Wie Science-Fiction: Die Digitalisierung der Intralogistik
Die meisten Kühlschränke sind nach wie vor sehr dumm, sie erkennen nicht, wann die Milch sauer ist. Sie bestellen im Supermarkt auch keinen Nachschub und wissen nicht, was ihre Besitzer besonders gerne essen. Dabei gibt es längst Kühlschränke, die all das können, doch sie sind teuer und in Deutschland gefällt vielen Menschen der Gedanke nicht, dass der Kühlschrank und damit der Hersteller zu viel über ihre Vorlieben weiß. Während diese Technik im Privaten also noch Zukunftsmusik ist, hat sie sich im Bereich der Intralogistik längst durchgesetzt. Von Dienstag an stellt die Industrie die neuesten Entwicklungen in diesem Bereich auf der Branchen-Leitmesse Cemat in Hannover vor.
«Intralogistik ist der Teil der Logistik, der nicht auf der Straße stattfindet. Es geht um Transport innerhalb eines Gebäudes», erklärt Christoph Beumer, Vorsitzender des Cemat-Präsidiums und Geschäftsführer eines großen Intralogistik-Herstellers aus dem westfälischen Beckum, der Beumer Group.
Also quasi die Technik der intelligenten Kühlschränke im Großformat: Regalsysteme, in denen sich die Produkte bei fahrerlosen Transportern melden, und ihnen mitteilen, wann und wo sie abgeliefert werden müssen. Von solch einer vollständig automatisierten Firma sind die Entwickler nicht mehr weit entfernt. Besonders was autonome Fahrzeuge angeht, sei man im Rahmen der Intralogistik schon sehr fortgeschritten, sagt Beumer.
Spektakuläre Beispiele dafür lassen sich in den Produktionshallen von Volkswagen, bei Salzgitter oder Unilever beobachten. Ganze Flotten von autonomen Fahrzeugen rollen wie von Geisterhand durch die Hallen.
Fahrerlose Gabelstapler lagern Paletten in Regale ein.
Transportroboter liefern den Monteuren die benötigten Fahrzeugteile in der richtigen Reihenfolge direkt an den Montageplatz. Mit Hilfe dieser Maschinen werden interne Abläufe optimiert, Prozesse beschleunigt und Kosten eingespart.
«30 bis 40 Prozent unserer fahrerlosen Systeme verkaufen wir an die Automobilindustrie», sagt Ronald Kretschmer. Er ist Marketingchef beim Intralogistik-Unternehmen E&K Automation aus dem Kreis Harburg.
Ein Großteil der dort verkauften Anlagen besteht aus gleich mehreren autonomen Transportfahrzeugen. Durchschnittlich 400 000 bis 600 000 Euro kostet so eine Anlage im Durchschnitt, je nach Ausprägung.
Doch noch folgen die Fahrzeuge an ihrem Einsatzort größtenteils starren, vorgegebenen Strecken. Sie orientieren sich an Lichtsensoren oder Magnetstreifen auf dem Boden. «Ein großes Forschungsthema ist deshalb die vollständige Autonomie», sagt Marian Köller vom Innovationszentrum Niedersachsen: «Sich ausweichen, neue Ziele selbstständig erkennen und ansteuern, dahin soll die Reise gehen.»
Dafür benötigen Firmen die entsprechende Software. Nur durch die Digitalisierung können sich Fahrzeuge, Produkte und Regalsysteme untereinander vernetzen, miteinander kommunizieren und dazu lernen.
Das ist nicht nur ein Thema der Großkonzerne. Die Digitalisierung der Intralogistik betreffe auch die Kleinen, sagt Köller. Schon jetzt griffen die mittleren Betriebe etwa auf Assistenzsysteme zurück, mit denen die Mitarbeiter schneller den Überblick über das Lager und die Regale erhalten.
«Natürlich nutzt es einem klassischen Maschinenbaubetrieb nichts, jetzt Industrie 4.0-mäßig irgendwelche Fahrzeuge hin und her fahren zu lassen», sagt Beumer. «Da schießt man mit Kanonen auf Spatzen.» Doch seien auch kleinere Unternehmen schlecht beraten, sich den neuen Entwicklungen zu verschließen.
Schließlich reichen Schnittstellen mit der Intralogistik bis in den Alltag der Menschen hinein. Die Kühlschränke sind da nur ein Beispiel. Wenn der Paketbote in Zukunft nur wenige Stunden nach der Bestellung an der Haustür klingelt, oder der Bierkasten im Keller dem Supermarkt mitteilt, dass das Bier alle ist: «Dann steckt hinter diesen Prozessen die Technik aus der Intralogistik», sagt Köller. (dpa)