einigen Metzgern und Bäckern auf Interesse. "Das Thema kommt", sagt der Geschäftsführer des Landesinnungsverbandes für das Fleischerhandwerk in Baden-Württemberg, Ulrich Klostermann.

Hygiene ist ein Argument, aber nicht das einzige. "Nie wieder Kassendifferenzen!" ist ein Werbespruch, mit dem die Firma Perfect Money aus der Nähe von Heilbronn ihre Bezahlautomaten anbietet.

Solche Differenzen können entstehen, wenn Mitarbeiter Fehler beim Kassieren machen - oder wenn sie Geld stehlen.

An Metzgereien und Bäckereien habe er deutschlandweit 300 Automaten verkauft, sagt Perfect-Money-Geschäftsführer Christian Dieterich - die Nachfrage steige. Seine Automaten könnten sechs bis zehn Münzen pro Sekunde wechseln, ein Verkäufer sei selten so schnell. Und dann seien da natürlich die Keime, die durch Geld-Verkäufer-Kontakt auf dem Salamibrot landen könnten.

Die Innung schätzt, dass es in den rund 2000 Metzgerei-Filialen im Südwesten 80 bis 100 Bezahlautomaten gibt. Innungschef Klostermann glaubt, dass sich solche Automaten rechnen, wenn eine Filiale über 500 000 Euro im Jahr einnimmt. Bis zu fünf Prozent könne durch sie der Umsatz klettern, habe er beobachtet. "Der Umgang mit der Abrechnung ist wesentlich exakter." Für sieben bis neun Euro am Tag kann ein Metzger einen Perfect-Money-Automaten leasen. Kaufpreis: bis zu 20 000 Euro.

Händler müssten abwägen, sagt ein Sprecher des Handelsverbandes Deutschland (HDE). Für die Automaten sprächen Vorteile bei der Hygiene, das geringere Überfallrisiko und eine Entlastung der Angestellten, wenn die Kasse mal nicht stimmt. Für viele Händler seien die Geräte aber zu teuer, Störungen seien möglich, und in Stoßzeiten seien die Automaten möglicherweise nicht flexibel genug.

Der Bäckerinnungsverband Baden beklagt darüber hinaus, dass die Eigenverantwortung der Mitarbeiter geschwächt werde. "Jeder sollte so viel Verantwortung wie möglich übernehmen", sagt Landesinnungsmeister Fritz Trefzger.

Die Fleischer ärgert der Vorwurf, die Hygiene wäre ohne die Automaten schlecht. Sie sei auch so gewährleistet. Nach Angaben des Stuttgarter Amtes für Lebensmittelkontrolle sind Krankheitsübertragungen zwar möglich, aber kein großes Problem. Es komme vor, dass Verkäufer mit nackten Händen Geld und Wurst anfassen, ohne sie dazwischen zu waschen. Die Ansteckungsgefahr sei aber wegen der trockenen Oberflächen gering.

Beim Amt klingelt deswegen trotzdem öfter das Telefon, Bürger beschweren sich regelmäßig. Den Kontrolleuren zufolge geht es dabei um einen "Ekelaspekt". Verwarnungen an Verkäufer erteilt die Behörde bei Metzgern und Bäckern nur selten: vier- bis fünfmal pro Jahr.

Ganz auf Bargeld zu verzichten, erscheint schwierig. Das mobile Bezahlen kleiner Beträge etwa per Smartphone ist in Deutschland nicht weit verbreitet. Eine Umfrage der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PwC ergab außerdem, dass jeder Vierte generell lieber mit Bargeld bezahlt - und das auch künftig tun will.

Als bei Metzger Wolz vor einem Jahr der Automat aufgestellt wurde, kamen zunächst weniger Kunden, erzählt Chef Oliver Wolz.

Inzwischen laufe das Geschäft aber besser als zuvor. Verkäufer habe er nicht entlassen, der Bedienvorgang bleibe ja gleich. Seine Verkäufer geben die Bestellung ein, auf dem Display des Automaten erscheint dann der Betrag, den die Kunden einwerfen müssen.

Inzwischen, sagt Wolz, kämen mehr Kunden - wegen der Hygiene.

Und: Nun stimme immer die Kasse. "Wo Menschen sind, passieren Fehler", sagt Wolz. Die Zahlen, wie viel Wurst und Fleisch verkauft werden, bekommt er jetzt sofort auf den Computer in seinem Büro./hun/DP/stk (dpa) 

 

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