Revolution im «Starbucks»-Stil? Chocolatiers eröffnen mehr Läden

20.12.2016 - Deutschland

Weihnachten ist für Schokoladenunternehmen eine feine Sache. Viele Hersteller eröffnen mittlerweile eigene Läden. Machen es die Chocolatiers jetzt den Kaffee-Filialisten nach?

Rosa Pfefferkörner auf dunklen Tafeln, Trüffel mit Sanddorn, Pralinen mit Maracuja-Karamell - eine Frau mit weißem Handschuh sortiert die Ware hinter Glas. In den Regalen?

Weihnachtsmänner mit roter Schleife. Weihnachten ist für Schokoladenhersteller ein gutes Geschäft. Lange brauchten Hersteller zum Beispiel Feinkostabteilungen für den Verkauf, jetzt nehmen einige den Vertrieb ihrer Schokolade selbst in die Hand. 

Lindt & Sprüngli eröffnen immer mehr neue Läden, weltweit sollen es zum Jahresende rund 370 «Boutiquen» sein, davon 20 in Deutschland.

Läderach aus der Schweiz setzt auf eigene Geschäfte, Viba vertreibt Nougat in eigenen Shops vor allem im Osten Deutschlands. Und die Berliner von Rausch haben ihre Schokolade aus den Supermärkten genommen, um sie nur im eigenen Laden und online zu verkaufen. 

Ein Vorteil dabei: Mehr Raum, um die Marke zu präsentieren - und sich zu verkaufen. Der Kaffee habe es vorgemacht und jetzt folge die Schokolade - diese These stellte das britische Magazin «The Economist» auf: «Wo sich Starbucks einst den Weg gebahnt hat, folgen nun die Chocolatiers.» Piekfeine Schokoladenläden entstünden in hippen Vierteln, in denen zuvor die Kaffeekultur ihren Ursprung gehabt habe. 

Einen Trend zu Spezialitäten bei Schokolade beobachtet auch das Marktforschungsunternehmen Nielsen, ähnlich wie bei Kaffee oder Bier.

«Hersteller setzen in solchen gesättigten Märkten auf Spezialitäten und Premiumprodukte, um mehr umzusetzen», sagt Michael Griess, der den Süßwarenmarkt analysiert. 

Der Schokoladenmarkt in Deutschland stagniere. Nach Zahlen von Nielsen ist der Markt - gemessen am Absatz - im Jahresvergleich bis November sogar geschrumpft. «Über Preiserhöhungen oder Premiumprodukte kommen die Hersteller und Händler dennoch auf ein kleines Umsatzwachstum», erklärt Griess. Manufakturen oder Flagship-Stores könnten durchaus ein Mittel sein, um direkten Kontakt zu den Verbrauchern herzustellen. 

Einige Hersteller jedenfalls sehen in Filialen Potenzial - und setzen auf Expansion. Bei Lindt & Sprüngli habe das eigene Verkaufsnetz im Jahr 2015 mit rund 379 Millionen Schweizer Franken bereits zehn Prozent zum Umsatz beigetragen, erklärt eine Sprecherin. Allein 2016 sollen bis Jahresende 55 Geschäfte neu eröffnet haben.

 Auch das Schweizer Familienunternehmen Läderach schaut sich um. Jahrzehntelang produzierte es Schokolade nur als Zulieferer für Bäckereien und Konditoreien - vor etwa 10 Jahren übernahm Läderach aber einen Süßwarenhersteller und tritt seitdem als Konsumentenmarke auf. «In ganz Europa sind wir intensiv auf Standortsuche», sagt Retailchef Martin Lehmann. 

Dass Hersteller eigene Läden aufmachen, sei immer auch eine Gratwanderung, erklärt ein Branchenkenner. Denn die Hersteller werden so mitunter zur Konkurrenz für ihre eigentlichen Abnehmer, für Supermärkte, Feinkostabteilungen und Fachgeschäfte. Die Hersteller nehmen selbst teure Ladenmieten und andere Kosten in Kauf. Ein Beispiel: Am Münchner Stachus etwa glänzt eine «Lindt Boutique» - und nicht weit entfernt liegen die Kaufhäuser. 

Der Berliner Chocolatier Rausch hat sich 2015 sogar entschieden, seine Produkte gar nicht mehr in fremden Läden anzubieten. Schokolade werde in Supermärkten nicht inszeniert - «und das brauchen wir für unsere Geschichte», erklärt ein Firmensprecher. 

Eigene Läden seien ein Schritt, der gut abgewogen werden müsse, sagt Marktbeobachter Griess. «Bei vielen großen Schokoladen-Herstellern sehen wir das in der Form noch nicht. Die Platzhirsche konzentrieren sich weiter auf das Kerngeschäft.» Der Produzent Ritter Sport zum Beispiel plant bislang - neben seinem Flagship-Store in Berlin - kein eigenes Filialnetz, das Unternehmen schließe den Schritt aber auch nicht aus, sagte ein Sprecher in Baden-Württemberg. 

Ob der Schokolade wirklich die große Revolution im «Starbucks»-Stil bevorsteht und viele Hersteller Läden eröffnen? «Es gibt den Trend zu Spezialitäten und den Versuch, über Premiumprodukte mehr umzusetzen», sagt Griess von Nielsen. «Aber ob das dazu führt, dass mehr Hersteller Läden eröffnen, das wäre ein Blick in die Glaskugel.» Damit Läden oder Manufakturen laufen, muss natürlich auch eines erfüllt sein: Menschen müssen Geld für Schokolade ausgeben wollen.(dpa/Julia Kilian)

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