Mehr biologische Vielfalt in der Landwirtschaft

Zukunftsblog der ETH Zürich

15.03.2017 - Schweiz

Nur wenige alte Gemüse- und Fruchtsorten aus dem enormen Agrobiodiversitätsschatz der Schweiz haben ihren Weg zu den Grossverteilern gefunden. Dabei könnten diese ursprünglichen Nutzpflanzen helfen, den genetischen Flaschenhals in der Landwirtschaft zu überwinden.

ETH Zürich / Marco Clausen / flicker

Karotten in diversen Farben und Formen – Sortenvielfalt ist eine Versicherung gegen unerwünschte Pflanzenkrankheiten

Fusarium oxysporum heisst der Pilz, der die weltweit bedeutendste Bananensorte «Cavendish» in Plantagen rund um den Globus bedroht. Gründe für den sich schnell ausbreitenden Pilzbefall sind einerseits der intensive Anbau genetisch identischer Bananen in Monokulturen, andererseits die Verschleppung von Infektionen durch den globalen Handel mit Setzlingen. Weltweit wütende Schädlinge und Krankheiten sind ein zunehmendes systemisches Risiko für die Landwirtschaft und gefährden unsere sichere Ernährung.

Bei der Kulturpflanzenzüchtung unterscheidet man grob zwischen Züchtung im Feld unter lokalen vorherrschenden Umweltbedingungen und Züchtung unter standardisierten Bedingungen wie etwa in Labor und Gewächshaus. Der zweite Ansatz trimmt die Kulturpflanzensorte auf maximale Leistung in einer möglichst uniformen Umwelt. Die Sorte bringt den hohen Ertrag durch die Zufuhr externer Ressourcen wie Dünger, Pestizide und Wasser. Bei widrigen Umweltbedingungen, wenn es an diesen Ressourcen mangelt oder der Schädlingsdruck steigt, sinkt die Produktivität stark.

Die Züchtung unter standardisierten Bedingungen ist heute weit verbreitet. Sie verringert die genetische Sortenvielfalt in der Landwirtschaft, weil sie wenige Hochleistungssorten fördert, die global vermarktet werden. Restriktive Rechte auf geistiges Eigentum und Methoden wie die Hybridzüchtung verhindern im kommerziellen Sektor zudem, die Samen auf dem Feld zu vermehren, so dass Bauern das Saatgut jährlich neu kaufen müssen [1]. Wenn Bauern, die bisher Samenmaterial unter den lokalen Umweltbedingungen im Feld gewonnen haben, auf nicht samenfestes oder steriles Pflanzenmaterial umsteigen, wird der natürliche Kreislauf der Anpassung unterbrochen. Dadurch erleben wir eine weltweite dramatische Erosion der Agrobiodiversität [2].

Brach liegender Schatz an alten Sorten

Bei der «traditionellen» Züchtung werden Pflanzenindividuen im Feldanbau ausgelesen, die unter den lokalen Umweltbedingungen den höchsten Ertrag ergeben. Von diesen Eltern wird das Saatgut in der nächsten Saison verwendet und vermehrt. So entstehen vielfältige Sorten, die lokal angepasst sind. Damit wird die genetische Vielfalt in den Anbausystemen erhöht. Das macht Kulturpflanzen generell widerstandsfähiger gegen Schädlinge und andere Umweltfaktoren.

Über tausende Jahre entstand auf diese Weise ein unermesslicher Schatz an Agrobiodiversität: Weltweit gibt es beisipielsweise über 700 Bohnensorten, und alleine in der Schweiz existieren (noch) rund 1000 verschiedene Apfelsorten. Diese regionalen Sorten, auch Landsorten genannt, bergen eine enorme genetische Vielfalt, die es ihnen erlaubt, sich rasch an neue Umwelt-faktoren anzupassen. Sie sind unsere Versicherung gegen unerwünschte Pflanzenkrankheiten, Schädlinge und sich ändernde Bedingungen.

Leider schlummert dieser wertvolle Schatz vorwiegend ungenutzt in Samenbanken oder Sortengärten vor sich hin. Warum? Beispiel alte Apfelsorten: Mangelnde Resistenz gegenüber dem gefürchteten Feuerbranderreger oder eine hohe Anfälligkeit für Schorf stehen heute einer breiten Vermarkung oft im Weg, auch wenn diese Sorten bestechende Eigenschaften aufweisen wie Spätfrosttoleranz in Höhenlagen, einen besonderen Geschmack oder Toleranz gegen Trockenheit.

Mängel beheben mit modernen Methoden

Geht es darum, die alten Sorten attraktiver zu machen, könnten die neuen molekularbiologische Techniken der Genom-Editierung ins Spiel kommen: Methoden wie CrisprCas (siehe Blogbeitrag) sind viel genauer, effizienter und kostengünstiger als herkömmliche Züchtungsverfahren, womit sie auch für Züchter ausserhalb der grossen Konzerne interessant sind. Gelingt es, diese Methoden in Züchtungsprogramme einzubinden, die auf samenfeste Sorten und lokale Anpassung fokussieren, könnten sie helfen, die Resistenzengpässe bei den alten Pflanzensorten zu überwinden.

Dies geschieht etwa, indem man ein Gen, das eine bestimmte Krankheitsanfälligkeit begünstigt, in den alten Sorten gezielt inaktiviert. Oder man nimmt das Resistenzgen einer Wildpflanze und führt es wieder in eine moderne, verwandte Sorten ein – schliesslich sind es oft genau diese Merkmale, die durch jahrzehntelange Züchtung auf hohe Leistung und Ertrag verloren gingen [3].

So liesse sich der enorme Schatz der Agrobiodiversität aus der reinen Erhaltungszucht der Sortengärten in den landwirtschaftlichen Ertragsanbau überführen.

Den genetischen Flaschenhals öffnen

Um das zu erreichen, braucht es mehr Züchtungsprogramme, die regional angepasste Sorten hervorbringen. Mit dem nationalen Aktionsplan zur nachhaltigen Nutzung der pflanzengenetischen Ressourcen für Ernährung und Landwirtschaft (NAP-PGREL) [4] hat die Schweiz einen ersten Schritt getan, ihre regionale Agrobiodiversität zu fördern. Daraus ergeben sich Chancen durch neue Nischenmärkte oder in Form eines diversifizierten Ernährungssystems.

Der Wandel hin zu einer genetisch und biologisch vielfältigen Landwirtschaft könnte den neuen molekularbiologischen Methoden zu mehr Akzeptanz verhelfen. (Dr. Melanie Paschke, ETH Zürich)

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[1] Kochupillai, Mrinalini (2016). Plant Breeding & Seed Improvement: Then & Now. In: Promoting Sustainable Innovations in Plant Varieties. Springer, Berlin – Heidelberg: 49-77.    

[2] Jacobsen S., Sorensen M. & Weiner J. (2013). Feeding the world: genetically modified crops versus agricultural biodiversity. Agronomic Sustainable Development 33: 651-662.

[3] Artikel in der TAZ

[4] Bundesamt für Landwirtschaft (1999)

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