Tee-Verkostung zwischen Hochregallager und Aromaküche
11 Uhr morgens am Europahafen in Bremen: Christine Glenewinkel öffnet die Tür zum Schuppen sechs. Das vom Hafenmuseum Speicher XI organisierten Tee-Seminar beginnt im Lager des Logistikunternehmens Berthold Vollers. Während Tee-Importe abgefertigt und bearbeitet werden, tauchen die Besucher mit den gelben Warnwesten in eine Duftwolke aus exotischen Aromen ein.
«Die schönen, alten Teekisten haben längst ausgedient», sagt Glenewinkel. Heute wird die Ware aus dem subtropischen und tropischen Gürtel rund um den Äquator in Säcken mit Aluminiumfolie exportiert.
Die seien super fürs Aroma, sagt sie - und die bequemste Art, die in den Teegärten gepflückte Ware zu verschicken.
Vorbei an Mischmaschinen und Kartons mit Kornblumenblüten, Lavendel und Schokoraspeln geht es in den Aroma-Raum. In blauen Kanistern schwappen flüssige Aromen wie Erdbeere, Kaktusfeige, Vanille, Bio-Bergamotte, Litschi, Chili und Pfeffer. Tea-Taster verfeinern damit den Basistee. Wie das exakte Mischungsverhältnis von Aroma und Tee ist, ist das streng gehütete Geheimnis des jeweiligen Kunden.
Der Deutsche Teeverband beobachtet derzeit bundesweit eine große Neugier auf ungewöhnliche Provenienzen wie Thailand, Malaysia oder Korea und eine große Experimentierfreudigkeit.
«Ob in Bars, edlen Restaurants oder zu Hause: Tee wird nicht mehr nur klassisch getrunken, sondern zunehmend als Zutat verwendet», berichtet Verbandssprecherin Anne Lehmbrock. Immer größerer Beliebtheit erfreuten sich Grüntees, darunter Trendgetränke wie Matcha Latte, aber auch aromatisierte Varianten.
Die Branche setzt auf immer neue Geschmackserlebnisse. Neben Kräutertees wie Ingwer Zitronenmyrte sind bei der Firma Teehaus Ronnefeldt in Frankfurt am Main der mit Kardamom, Pfeffer und Zimt aromatisierte Masala Chai und Bio-Grüntees die Renner. Neu ist nach Angaben von Sandra Nikolei, einer Senior Tea-Tasterin des Teehauses Ronnefeldt, eine Ayurveda-Tee-Kollektion.
Auch Helen Drieling, Referentin bei der J. Bünting Teehandelshaus GmbH in Leer, bestätigt den Trend zu Chai, Bio-Tees und Matcha gerade bei jüngeren Leuten. Das leuchtend grüne Pulver aus dem feinen Fleisch japanischer Grünteeblätter wird wie ein Caffè Latte (also Milchkaffee) getrunken und hält durch den hohen Teein-Gehalt lange wach.
Junge Teetrinker setzen nach Angaben von Anna Müller, der Sprecherin der Ostfriesischen Tee Gesellschaft, auf entspannte Auszeiten zwischendurch. «Damit positioniert sich Tee, anders als «coffee to go», gegen Stress und Hektik im Alltag.» Neu sind nach ihren Worten auch «Kuchentees» in Sorten wie «Apfelstrudel» und «Himbeertörtchen».
Zurück nach Bremen: Nach Teelager und Aroma-Küche beginnt der praktische Teil des Seminars. Die Teilnehmer führen die Blätter unterschiedlichster Teesorten an die Nase. Einige duften kaum, andere streng nach Spinatblatt. Glenewinkel verweist auf einen gut gereiften Chinatee mit holzigem Geruch als mögliche Geldanlage: «In Platten gepresst, reift er wie Käse und kann dann 100 bis 150 Jahre später schon mal mehr als 10 000 Dollar kosten.»
Bei der Verkostung wird ein Oolong eingeschenkt, was so viel bedeutet wie schwarzer Drache, und der Topseller «Echte Ostfriesische Mischung». Schließlich sind nicht etwa die Briten mit ihrem Five-o'-clock-Tea Weltmeister im Teetrinken, sondern die Ostfriesen mit einem Jahresverbrauch von gut 300 Litern pro Kopf. Dort schätzen sie eben, was schon der chinesische Gelehrte T'ien Yiheng wusste: «Man trinkt den Tee, um den Lärm der Welt zu vergessen.» (dpa)
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