Milch auf Knopfdruck - Bauern wollen mit Automaten Geschäfte machen

23.05.2017 - Deutschland

Nachtschwärmer, die in Frankfurt Durst haben, decken sich in Trinkhallen mit Nachschub ein. In Berlin können sie sich in Spätkauf-Läden versorgen. Auf dem hessischen Land gibt es solche Läden zwar nicht - dafür kann man mancherorts Tag und Nacht Milch kaufen. An Automaten lässt sie sich jederzeit frisch zapfen, meist zum Preis von einem Euro pro Liter. "Es gab schon Leute, die abends um elf gekommen sind", erzählt Bauer Thorsten Klug.

Im Spätsommer vergangenen Jahres wurde sein Automat direkt neben dem Kuhstall des Hofes in Heuchelheim (Kreis Gießen) aufgestellt. Seitdem fließt die nicht pasteurisierte Rohmilch auf Knopfdruck. Die Flaschen oder Kannen müssen Kunden bei Klug selbst mitbringen. Der 39-Jährige ist nicht der Einzige, der 2016 diese Geschäftsidee hatte.

Im Sommer war der Milchpreis im Keller, man sprach von Milchkrise. Weil die Molkereien immer weniger zahlten, überlegte mancher Bauer, wie er den Direktverkauf ankurbeln könnte. Warum nicht einfach einen Automaten aufstellen? Vergangenes Jahr habe es einen Trend gegeben, bestätigt Petra Will von der hessischen Landesvereinigung Milch. Ihre Organisation bot Bauern Fortbildungen an. Es ging etwa um Hygiene - aber auch darum, wann sich ein Automat rechnet. Liegt der Bauernhof an einer Ausfallstraße? Kommen genug Kunden? "Man muss genau gucken, wo es interessant ist. Das ist der Knackpunkt", sagt Will.

Mehrere Tausend Euro kostet so eine Anlage. Die meisten setzen auf ein Modell, in dem die Rohmilch in einen mobilen Tank gefüllt wird. Dieser wird in die Anlage geschoben und immer gut gekühlt. Die Tanks müssen jeden Tag gereinigt werden, der Automat braucht ständig Strom - laufende Kosten, die dazukommen und bedacht werden müssen.

Längst nicht für jeden lohnen solche Ausgaben. Bauer Klug hat mit seinem Vater in Automat, Hütte und einen gepflasterten Parkplatz um die 20 000 Euro investiert. Nach einem ersten "Run" in der Zeit nach der Eröffnung sei der Verkauf über den Winter schwächer geworden. 20 bis 30 Liter würden im Durchschnitt pro Tag verkauft. Klug hofft auf Steigerungen, sieht es jedoch sportlich: dauert die Abschreibung für die Investitionen halt ein wenig länger als gedacht. Für den Hof ist der Automat auch ein Baustein in Sachen Imagepflege.

47 Milchautomaten sind der Landesvereinigung Milch hessenweit bekannt. Weil es keine zentrale Registrierungspflicht gibt, dürften es sicher noch etwas mehr sein, schätzt Will. Dennoch zeigt sich: Bei 3200 Erzeugerbetrieben im Land besetzen Automaten eher eine Nische.

Als Randerscheinung betrachtet man die Selbstzapfanlagen auch beim Deutschen Bauernverband in Berlin. "Für die große Masse sehe ich sie nicht", sagt der für Direktvermarktung zuständige Experte Hans-Dieter Stallknecht. Es sei wahnsinnig aufwendig, einen Automat zu betreiben, der kühlpflichtige, empfindliche Produkte aufbewahrt. "Wenn man eine hohe Kundenfrequenz hat - wunderbar", sagt Stallknecht. "Aber wo hat man das denn?" Auch dass manche Bauern abgepacktes Fleisch vor ihrem Hof in Automaten verkaufen, betrachtet er mit Skepsis. Da sei doch der Verkauf im Hofladen in einer Kühltheke die bessere Alternative. Die lasse sich auch einfacher saubermachen.

Nicht erst seit der Milchkrise im vergangenen Sommer können Rohmilch-Fans in Hessen Münzen oder Scheine in einen Automaten stecken und loszapfen. In Beerfelden im Odenwald geht das seit fast elf Jahren. So lange bereits steht der Automat namens "Flotte Lotte" vor dem Hof der Familie Zimmermann. "Davor kamen die Kunden meist am Morgen oder Abend während der Melkzeit", erzählt Brigitte Zimmermann. Wie auf dem Land so üblich hielt man dabei einen kurzen Schwatz. Die Kühe mussten solange warten. Als der Chef des Hofs bei einem anderen Bauern einen Milchautomaten sah, musste er nicht lange überlegen.

5000 bis 6000 Euro hat das Gerät damals gekostet. "Es hat sich gelohnt", sagt Zimmermann. Auch sie verkaufen den Liter Rohmilch am Automat für einen Euro. Die Molkerei zahlt für diese Menge die Hälfte, 50 Cent. Weil die Zimmermanns Biomilch verkaufen, wie die 63-Jährige erklärt.

Bauer Klug in Heuchelheim hat kein solches Siegel und kriegt für den Liter knapp über 30 Cent - zwar sind das einige Cent mehr als vergangenen Sommer, aber genug ist es immer noch nicht. Das decke so gerade die Kosten. Klug hat aber schon eine neue Idee. In der Hütte, neben dem Milchautomaten, ist noch Platz. Er denkt darüber nach, einen weiteren Automat aufzustellen: Für Honig oder Eier./neb/DP/das (dpa)

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