Mehr Vielfalt? Esst Buchweizen!

Zukunftsblog - ETH Zürich - Prof. Achim Walter,

25.04.2017 - Schweiz

Was braucht es, um unsere Agroökosysteme diverser und sicherer zu gestalten? Zum Beispiel Buchweizen – ein vielversprechendes altes Korn, das nicht verwandt ist mit Getreide, dennoch lagerbare Körner macht und herrlich herb bis bitter schmeckt.

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Rund die Hälfte der nutzbaren Landoberfläche der Erde verwenden wir Menschen zur Nahrungsmittelproduktion. Jede weitere Ausdehnung wäre für die Ökologie und das Weltklima höchst problematisch. Dabei werden wir immer mehr und immer anspruchsvoller: Fleisch und andere tierische Produkte zu verzehren kommt in vielen ehemals vegetarisch lebenden Kulturen zusehends in Mode und gilt als Statussymbol. Doch jeder Trend verursacht eine Gegenbewegung: In unserem Kulturkreis leben mehr und mehr Leute vegetarisch, oft sogar vegan. Beide Haltungen kann ich als rational denkender Pflanzenwissenschaftler und bekennender Currywurstliebhaber nachvollziehen.  

Obst und Gemüse allein machen nicht satt

Eine Sache irritiert mich jedoch zunehmend, auch an mir selbst: Als Sinnbild für die rationale Notwendigkeit, uns Luxusbürgern pflanzliche Nahrung schmackhaft zu machen, werden immer wieder bunte Bilder von herrlichen alten Apfel- oder Tomatensorten, drolligen Kürbissen und eigenwillig gewachsenen Rüebli gezeigt. Ich verstehe ja die zu Grunde liegende Logik: Man kennt die Pflanzen, verbindet ein Geschmackserlebnis damit und hat noch was Buntes fürs Auge.

Aber: Das ist letztendlich alles nur Beilage. Satt werden wir Bildungsflexitarier am Ende von Weizen, Reis oder Kartoffeln. Also von den wenigen Kulturpflanzen, die in Reinsaaten seit Jahrzehnten unsere Felder dominieren. Wollten wir uns alle ernsthaft von Tomaten ernähren, bräuchten wir mehrere Erden für deren Anbau.

Konkurrenz für die klassischen Kalorienlieferanten

Ein seriöses Erhöhen der Ressourcen-Effizienz und der Vielfalt unserer landwirtschaftlichen Produktionssysteme braucht eine gewisse Ehrlichkeit: Es sind vor allem die Kalorien-Lieferanten, die den grossen Unterschied ausmachen. Wie bauen wir sie an? Durch was können wir sie gegebenenfalls ersetzen oder verbessern? Wie lassen sich Fruchtfolgen realisieren, in denen unsere Haupternährer nicht mehr jedes zweite, sondern vielleicht nur noch jedes dritte Jahr auf dem Feld stehen? Hülsenfrüchte sind eine Antwort darauf, Züchtung eine andere – eine weitere lautet: Pseudogetreide.

Das sind Pflanzen, die wir wie Getreide anbauen können und die lagerfähige Körner mit ähnlichen Produkteigenschaften wie Getreide hervorbringen, die aber nicht mit unseren Getreiden verwandt sind und daher ein anderes Spektrum von Schaderregern ansprechen. Schaderreger, die noch kein Problem darstellen und Jahrzehnte brauchen werden, bis sie die Schlagkraft der heute grassierenden Getreide-Schädlinge entwickelt haben.

Ein Plädoyer für Pseudogetreide

Die drei wichtigsten Pseudogetreide sind Buchweizen, Quinoa und Amaranth. Alle drei können in der Schweiz recht problemlos angebaut werden. Quinoa und Amaranth stammen aus Südamerika, von wo aus sie ihren Weg in unsere Reformhäuser und Bioläden gefunden haben. Buchweizen stammt aus Asien und war lange Zeit eine weit verbreitete Ackerpflanze; auch bei uns. Erst die Fortschritte in Züchtung und Anbau der Getreide im 20. Jahrhundert haben ihn in die Rolle des Stiefkindes gedrängt.

Dabei hat der Buchweizen das Zeug, uns auch heute wieder vermehrt satt zu machen und die jetzigen Champions der Kalorienproduktion zu ergänzen: Sein Korn-Ertrag liegt immerhin bei etwa der Hälfte desjenigen der grossen Getreide. Die ernährungsphysiologische Wertigkeit seiner Proteine, sein Gehalt an Antioxidantien und Ballaststoffen sowie das Fehlen von Gluten machen ihn sehr interessant. Der komplette Spross ist als Gründünger oder Tierfutter gut verwendbar. Wenn man Buchweizen als Hauptfrucht auf den Acker stellt, blüht er von Juni bis August und bildet mit seinen rosa bis weissen Blüten eine betörende Bienen- und Augenweide.

Wo sind die Nachteile?

Backqualität und Ertrag sind geringer als bei Weizen; letzteres liegt auch an der ungleichmässigen Abreife – immer mal wieder entscheidet sich eine Blüte, in Aktion zu treten; entsprechend versetzt und über einen langen Zeitraum hinweg erscheinen dann auch die Samen. So kann das Ertragspotential der Pflanze nicht richtig genutzt werden: Ein ordentlicher Anteil der Samen ist schon abgefallen, bis die meisten reif sind – und selbst dann sind viele Samen immer noch nicht entwickelt. Und dann ist da noch der Geschmack. Manche empfinden ihn als bitter, andere als nussig. Auf jeden Fall kann man beim Buchweizen – im Gegensatz zu Reis oder Weizen – aber tatsächlich von einem Eigengeschmack sprechen. Zu Galettes oder Pizzocheri verarbeitet, kann man diesen als wunderbar herb empfinden.

Was jede und jeder einzelne tun kann

Was braucht es, um mehr Buchweizen in unsere Agrarökosysteme zu bringen? Zunächst genügend interessierte Käufer: Wer wirklich mehr Vielfalt auf unseren Äckern will, sollte mehr Buchweizen, Quinoa oder Amaranth aus heimischem Anbau essen – oder die Händler drängen, diese in ihr Angebot aufzunehmen. Dann wird die Kaskade der modernen Pflanzenverbesserung Fahrt aufnehmen: Die zarten ersten Forschungsergebnisse tragen Früchte; Züchtung lohnt sich; ertragreiche und synchroner abreifende Sorten entstehen (in Russland gibt es diese für Buchweizen schon). Wir Forschenden haben unser Scherflein dazu beigetragen, indem wir die bestehende Vielfalt untersucht, Geschmackstests durchgeführt und die genomische Vielfalt zu charakterisieren begonnen haben (siehe Kasten). Nun sind wir Konsumenten dran!(www.ethz.ch/zukunftsblog)

Die besten Buchweizensorten für die Schweiz

Ein von Coop unterstütztes Forschungsprojekt am World Food System Center WFSC der ETH Zürich hat den Buchweizenanbau wissenschaftlich untersucht und für die Schweiz geeignete Buchweizensorten identifiziert.

Weiterführende Informationen

  • Buchweizen: Neues Leben für ein altes Korn (Coop-Zeitung, 20.02.2017)
  • Ein altes Korn soll wieder gedeihen (Coop-Zeitung, 31.03.201

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