Wie der Tee in den Beutel kommt

14.11.2016 - Deutschland

Zum Hamburger Hafen ist es nicht weit, das ist die europäische Drehscheibe für den Tee. Und so werden in der Nordheide Teebeutel gefüllt, Milliarden von ihnen. Loser Tee ist auch im Angebot. Doch was ist nun besser?

Von außen ist es nur eine nüchterne Fabrikhalle, doch gleich hinter der Tür erwartet den Besucher ein sanfter Duft. Drei alte Teekisten im Eingangsbereich verraten, was hier produziert wird. Das Werk gehört zur Laurens Spethmann Holding (LSH), hier bei Milford in Buchholz sind sie auf sogenannte Doppelkammer-Teebeutel spezialisiert.

"Das Herz ist der Abpackbetrieb", sagt Werksleiter Michael Leuer. 400 Teebeutel in der Minute füllt jede der 43 Maschinen in der Halle. Das ergibt bis zu 18 Millionen Beutel am Tag, rund 3,4 Milliarden im Jahr. Unter dem Dach der LSH hat die Ostfriesische Tee Gesellschaft (OTG) mit Sitz im niedersächsischen Seevetal ihre Marken Meßmer, Milford und OnnO Behrends vereint, zusammen machten sie 2015 einen Umsatz von 250 Millionen. Die LSH erlöste im vergangenen Jahr 468 Millionen Euro, das Familienunternehmen wird in vierter Generation von den Brüdern Jochen Spethmann als Vorstandsvorsitzendem und Michael Spethmann an der Spitze des Aufsichtsrates geführt.

Die LSH produziert in ihren Werken mehr als zehn Milliarden Teebeutel im Jahr - OTG und Teekanne sind hierzulande Marktführer. Teekanne ist ebenfalls in Familienbesitz, die Gruppe produziert nach eigenen Angaben jährlich zwölf Milliarden Teebeutel. Bei Handelsmarken hat die OTG die Nase vorn, auch manch Beutel aus Buchholz ist für die großen Discounter bestimmt. Weltmarktführer ist das zum Unilever-Konzern gehörende Unternehmen Lipton.

In Buchholz schießen Filterpapier, Etiketten und die Umbeutel genannten Verpackungen von dicken Rollen in die Maschine, in der hinter einer Plexiglashaube alles zusammengeführt wird. Der Tee kommt in Rohren von oben, eine gewaltige Spule liefert den Faden aus Wolle. In einem großen Rad mit zwölf Fächern wird nun aus allem eins: der fertige Teebeutel, meist sind zwei Gramm Tee darin. Blitzschnell wird dabei das Filterpapier befüllt, ein Schlauch gebildet und zum Doppelkammerbeutel gefaltet. Zwei Nadeln verbinden dann gleichzeitig Etikett und Beutel mit dem Faden - fertig ist der Beutel.

"Wir waren die ersten, die statt der Klammer einen Knoten für den Faden entwickelt haben", sagt Werksleiter Leuer. Die Umrüstung habe 80 Millionen Euro gekostet. "Dadurch sparen wir 50 Tonnen Aluminium im Jahr", erklärt er. "Das Filterpapier ist aus der Bananenstaude." Papier und Beutel samt Inhalt seien so zu 100 Prozent kompostierbar. Bis 2020 soll der gesamte Tee aus nachhaltigem Anbau kommen.

Die OTG produziert zu 90 Prozent Beutel, der Rest ist loser Tee. Was nun ist der bessere Tee? "Das hängt einzig allein vom Blattgrad ab, aber die Qualität ist ein und dieselbe", sagt Leuer. Der Blattgrad ist die Größe. Außer dem ganzen Blatt gibt es auch Broken, den kleineren Fannings und den ganz feinen Dust - hier bei Milford wird Fannings verwendet. "Im Teebeutel lösen sich die Aromen nur schneller, weil die Oberfläche größer ist", erklärt Leuer, darum auch die Doppelkammer. "So wird der Geschmack optimal abgegeben", sagt er.

"In Beuteln befinden sich die gleichen Teeblätter wie in lose angebotenen Tees - sie sind nur kleiner", bestätigt Maximilian Wittig vom Deutschen Teeverband und der Wirtschaftsvereinigung Kräuter- und Früchtetee. Qualitativ beständen keine Unterschiede, sagt auch er.

Wie eine nicht endenwollende Spielzeugeisenbahn fahren bunt gemischt die gefüllten Pappschachteln auf schmalen Bändern durch die Halle. Darjeeling, Kräuter pur und Grüner Tee Vanille gleiten vorbei, auf einem anderen Band sind es Mangostan-Maracuja, Sanddorn-Erdbeere und Früchtemischung. "Am Ende wird mit Laser sortiert", sagt Leuer. Ein Luftstoß sorgt dafür, dass die Boxen den richtigen Karton ansteuern.

Vor allem bei den Teebeuteln ist die Vielfalt groß. "Wie haben bis zu 600 Sorten im Angebot", sagt Leuer. 20 bis 30 Prozent der Sorten werden jedes Jahr neu entwickelt. "Vor allem Ingwer und Rooibos liegen im Trend, der grüne Tee ist seit Jahren ein Dauerbrenner", berichtet er. Auch Bio-Tee nehme weiter zu. "Den größten Anteil haben die Kräuter- und Früchtetees, das sind auch die Treiber des Marktes", so Leuer. Um die Zukunft des Getränks macht er sich keine Sorgen. "Das geht durch alle Schichten", sagt er. "Auch die Jugendlichen trinken viel Tee." Pro Kopf lag der Verbrauch in Deutschland im vergangenen Jahr bei 28 Litern, Tendenz steigend.

"Derzeit erfahren Tees und vor allem Tee-Spezialitäten erfreulicherweise einen neuen Stellenwert", sagt Verbandsmann Wittig. Tee stehe für Leichtigkeit und bewussten Genuss. "In diesen Trend passt Grüntee und hier insbesondere Matcha in allen Variationen - ob pur, als Matcha Latte oder als Zutat in Bars und Küchen."

Der Teeverbrauch hängt dabei stark von den Jahreszeiten ab. "Wir merken das Wetter sofort, für uns könnte es immer knapp über Null mit Nieselwetter sein", sagt Leuer. "Zwei Drittel des Jahresumsatzes werden im Winter gemacht." So wird im Sommer unter der Woche in zwei Schichten gearbeitet, im Winter sind es drei.

Der Tee für die Abpackmaschinen kommt aus gewaltigen Säcken in der Halle darüber. Zuvor war er im Labor und in der Mischerei. "Wir sprechen von einem Blend, das ist die Mischung", sagt Abteilungsleiter Arne Fieritz. Das Unternehmen wirbt, die Sorte "Meßmer Klassik" sei der am besten verkaufte Schwarztee Europas. Das Rezept kennen nur drei Personen und der Safe, heißt es in der Zentrale. "Er muss jedes Jahr gleich schmecken, da muss die Mischung stimmen", meint Leuer.

Der Tee kommt in beschichteten Papiersäcken aus dem nur rund 30 Kilometer entfernten Hamburger Hafen, dem größten Teeimporthafen Europas. Die schönen Teekisten von einst sind allerdings lange passé. "Die Prozesse im Bereich Verarbeitung und Logistik haben sich durch andere technische Möglichkeiten und Anforderungen weiterentwickelt und sind damit nicht mehr dieselben wie noch vor 50 oder 100 Jahren", sagt Wittig. "An dem Genusserlebnis, welches Teetrinker seit Jahrhunderten schätzen, hat sich deshalb nichts geändert." (dpa)

 

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