Lebensmittel für die Tonne - Warnung vor neuer «Mülleimerpolizei»

27.02.2017 - Deutschland

Ist der Joghurt noch gut, der Blumenkohl noch genießbar? Viele schmeißen Lebensmittel weg, obwohl man sie noch essen kann - jeder Bundesbürger im Schnitt für 235 Euro pro Jahr. Was kann man tun?

81,6 Kilogramm Lebensmittel pro Verbraucher landen jährlich im Müll - Bundesernährungsminister Christian Schmidt wehrt den Ruf nach gesetzlichem Einschreiten aber ab. Der Gesetzesantrag für den Bundesrat kam in dieser Woche von Nordrhein-Westfalen und hat das Ziel, Lebensmittelverluste zu vermeiden und entsprechende Abfälle stofflich zu verwerten. Das Ernährungsministerium hielt dem am Freitag in Berlin entgegen, entsprechende Verbote seien kaum zu kontrollieren.

«Der Großteil unserer Lebensmittelabfälle entsteht in den Privathaushalten, da können wir mit einem Gesetz nichts erreichen», sagte der CSU-Politiker der «Saarbrücker Zeitung» (Freitag). Ein Ministeriumssprecher verwies auf eine von seinem Haus geförderte Studie der Universität Stuttgart, nach der 61 Prozent der Lebensmittelabfälle aus Haushalten stammen, jeweils 17 Prozent von Industrie und Großverbrauchern und nur 5 Prozent vom Handel.

Man könne weder reglementieren, ob jemand ein Milchprodukt zuhause früher wegwirft als nötig, noch könne man gesetzliche Regeln gegen Lebensmittelabfälle im Restaurant aufstellen, sagte der Sprecher. «Soll dann jemand im Lokal gucken, ob die Gäste aufgegessen haben?», sagte er. «Das sind Dinge, die sind nicht zu überwachen, die sind nicht zu kontrollieren.»

Der Gesetzesantrag Nordrhein-Westfalens verweist auf Frankreich, wo größere Supermärkte verpflichtet sind, unverkaufte Nahrungsmittel zu spenden, zu Tierfutter zu verarbeiten oder in die Kompostierung zu geben. Laut der Stuttgarter Studie landen pro Person und Jahr Waren im Wert von 235 Euro in der Tonne. Pro Jahr würden mindestens elf Millionen Tonnen Nahrungsmittel weggeworfen.

Das Bundesernährungsministerium bekannte sich zu dem internationalen Ziel, die Lebensmittelabfälle bis 2030 zu halbieren. Entsprechende Kampagnen liefen, man setze auf Aufklärung und Sensibilisierung.

Auch sollten Angaben zur Genießbarkeit von Lebensmitteln verständlicher gemacht werden, so dass nicht so viele Produkte aus Vorsicht weggeworfen werden, so der Sprecher. Denn heute haben die meisten Produkte ein Mindesthaltbarkeitsdatum auf der Packung, das den Zeitpunkt nennen muss, bis zu dem ein Lebensmittel seinen spezifischen Geschmack, Geruch, aber etwa auch Vitamingehalt behält. Zudem fördere das Ministerium die Entwicklung «intelligenter» Packungen mit dem Ziel, zum Beispiel einmal eine farbliche Anzeige auf einem Joghurtbecher zu haben, die die Genießbarkeit anzeigt.

SPD-Verbraucherexpertin Elvira Drobinski-Weiß begrüßte den Vorstoß Nordrhein-Westfalens. «Dem Handel das Vernichten von Lebensmitteln zu untersagen und ihn zur Weitergabe an wohltätige Einrichtungen zu verpflichten, ist ein Schritt in die richtige Richtung», sagte sie der «Saarbrücker Zeitung». Dagegen sprach Unionsfraktionsvize Gitta Connemann (CDU) von einem «Wegwerfgesetz», das einer «Kühlschrank- und Mülleimerpolizei» gleichkomme. «Aufklärung ist das Zauberwort. Ernährung gehört endlich in alle Lehrpläne», so Connemann. Der Bundesratsantrag soll am 10. März in der Länderkammer beraten werden. (dpa)

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