Frischmilch aus der Wüste - Wie Katar der Golf-Krise trotzen will

04.07.2017 - Katar

Die Arme vor der Brust verschränkt, aufrechte Haltung, Bauhelm auf dem Kopf - Ramis Al Chajat sieht in seinem langen weißen Gewand, dem katarischen Thub, aus wie ein Feldheer, als er die sieben Bagger bei der Arbeit beobachtet. Tack, tack, tack. Unaufhörlich meißeln die Maschinen den harten Boden auf. Tack, tack, tack.

Das Thermometer ist auf 45 Grad gestiegen, seit Tagen weht ein Wüstenwind über Katar, der wie ein riesiger Föhn den Sand in die Augen treibt, der Lärm der Bagger schmerzt in den Ohren. Aber Ramis Al Chajat macht einen zufriedenen Eindruck an diesem frühen Nachmittag. Denn die Bagger setzen ein Projekt um, mit dem das Emirat der Golf-Krise trotzen will. Sie bauen einen Kuhstall.

Es ist ein ehrgeiziges Vorhaben, das Al Chajat als Vize-Präsident der Firma Baladna mit zu verantworten hat. Schon jetzt hält das Unternehmen nördlich der Hauptstadt Doha mitten in der Wüste mehr als 20 000 Schafe und Ziegen, aus deren Milch es Molkerei-Produkte herstellt, eine gepflegte Anlage. Auch Kuhmilch füllt es schon ab.

Innerhalb kürzester Zeit will Baladna nun Ställe für 4000 neue und eigene Kühe aus dem Boden stampfen. Allein 1000 sollen aus Deutschland eingeflogen werden, die restlichen aus den USA und Australien. "Wir arbeiten sieben Tage die Woche", sagt Al Chajat.

Seine Worte klingen fast trotzig, doch solche Reaktionen sind in diesen Tagen immer wieder in Katar zu hören. Vor vier Wochen haben die Golfnachbarn Saudi-Arabien, Bahrain und die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) alle Kontakte zu dem Emirat abgebrochen und die Grenzen geschlossen. Aus Ärger über Katars angebliche Unterstützung für Terrorgruppen und seine guten Kontakte zum schiitischen Iran.

Diese Blockade setzt Katars Wirtschaft unter Druck. Milchprodukte sind dafür ein gutes Beispiel, von denen das Emirat bisher rund 80 Prozent vom großen Nachbarn Saudi-Arabien importierte. Vor allem der Konzern Al-Marai versorgte die katarischen Supermärkte mit Milch, Joghurt und Käse. Das Logo der Firma ist zwar immer noch als Werbung in Kühlregalen zu sehen - doch seit Saudi-Arabien jeden Export nach Katar untersagt, haben vorerst türkische Milchprodukte die Lücken geschlossen, die kurzfristig die Kataris erschreckt hatten.

Geht es nach Al Chajat, soll aber auch das nur eine vorübergehende Lösung bleiben. "In neun Monaten", prophezeit der Geschäftsmann, "kann sich Katar autark versorgen." Schon jetzt werben Händler in Doha für einheimische Waren: "Ja zu katarischen Produkten", steht an den Eingangstüren vieler Geschäfte in der Hauptstadt.

Aber selbst wenn Al Chajats Vorhersage eintreten sollte, wäre nur eines der Probleme gelöst, die Katars Wirtschaft drohen. Das Emirat gilt als reichstes Land auf der Erde. Das größte Gasfeld der Welt vor der Küste, das sich Katar mit dem Iran teilt, beschert Einheimischen ein Durchschnittseinkommen von fast 130 000 US-Dollar im Jahr.

Doch Katar, von der Fläche gerade einmal halb so groß wie Hessen, ist genau deswegen auch verwundbar. Von den Einnahmen aus dem Verkauf des Flüssiggases hängt in dem Land so ziemlich alles ab. Der Wohlstand, der Etat, die Fußball-Weltmeisterschaft 2022, die Katar ausrichten wird.

Rund zwei Drittel seines Flüssiggases liefert Katar mit Tankern nach Asien. Abgefüllt wurde es bisher vor allem im emiratischen Hafen Fudschaira. Die Blockade könnte Katar in Verhandlungen mit seinen Abnehmern in eine schwächere Position bringen, die Einnahmen drücken und seinen Anteil auf dem Weltmarkt gefährden. Wegen des niedrigen Gaspreises war das Land schon in den vergangenen Jahren gezwungen, einige ambitionierte Infrastruktur-Projekte zurückzufahren.

Auch ansonsten ist Katar vom Ausland abhängig, nicht nur wegen der fast zwei Millionen Arbeiter und Angestellten aus aller Welt, die in dem Land neben den nur rund 300 000 Einheimischen ihr Geld verdienen. Die Handelsketten der Region laufen vor allem über die benachbarten VAE, von wo viele internationale Unternehmen aus das Emirat versorgen. Ein Großteil der Waren wurde bisher über den emiratischen Hafen Dschabal Ali verteilt. Katar ist nur ein vergleichsweise kleiner Markt. Internationale Unternehmen, vor die Wahl zwischen den Kontrahenten gestellt, könnten ihn im Zweifelsfall vernachlässigen.

Baumaterialien, von denen bisher viele aus Saudi-Arabien und den VAE kamen, hat das Land derzeit auf Vorrat. So gehen die Arbeiten an den WM-Stadien oder auch der U-Bahn weiter. Nicht auszuschließen ist aber, dass es auch hier zu Engpässen kommt, sollte die Blockade andauern. Zumindest könnten die Projekte teurer werden.

Allerdings: Katar dürfte nicht der einzige Verlierer der Krise sein. Die sechs Länder des Golf-Kooperationsrates (GCC) sind wirtschaftlich verflochten. "Natürlich gibt es immer Alternativen", sagt Kathrin Lemke, Vertreterin der Deutschen Außenhandelskammer (AHK) in Doha. "Aber das ist nicht gut für die Entwicklung der gesamten Region."

Ramis Al Chajat jedenfalls sagt der Konkurrenz aus dem Nachbarland den Kampf an. Die Saudis, stöhnt er, hätten bis zur Blockade den Markt mit billigen Produkten überschwemmt: "Aber was sie verloren haben, werden sie nicht wieder zurückgewinnen."/jku/DP/tos (dpa)

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