Foodomics – mehr als nur ein Modebegriff?

analytica conference 2016 in München

09.05.2016 - Deutschland

Die Analytische Chemie gibt der Lebensmittelchemie immer bessere Instrumente und Methoden an die Hand, um Inhaltsstoffe und die Qualität der Lebensmittel zu überprüfen. Das aktuelle lebensmittelanalytische Instrumentarium wird unter dem Begriff „Foodomics“ zusammengefasst. Es bietet Wissenschaftlern neue Vorgehensweisen, um steigende Herausforderungen in den Lebensmittel- und Ernährungswissenschaften anzugehen. Dazu gehört beispielsweise das Aufspüren von Lebensmittelinhaltsstoffen mit antikanzerogenen Eigenschaften – ein Thema der Session „Foodomics – Tools for Comprehensive Food Analysis“ der analytica conference 2016 vom 10. bis 12. Mai in München. 

Kein Geringerer als Professor Dr. Alejandro Cifuentes vom spanischen Consejo Superior de Investigaciones Científicas (CSIC) in Madrid, der 2009 als Erster Foodomics in einer Fachzeitschrift definierte, stellt seine Forschungsarbeiten über antikanzerogen wirkende Stoffe in Lebensmitteln mit Hilfe von „omics“-Techniken vor. Diesen Arbeiten widmete man sich im vergangenen Jahr hauptsächlich im Foodomics Laboratory des CSIC, in dem generell Qualität und Bioaktivität von Lebensmitteln und Lebensmittelinhaltsstoffen untersucht werden, und zwar mit Hilfe der Transcriptomics, der Proteomics und der Metabolomics. Unter Transcriptomics versteht man die biochemische Untersuchung des Transkriptoms, also der tatsächlich von der DNA auf RNA transkribierten Gene. Entsprechend untersucht man das Proteom, also die Gesamtheit der Proteine (z.B. in einer Zelle), mit Methoden der Proteomics und Metabolite, also Umwandlungsprodukte beispielsweise eines Pestizids in der Umwelt oder im Körper, mit den Metabolomics. „Omics“-Techniken, auf Lebensmittel angewandt, bilden die Foodomics, bei denen die aktuellsten und derzeit besten Methoden zur Untersuchung von Lebensmitteln im Dienste der Gesundheit und optimalen Ernährung angewandt werden. 

Die Arbeiten von Cifuentes schlossen die Entwicklung innovativer Extraktionsprozesse ein, um bioaktive Substanzen aus unterschiedlichen natürlichen Quellen, wie Pflanzen, inkl. Algen, Mikroalgen sowie Abfall- und Nebenprodukten der Lebensmittelherstellung, zu erhalten. Diese Extrakte wurden auf ihre hemmende Wirkung auf das Wachstum von Darmkrebs untersucht. Die chemische Charakterisierung erfolgte mit zweidimensionalen chromatographisch-massenspektrometrischen Trenntechniken, und die „omics“-Techniken kamen bei der Identifizierung von Genen, Proteinen und Metaboliten zum Einsatz. 

Die Analyse genetischer Sequenzen ist neuester Stand der Technik, um eine Identifizierung der pflanzlichen und tierischen Bestandteile von Lebensmitteln vorzunehmen. Denn die DNA liefert hoch aufgelöste molekulare Fingerabdrücke von jedem Organismus. Selbst kleinste Unterschiede im Genom lassen sich aufspüren, so dass nicht nur die Spezies selbst, sondern beispielsweise auch unterschiedliche Sorten oder Herkunftsgebiete bestimmt werden können. „Das Leistungsvermögen der Genomics zur Authentifizierung von Lebensmitteln“ stellt Professor Dr. Markus Fischer von der Hamburg School of Food Science, dem Wissenschaftszentrum für Lebensmittel an der Universität Hamburg, anhand von laufenden Forschungsprojekten vor. 

Angesichts der Fülle der noch zu entdeckenden oder in ihrem Wirkpotenzial nicht ausreichend verstandener Stoffe in Pflanzen oder Lebensmitteln lassen „omics“-Techniken auf weitere spannende Erkenntnisse hoffen, die der Gesundheit und dem Wohlergehen jedes einzelnen förderlich sind. 

Das mögen weitere Beispiele auf der analytica conference verdeutlichen: So werden Proteomics-Techniken beim Aufspüren und Charakterisieren von Allergenen in Lebensmitteln eingesetzt, und zwar im Spurenbereich, in dem bisherige Methoden versagten. Auch Fragmente von Allergenen, die der Verdauung widerstehen und allergische Reaktionen auslösen, können so identifiziert werden. 

Für alle Weinliebhaber öffnen die „omics“-Techniken bislang „dunkle“ Kapitel der Weinreifung: Speziell die Metabolomics ermöglichen es immer besser, die chemischen Prozesse, die sich während der Lagerung und des Alterns von Wein abspielen, nachzuverfolgen. Langsam wird verständlich, wie die rebsorten- und bodenabhängigen Inhaltsstoffe des Weines auf die Verarbeitung im Weingut und die Lagerungsbedingungen reagieren. So werden die vielfältigen Geschmacksnuancen des Weins auch von ihrer Chemie her verständlich, und so manche Fehlentwicklung beim Ausbau ließe sich vielleicht vermeiden. 

Ein letztes Beispiel aus der Foodomics-Session der analytica conference sind die Pestizide, also Herbizide, Insektizide und Fungizide. Was ihren Metabolismus angeht, so stößt die Routineanalytik hier an ihre Grenzen; denn sie sucht nur nach bekannten oder vermuteten Metaboliten der Pflanzenschutzmittel. „UPLC-HR-QToF-MS“ heißt die eingesetzte Technik – letztlich eine ausgefeilte Methode der chromatographischen-massenspektrometrischen Kopplung – mit der es gelingt, auch unbekannte Metabolite aufzufinden und mehr noch: Sie kann auch die Anwendung verbotener Pestizide oder Betrug bei der Anwendung aufdecken. 

Die analytica conference findet im ICM – Internationales Congress Center München statt. Der Eintritt ist für Besucher der analytica, der Internationalen Leitmesse für Labortechnik, Analytik und Biotechnologie, kostenfrei. Die analytica findet vom 10. bis 13. Mai auf dem Gelände der Messe München statt. Für das Programm der analytica conference, die vom 10. bis 12. Mai dauert, zeichnen die drei im Forum Analytik zusammengeschlossenen wissenschaftlichen Gesellschaften, Gesellschaft Deutscher Chemiker (GDCh), Gesellschaft für Biochemie und Molekularbiologie (GBM) und Deutsche Vereinte Gesellschaft für Klinische Chemie und Laboratoriumsmedizin (DGKL), verantwortlich.

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