Kurioser Bratwurststreit tobt an der A9 - Nun rücken die Richter an

02.05.2016 - Deutschland

Sie gilt als die erste Autobahnraststätte Deutschlands, wenn nicht sogar Europas. Doch seit Jahren liefern sich die Behörden mit ihrer Besitzerin einen obskuren Bratwurststreit. Der kommt nun vor Gericht. 

Christina Wagner hat ihren Grill angeworfen. Die 53-Jährige vergräbt die Hände in den Taschen ihrer dicken Jacke, um sie vor dem kalten Wind zu schützen. Tag für Tag steht sie an Deutschlands wohl erster Autobahnraststätte an der A9 (Berlin-Nürnberg) und verkauft Thüringer Rostbratwürste. Eigentlich nicht ungewöhnlich. Doch um ihren Stand tobt ein kurioser Bratwurststreit. 

2009 hat Wagner die historische Raststätte bei Triptis gekauft. Wer aber auf dem angrenzenden Autobahnparkplatz eine Pause einlegt, dem versperrt ein hoher Metallzaun den Weg zum Imbiss. Die Konzession der Raststätte lief vor Jahren schon aus, um den Betrieb zu verhindern, wurde das Gebäude eingezäunt. Wagner verkauft ihre Würste nun per Leiter über den Zaun. Auch das aber wurde ihr untersagt - und die Sache ein Fall für die Justiz. 

«Drei Bratwürste» ruft es aus mehr als zehn Metern Entfernung. Am Zaun stehen drei Männer. «Mit Senf?», ruft Wagner zurück. Dann nimmt sie die Würste vom Grill, packt jede in ein Brötchen und legt sie behutsam in einen Korb. Damit läuft sie zum Zaun, steigt auf ihre Leiter, kassiert und reicht den Korb hinüber. Zigfach am Tag dasselbe Ritual. 

«Das ist bescheuert, richtig affig», sagt einer der drei Männer mit Blick auf den Zaun. Von «Behörden-Irrsinn» spricht später ein Berliner, der nach eigenen Angaben öfter auf der Strecke unterwegs ist und häufig einen Stopp in Rodaborn südlich des Hermsdorfer Kreuzes einlegt. Mancher Autofahrer habe sich schon auf die Suche nach der Versteckten Kamera gemacht, erzählt Wagner. Und 2012 hatte sich gar ein 39-Jähriger schwer verletzt, weil er vom Parkplatz zum Imbiss gelangen wollte und über den Zaun kletterte. Laut Polizei blieb er mit einem Ring hängen und riss sich den Finger ab. 

Amtspräsident Markus Brämer verteidigt das Vorgehen seiner Behörde.

Die Konzession der Raststätte sei 2004 erloschen, und es gebe eine Weisung des Bundes, den Imbissverkauf in Rodaborn zu unterbinden.

«Die Familie Wagner kann das Haus als Waldgaststätte für Ausflügler betreiben, aber ein Verkauf an Nutzer des Autobahnparkplatzes ist nicht gestattet», erläutert Brämer. «Das ist kein böser Wille von uns, sondern Recht und Gesetz.» Die Wagners könnten zwar eine Sondernutzung beantragen, diese würde aber nicht genehmigt, stellt er klar. Denn die Strecke sei ausreichend mit Rasthöfen versorgt. 

Wagner fühlt sich von den Behörden betrogen. Immerhin hat ihr der Bund die Immobilie verkauft. Mit Mann und Kindern war sie aus Karlsruhe nach Thüringen gekommen, um sich mit der Raststätte eine neue Zukunft aufzubauen. «Wir wurden bewusst reingelegt, um das Haus zu verkaufen», sagt sie. «Wir haben es sicher nicht gekauft, weil wir an der Autobahn wohnen wollten.» 

2010 hatte Wagner ihren «Kiosk» geöffnet - seither gibt es Streit mit dem Landesamt für Bau und Verkehr. Der gipfelte darin, dass ihr unter Androhung eines Zwangsgeldes der Verkauf von Speisen und Getränken über und durch den Zaun untersagt wurde. Demnach kann sie zwar ihren Grillstand in Sichtweite des Parkplatzes betreiben, hungrigen Autofahrern am Zaun dürfte sie aber wohl nur noch winken. 

Am Dienstag (3. Mai) werden sich nun die Geraer Verwaltungsrichter mit dem Fall befassen. Dazu wollen sie an den Ort des Streits kommen, um sich ein Bild zu machen. Sie haben zu entscheiden, ob die Verfügung von Brämers Behörde rechtens ist. Dabei werde es auch um die Frage der Sondernutzung gehen, erklärt ein Gerichtssprecher. 

Wagner selbst zieht in Zweifel, dass es rechtens war, dem historischen Rasthof überhaupt die Konzession zu entziehen. Das Gebäude hatte zunächst als Kurhaus gedient und war dann mit dem Autobahnbau 1936 zu einer Raststätte umfunktioniert worden - die erste in Deutschland überhaupt und wohl auch in Europa. Zu DDR-Zeiten stand sie zeitweise nur Transit-Reisenden aus dem Westen offen. «Es ist schon bezeichnend, dass heute wieder Zäune aufgebaut werden», sagt die aus dem Westen Zugezogene. 

Ans Aufgeben verliert Wagner trotz des Streits derzeit keinen Gedanken. «Selbst wenn ich den Prozess verliere, ich zahle dieses Zwangsgeld nicht. Ich bin freier Bürger in einem freien Land», betont sie trotzig. «Dann sollen die mich, Mutter von drei Kindern, doch hier direkt am Zaun verhaften.»(dpa/Andreas Hummel)

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