Laborstudie: Väterliche Ernährung wirkt sich auf geistige Fitness der Nachfahren aus
Übermäßiger Konsum mancher Nahrungsergänzungsmittel könnte demnach generationsübergreifend unerwünschte Wirkungen haben
DZNE / Daniel Bayer
Zumindest im Tierversuch häufen sich die Hinweise: Nicht nur die Ernährung und Lebensumstände der Mutter vor der Befruchtung, auch Umwelteinflüsse, denen der Vater ausgesetzt ist, beeinflussen die Entwicklung des Kindes. Setzt man männliche Nager zum Beispiel auf eine besonders fettreiche Diät, vererben sie ihren Nachkommen eine Veranlagung, Diabetes zu entwickeln. Eine mögliche Ursache für derartige Phänomene sind durch die Ernährung verursachte Veränderungen in der Methylierung der väterlichen DNA. Hierbei handelt es sich um kleine chemische Anhängsel, die sich auf das Erbgut setzen und die Aktivität der Gene steuern. Werden solche Methyl-Anhängsel durch die Nahrung in besonders großen Mengen bereitgestellt, kann das über Änderungen der DNA-Methylierung die Aktivität betroffener Gene beeinflussen.
Die Auswirkungen Methyl-reicher Kost
„Lange Zeit ging man davon aus, dass solche väterlichen epigenetischen Marker bei der Verschmelzung von Spermium und Eizelle gelöscht werden“, erklärt Dr. Dan Ehninger, Forschungsgruppenleiter am DZNE in Bonn. Inzwischen wisse man jedoch: Ein Teil der väterlichen Methylierungen übersteht diesen Prozess. Ehningers Arbeitsgruppe hat nun gemeinsam mit Forscherkollegen am Helmholtz Zentrum München und am Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte überprüft, ob sich diese epigenetischen Informationen auch auf kognitiver Ebene bemerkbar machen. Dazu setzten die Wissenschaftler männliche Mäuse auf eine Diät, die reich war an Methylspendern sowie Kofaktoren für den Methylstoffwechsel: Diese Diät wies erhöhte Konzentrationen von Methionin, Folsäure, Vitamin B12, Cholin, Betain und Zink auf. Eine zweite Gruppe männlicher Nager bekam eine Standardkost vorgesetzt. Nach sechs Wochen wurden die Mäuse mit Weibchen gepaart und die Nachkommen sorgfältig untersucht. Das Ergebnis: Die Nachkommen der mit Methylgebern gefütterten Väter schnitten in sämtlichen Lern- und Gedächtnistests schlechter ab. „Bereits eine vorübergehende Änderung der väterlichen Diät kann dazu führen, dass die Nachkommen ein vermindertes Lernvermögen entwickeln. Dies zeigte sich insbesondere im Navigationstest. Das räumliche Gedächtnis war beeinträchtigt“, so Ehninger.
Unregelmäßigkeiten gab es nicht nur im Verhalten der Tiere sondern auch in deren Gehirnen: Im Hippocampus – einer für die Merkfähigkeit wichtigen Hirnregion – reagierten die Nervenverbindungen nur vergleichsweise träge auf elektrische Reize. Ein Hinweis dafür, dass deren Anpassungsfähigkeit – die sogenannte neuronale Plastizität – herabgesetzt war. Passend dazu war auch das Gen „Kcnmb2“, das diese Fähigkeit mit beeinflusst, herunter reguliert.
Übermäßiger Konsum von Nahrungsergänzungsmitteln eventuell mit Nebenwirkungen
All das sind zwar nur Ergebnisse von Tierversuchen. Aber auch Menschen können hohen Methylgeber-Dosen ausgesetzt sein, meint Ehninger. Das gelte insbesondere für Länder wie die USA, in denen die Einnahme mit Folsäure angereicherter Produkte stark verbreitet ist. „Es ist gut belegt, dass ein Mangel an Methylgebern schädliche Folgen haben kann, die durch entsprechende Nahrungsergänzung einfach und effektiv verhindert werden können. Unsere Studie deutet jedoch daraufhin, dass grundsätzlich auch ein übermäßiger Konsum nachteilige Konsequenzen haben kann“, so der Wissenschaftler. In Zukunft will er untersuchen, ob epigenetische Prägungen auch beim Menschen an den Nachwuchs weitergereicht werden und herausfinden, durch welche Umweltfaktoren sie beeinflusst werden. Verändert auch das Alter des Vaters das Methylierungsmuster der DNA und prägt dadurch die Gesundheit der nächsten Generation? Eines steht für Ehninger jetzt schon fest: „Bisher hat man solchen epigenetischen Vererbungsmechanismen sicherlich zu wenig Beachtung geschenkt.“
Originalveröffentlichung
A paternal methyl donor-rich diet altered cognitive and neural functions in offspring mice
Devon P. Ryan et al.
Molecular Psychiatry. DOI: 10.1038/MP.2017.53