Brötchen statt Braten - Mittags ins Restaurant ist für viele out
Seit Jahren machen Bäcker, Metzger und selbst Supermärkte den örtlichen Gastwirten Konkurrenz, ihre Mittagskarten werden immer länger. Den Restaurants geht das inzwischen an die Substanz.
Ernst Fischer ist seit Jahrzehnten im Geschäft. "Früher fuhr der Vertreter übers Land und mittags ging er natürlich ins Restaurant", erinnert er sich und fügt hinzu: "Das ist wohl nicht mehr in." Der Hotelier aus Tübingen führt als Präsident den Deutschen Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga). Er sagt: "Der Mittagstisch ist zum großen Teil weggebrochen." Für die Branche sei das schlimm.
Knapp jeder dritte Gastronom berichtet in der aktuellen Dehoga-Umfrage von sinkenden Umsätzen, bei fast jedem zweiten gingen auch die Erträge zurück - das hat nur zum Teil mit dem Mindestlohn zu tun. Stammtische sind nicht mehr sonderlich in Mode und wer am Wochenende auswärts isst, mache das immer öfter bei Volks- und Vereinsfesten, klagen die Gastwirte. Besonders schmerzhaft ist bei vielen aber die Einbuße beim wochentäglichen Mittagstisch.
"Wir haben McDonald's einiges weggenommen", bilanzierten die Bäcker schon im letzten Sommer und priesen ihre Wraps und Brötchen an. Die mittelständischen Restaurantbetreiber blieben unerwähnt. Das Bäckerhandwerk steht selbst unter Druck. Discounter wie Aldi und Lidl bedrängen sie bei Brot und Brötchen mit ihren Backstationen. "Das Bäckerhandwerk holt sich den Umsatz über andere Kanäle im Außer-Haus-Markt zurück", bilanzierte der Zentralverband jüngst und meldete einen Umsatzrekord.
Besonders der eilige Esser ist umkämpft - Zeit spielt neben dem Preis eine wichtige Rolle. Tisch auswählen, Karte kommen lassen, erst die Getränke, dann das Essen, Warten auf die Rechnung. Eine halbe Stunde Mittagspause reicht da nicht. Und weil viele Angestellte nicht mal mehr die 30 Minuten nehmen, muss oft auch ein belegtes Brötchen reichen.
Studien, nach denen sich die Menschen wenig Zeit fürs Essen nehmen, gibt es eine Reihe. Jeder zweite arbeitet unter hohem Termindruck, fand die Bundesanstalt für Arbeitsschutz heraus. Knapp jeder fünfte macht nach einer Verdi-Umfrage selten oder gar nicht Pause.
"Es ist ein Stück Kultur verloren gegangen", meint Hotelier Fischer. Sein Restaurant lockt diese Woche mit hausgebeiztem Caipirinha-Lachs mit Limonen-Crème fraîche. "Bei uns bekommt man ein schönen Tisch, ein Tischtuch, Blumen auf dem Tisch und man kann ordentlich essen."
Die Gastwirte fühlen sich unfair behandelt - weil auf dem Snack beim Bäcker oder Metzger nur 7 Prozent Mehrwertsteuer fällig werden, das Restaurantessen aber voll mit 19 Prozent besteuert wird. Der Dehoga will auch 7 Prozent, damit sich Wirtshäuser auf dem Land und Restaurants in den Innenstädten besser halten können.
Manche Gastwirte wollen auf derlei Zugeständnisse nicht warten.
Sie fahren den Kunden hinterher. "Es gibt die ersten, die mittags ihren Laden zu lassen und mit dem Foodtruck losfahren", berichtet Fischer. Die Imbisswagen machen in immer mehr deutschen Städten Halt - mit breiter Auswahl vom Bio-Burger über Hausmannskost bis zu Exotischem. Bei Anschaffungskosten von mindestens 50 000 Euro wird das für Gastwirte vorerst aber die Ausnahme bleiben./bf/DP/jha (dpa)
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