»Spuren von Nüssen« könnten bald Geschichte sein – Neue Antihaft-Schichten für Produktionsanlagen

14.04.2016 - Deutschland

In Deutschland sind strenge Richtlinien für Lebensmittel gängiger Standard. Hersteller sind dazu verpflichtet, auf der Verpackung alle Allergie auslösenden Zutaten deutlich zu kennzeichnen. Hinzu kommt die freiwillige Angabe, dass das Nahrungsmittel aufgrund von Produktionsbedingungen möglicherweise Spuren weiterer Allergene enthält. Da schon kleinste Mengen bei Allergikern gesundheitsgefährdende Reaktionen auslösen, verzichtet kaum ein Hersteller auf diese Angaben. Dies schränkt die Auswahl ein geeigneten Lebensmitteln für Betroffene stark ein. Mit speziellen, sehr dünnen Beschichtungen des Fraunhofer-Instituts für Silicatforschung ISC könnte dieses Problem bald Geschichte werden. Die Beschichtungen zeigen hervorragende Antihaft-Eigenschaften und könnten problemlos in Produktionsanlagen eingesetzt werden.  

Lebensmittel und ihre Inhaltsstoffe werden kritisch betrachtet, was unter anderem den immer häufiger auftretenden Unverträglichkeiten geschuldet ist. Insbesondere Allergiker informieren sich beim Einkauf sehr genau über möglicherweise gefährliche Zutaten in verpackten Lebensmitteln. Warnhinweise auf enthaltene Allergene wie »Kann Spuren von Nüssen enthalten« finden sich auf vielen Lebensmittelverpackungen. Denn selbst strengste Produktionsbedingungen können nicht ausschließen, dass kleinste Mengen von Nüssen, Eier, Soja oder Milch in ein Lebensmittel gelangen.
Das Fraunhofer ISC könnte mit seinen Antihaft-Lacken für Produktionsanlagen nun eine langfristige, alternative Lösung zu üblichen Verfahren bieten.

Bereits seit längerer Zeit forscht das Institut an funktionellen Beschichtungen für unterschiedlichste Anwendungen, darunter auch Antistaubschichten. Entwickelt und erfolgreich eingesetzt werden solche Schichten beispielsweise auf Schutzverglasungen der Kölner Domfenster. Die spezielle Beschichtung sorgt dafür, dass sich kaum Staub ansetzt, und macht somit eine aufwendige Reinigung unnötig. Die ersten Domfenster wurden bereits vor 15 Jahren mit dem besonderen Schutz ausgestattet, der immer noch seine volle Wirkung zeigt. In den letzten eineinhalb Jahren testete das Fraunhofer ISC die Schutzschicht an sechs verschiedenen Standorten in Wüstenregionen, wo sie auch Sandstürmen standhalten muss und aufgrund der Wasserknappheit das Glas nicht mit Wasser gereinigt werden kann.

Seit gut einem halben Jahr prüft das Team von Walther Glaubitt am Fraunhofer ISC, ob sich die Beschichtung auch für andere Stäube eignet. Erste Versuche mit Materialien von Druckfarben- und Lebensmittelherstellern laufen bereits erfolgreich. Der nasschemische Lack besteht aus nichtmetallischen, anorganischen Materialien, die durch ihre besondere Strukturierung die Anhaftung von Partikeln bzw. Prozessstäuben an Oberflächen reduzieren – ähnlich dem bekannten Lotuseffekt. Der Lack ist temperaturbeständig, lebensmittelecht, frei von fluorhaltigem Kohlenwasserstoff und zeigt eine dauerhafte Haltbarkeit und Funktionalität. Durch Tauchen oder Sprühen kann die Schicht auf einzelne Anlagenteile aus Glas, Keramik oder Metall aufgetragen und bei 500 °C ausgehärtet werden. Auch bestimmte Kunststoffe lassen sich mit speziellen Lackzusammensetzungen beschichten, die schon bei Temperaturen bis 120 °C aushärten. Auch neue Prozessanlagen lassen sich vor der Montage unter geringem Materialaufwand kostengünstig ausstatten. Da die Beschichtung deutlich weniger als 1 µm dünn ist, bleiben Oberflächen – beispielsweise von Rohren oder Transportbändern – nahezu unverändert.

Mit den Antihaftschichten des Fraunhofer ISC könnten die Oberflächen von besonders betroffenen Bauteilen ausgerüstet werden, um zu verhindern, dass sich Partikel festsetzen und nur durch teure Reinigung beseitigt werden können. Für die Lebensmittelindustrie heißt das, dass Spuren von Allergenen in Nahrungsmitteln deutlich reduziert oder sogar ganz verschwunden sein könnten. In der Pharmazie könnte eine Schutzschicht in Industrieanlagen teure Wirkstoffe einsparen, die dann nicht mehr in der Anlage, sondern genau dort landen, wo sie gebraucht werden – im Medikament bzw. der Verpackung. Ähnliche Vorteile hätten Hersteller von Farbpulvern und Tonern, die auch beim Wechsel von Produktchargen die Farbechtheit garantieren müssen. Auch eine Anwendung in Abfüllanlagen und Lagercontainern ist denkbar.

Anlagenbauern, Abfüllern und Herstellern bietet das Fraunhofer ISC in Kooperation die Möglichkeit, geeignete Lösungen für ihre Anwendungen zu erarbeiten, kundenspezifische Tests durchzuführen sowie sie beim Transfer in die eigenen Produktionsprozesse zu unterstützen. 

Weitere News aus dem Ressort Wissenschaft

Weitere News von unseren anderen Portalen

Themenwelt Künstliche Intelligenz (KI)