Klimawandel verstärkt Selenmangel
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Grafik aus Jones, G.D. et al, PNAS, 2017 / ETH
Selen ist ein unverzichtbares Spurenelement, das wir über die Nahrung, beispielsweise über Getreide, aufnehmen. Der Selengehalt von Nahrungsmitteln hängt stark von der Selenkonzentration im Boden ab. Studien zeigten, dass die Selenkonzentration tiefer ist, wenn der pH-Wert und die Sauerstoffverfügbarkeit hoch und der Anteil an Ton und organischem Kohlenstoff im Boden tief sind. In Europa finden sich selenarme Böden vor allem in Deutschland, Dänemark, Schottland, Finnland und einigen Balkanländern. Dies weiss man aufgrund von regionalen Untersuchungen.
Die globale Verteilung von Selen hingegen war bisher weitgehend unbekannt. Dank der Auswertung vieler Daten, die zu anderen Zwecken gesammelt wurden, ist es Forscherinnen und Forschern der Eawag, der ETH Zürich und anderen Instituten nun aber gelungen, die globale Verteilung zu rekonstruieren.
Niederschläge beeinflussen Selenkonzentration
Die Forschenden trugen die Informationen aus 16 von 1994 bis 2016 erhobenen Datensätzen zusammen und werteten über 33’000 Bodenproben aus. Sie analysierten in den obersten 30 Zentimetern des Bodens die Selenkonzentrationen und 26 weitere Umweltvariablen. Es zeigte sich, dass vor allem die Wechselwirkungen zwischen Klima und Boden eine Rolle für die Verteilung von Selen spielen. Den grössten Einfluss auf die Selenkonzentration im Boden haben Niederschläge sowie das Verhältnis zwischen Niederschlag und Verdunstung (Trockenheitsindex).
Bei Niederschlägen werden die Böden ausgewaschen und Selen geht verloren. Gleichzeitig können Niederschläge einen positiven Effekt auf den Selengehalt haben. Denn nasse Böden haben einen tieferen Sauerstoffgehalt und sind etwas saurer, so dass das negativ geladene Selen besser an Bodenpartikeln gebunden bleibt. In Gebieten mit wenig bis mittlerem Niederschlag und hohem Tonanteil ist ein hoher Selengehalt am wahrscheinlichsten. Trockene, basische Böden mit wenig Ton enthalten eher wenig Selen.
Selenverlust in Indien und Europa
Basierend auf diesen Erkenntnissen modellierten die Forscherinnen und Forscher die durchschnittliche Selenkonzentration der Böden für die Zeiträume von 1980 bis 1999 und 2080 bis 2099. In Teilen von Australien, China, Indien und Afrika könnte der Selenanteil aufgrund des Klimawandels zunehmen. Insgesamt werde der Selengehalt in den Böden aber abnehmen, folgern die Forschenden.
Im Vergleich zu 1980 bis 1999 weisen bis zum Ende dieses Jahrhunderts (2080-2099) zwei Drittel der landwirtschaftlich genutzten Flächen einen durchschnittlichen Selenverlust von rund neun Prozent auf. Betroffen sind vor allem Ackerflächen in Europa und Indien, China, der Süden Südamerikas, Südafrika und der Südwesten der Vereinigten Staaten.
Böden mit Selen düngen
Diese Verluste können auch für unsere Gesundheit von Bedeutung sein. Bereits heute sind bis zu einer Milliarde Menschen von einer ungenügenden Selenzufuhr betroffen. Die Autorinnen und Autoren sehen ihre Studie als frühzeitige Warnung für humanitäre Organisationen und die Agrarindustrie. Um dem Selenmangel entgegenzuwirken, könnte selenhaltiges Düngemittel eingesetzt werden. Finnland tut dies bereits seit 1984. Zudem könnte man Selen auch als Zusatzstoff für Tierfutter verwenden.
Gesundheitliche Bedeutung von Selen
Selen (Se) ist essentiell für die menschliche Gesundheit und wird durch die Nahrung aufgenommen. Durch seine antioxidative Wirkung fängt es freie Radikale ab und spielt somit eine wichtige Rolle für das Immunsystem. Zudem dient es dem Körper als Baustein für zahlreiche Eiweisse. Heute sind bis zu einer Milliarde Menschen von einem Selenmangel betroffen. Dieser kann zum Beispiel eine Erkrankung des Herzmuskels zur Folge haben. Aber auch zu viel Selen kann schädlich sein und zu Erbrechen, Leberschäden oder einer Störung des Geschmacks führen.
Literaturhinweis
Jones GD, Droz B, Greve P, Gottschalk P, Poffet D, McGrath SP, Seneviratne SI, Smith P, Winkel LHE: Selenium deficiency risk predicted to increase under future climate change. Proceedings of the National Academy of Sciences 2017, doi: 10.1073/pnas.1611576114