Die Kunst des Grillens - Was Gourmets zur Meisterschaft auftischen Von Jörn Perske, dpa

08.08.2016 - Deutschland

Das Fleisch zischt auf dem Rost, Experten fachsimpeln über Rezepturen und Garpunkte: Bei den Deutschen Grill-Meisterschaften in Fulda ermitteln die Spitzenkönner ihre Besten. Zudem gibt es einen weiteren Gewinner - die Branche. Sie wächst gewaltig. Grillen ist Lifestyle.

Grillen ist manchmal nicht nur altbewährtes Handwerk.

Grillen kann auch moderne Kunst sein - kulinarisch gesehen. Wenn die Teilnehmer bei den Deutschen Grill- und Barbecue-Meisterschaften in Fulda am Sonntag von ihren Kreationen schwärmen, mit denen sie die Jury überzeugen wollen, klingt es fast nach Poesie. Die Gourmets am Grillrost tischen besondere Schmankerl auf.

Den Geschmack der Juroren traf Michael Hoffmann aus Rösrath in Nordrhein-Westfalen mit seinem «Grillteam Gut Glut» am besten. Er wurde am Sonntagabend zum neuen Grillkönig in der Profiklasse gekürt.

Für Hoffmann war es bereits der vierte Meistertitel. Bei seinen sechs Gängen überzeugte der neue Champion unter anderem mit Spareribs und einem Bohnen-Blaubeeren-Wrap. Die Entenbrust servierte er mit einer Traubensauce und gegrillten Spargelpäckchen.

Peter Zeitler aus dem bayerischen Schweinfurt ging als Titelverteidiger in der Profiklasse in den Wettbewerb und belegte am Ende Rang drei mit seinem neunköpfigen Team der «Frankengriller». Sie mussten vom Vormittag bis zum Abend sechs Gänge auftischen. Für den Fischgang ließ er sich etwas Außergewöhnliches einfallen. Den Stör, den alle verarbeiten mussten, bot er mit Kartoffelschuppen und Wasabi an. Sein Dessert ebenfalls edel: ein mit Blattgold verziertes Schokoküchlein mit Pfefferminzkern an Blutorangen-Ingwer-Basilikum-Eis.

Der Präsident der German Barbecue Association (GBA), Volker Elm (51), sagte deswegen auch: «Die Teilnehmer sind unglaublich kreativ. Bei den Meisterschaften wird Sterne-Gastronomie vom Grill geboten - das ist hohe Kunst.» Um diesen Anspruch zu untermauern, hat der Verband für die Deutschen Meisterschaften in diesem Jahr auch etwas Revolutionäres unternommen: Bei der 21. Grill-DM kamen nun erstmals keine Bratwürstchen auf den Rost. Die Aufgabe ist eben zu gewöhnlich und keine Herausforderung für die Ausnahmekönner.

Beim normalen Grill-Volk hätten die Könige der Zunft damit womöglich für lange Gesichter gesorgt. Denn Bratwürstchen stehen nach Angaben des Deutschen Fleischer-Verbands in der Liste der beliebtesten Grillartikel auf Rang zwei. Nur Schweinesteaks (Nacken/Rücken) sind noch begehrter, wie Sprecher Gero Jentzsch sagte.

In Fulda standen andere Produkte auf dem Speiseplan der 120-köpfigen Jury, die Punkte für die schmackhaftesten Gerichte verteilte und die Sieger kürte. Die Amateur-Teams mussten vier Gänge kredenzen: Fisch, Rindfleisch, Spareribs und ein Dessert. Den Profis wurde bei ihren sechs Gängen zudem eine vegetarische Komponente abverlangt und ein Improvisations-Gang aus einem Warenkorb unbekannten Inhalts. Die Profis sind übrigens nicht zwangsläufig Berufsköche.

Zum Finale der Grill-DM kamen am Sonntag laut Veranstalter 10 000 Besucher, sowie am Vortag zum Auftakt bereits 5000 Neugierige. Soviel Zuspruch verwundert nicht. Denn Grillen ist ein beliebtes Hobby der Deutschen. Nach Angaben der Barbecue Industry Association Grill (BIAG) zählt Deutschland zu den umsatzstärksten Ländern Europas.

Die Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) ermittelte neueste Absatz- und Umsatzzahlen in der Branche. Im ersten Halbjahr 2016 wurden in Deutschland 1,04 Millionen Gas- und Kohlegrills verkauft, wie die Marktforscher der Deutschen Presse-Agentur sagten. Vorjahreszahlen lagen nicht vor. In der Untersuchung konnten auch nicht alle Vertriebswege berücksichtigt werden.

Der Grillverband BIAG sagt sogar: Deutsche Verbraucher geben jährlich mehr als eine Milliarde Euro für Grillgeräte, Brennstoffe und Zubehör aus. Der Grillhersteller Weber, nach eigenen Angaben Branchenführer in Europa, beziffert das Marktvolumen in Deutschland sogar mit 1,2 Milliarden Euro. «Unser Umsatzwachstum ist jedes Jahr prozentual im zweistelligen Bereich», sagte Frank Miedaner, Geschäftsführer bei Weber-Stephen Deutschland, der Deutschen Presse-Agentur.

Miedaner beobachtet: Der Trend geht seit einigen Jahren hin zu höherwertigen Grills mit entsprechender Ausstattung. In der Praxis heißt das: «Grillen ist auf einem gehobenen Lifestyle-Level angekommen», sagt der grillbegeisterte Metzger Dirk Ludwig aus dem osthessischen Schlüchtern als Beobachter der DM. «Der Grill ist für viele zu einem Prestige-Objekt geworden. Man zeigt, was man hat und was man kann.» Und auf den Edelgrills landen auch immer öfter - je nach Einkommensklasse - hochwertige Grillartikel.

Metzger Ludwig und Fleischverbandssprecher Jentzsch stimmen bei der Einschätzung zu den neuen Grillfleisch-Trends überein: Besonders gefragt bei den Gourmets seien derzeit Nierenzapfen vom Rind (Onglet) und das Flanksteak von der seitlichen Bauchmuskulatur des Rindes. 

Kulinarisch kommen aber auch immer neue Trends hinzu: Veggie-Grillen, Slow Cooking oder Smoken. Dabei wird das Fleisch in holz- oder kohlebefeuerten Ofen vom heißen Rauch gegart oder geräuchert.

Doch trotz Highend-Grills und immer neuen Trends sagt Metzger Ludwig, auch schon mal DM-Teilnehmer: «Man muss einen Geschmack treffen, der bei der breiten Masse ankommt.» Mit seiner ungewöhnlichen Fenchel-Bratwurst erlebte er vor Jahren eine Bauchlandung.

Titelverteidiger Peter Zeitler betonte: «Man braucht ein gutes Team, das über Stunden gut Hand in Hand arbeitet, und die nötige Portion Glück bei der Jury.» Letztlich sei aber auch handwerkliche Präzision gefragt: «Es muss halt alles gelingen.»

Der Grillverband GBA will nach dem vorübergehenden Bratwurst-Ausschluss weiter innovativ sein. «Wir wollen nicht nur an Altbewährtem festhalten. Nach dem Stör in diesem Jahr wollen wir auch in Zukunft eher unbekannte Produkte auf die Grillkarte bringen», sagte GBA-Präsident Elm. Er denkt zum Beispiel über das Kachelfleisch aus dem Hüftdeckel oder Saumfleisch vom Rücken nach. «Die Sau hat noch viele Teile, die unberührt sind», sagte Elm, der die kommenden Deutschen Meisterschaften wieder in Fulda veranstalten möchte. (dpa)

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