«Brot braucht eine Bühne» - Bäcker erforscht den Geschmack der Heimat

18.10.2017 - Deutschland

Knusprige Kruste, fluffiger Inhalt: Deutsches Brot ist weltweit beliebt und geschätzt. Nur in der Heimat selbst hat es der Laib Brot aus der klassischen Bäckerei immer schwerer. Ein Bäcker aus Oberfranken stemmt sich dagegen.

teamLumondi/ Pixabay

Das Rezept hat er sich nicht im stillen Kämmerlein ausgedacht. Andreas Fickenscher, Bäcker- und Konditormeister aus dem bayerischen Münchberg, war viel unterwegs. Hat mit vielen Menschen gesprochen, viele Mails gelesen, um dem Geschmack seiner oberfränkischen Heimat auf die Spur zu kommen.

160 Menschen, so bilanziert er, haben mitgewirkt am Rezept für sein Heimatbrot. Es besteht aus regionalen Zutaten, dazu gibt es einen Aufstrich - ebenso aus heimischen Produkten. «Brot braucht eine Bühne», sagt er. Brot sei eigentlich ein Kulturgut, doch werde es heutzutage viel zu häufig verramscht.

Das Projekt Heimatbrot ist deshalb das Gegenprogramm zur Geschäftsidee der Supermärkte, wo Backautomaten günstige Backwaren zu niedrigen Preisen ausspucken. Und auch zu den zig Backshops mit massenweise Brezen und belegten Semmeln.

Die klassische Bäckerei im Viertel, in der Dorfmitte oder am Marktplatz ist in Bedrängnis geraten. Zwar schwärmen gerade Menschen, die länger im Ausland leben, vom deutschen Brot; jüngst verriet auch die aus Deutschland stammende schwedische Königin Silvia, dass sie das deutsche Brot vermisst.

Mehr als 3000 Sorten hat das Bäckerhandwerk offiziell registriert, seit 2014 ist die deutsche Brotkultur zudem auf der Unesco-Liste des immateriellen Weltkulturerbes verzeichnet. Aber das deutsche Brot droht zum Mythos zu werden: Seit 1998 ist die Zahl der Bäckereien in Deutschland drastisch zurückgegangen. Damals gab es rund 21 500 Meisterbetriebe, heute zählt der Zentralverband des deutschen Bäckerhandwerks noch 11 737.

Der Verband spricht von einem Konzentrationsprozess, weil die Zahl der Betriebe sinkt, die Umsätze aber zulegen. Auf 14,29 Milliarden Euro Umsatz kamen die deutschen Handwerksbäcker 2016 - nach 13,99 Milliarden im Jahr zuvor. Der «Coffee to go», der Snack für unterwegs oder das schnelle Frühstück sind inzwischen die Umsatzgaranten.

Die riesigen Ketten geben sich selbstbewusst: «Der Umsatz der Brot- und Backwarenbranche wird auch in den nächsten Jahren zunehmen, und Großbäckereien werden dabei eine wichtige Rolle spielen», sagte die Präsidentin des Verbandes Deutscher Großbäckereien, Ulrike Detmers, erst vor wenigen Wochen. Die Zahl der Einzelbäckereien ohne Filialen werde weiter zurückgehen.

Dennoch blickt auch der Zentralverband des Bäckerhandwerks wieder zuversichtlich in die Zukunft: Die Automaten in den Supermärkten seien zwar direkt nach der Einführung schon eine große Herausforderung für das Handwerk gewesen, sagt Hauptgeschäftsführer Daniel Schneider. Inzwischen könne sich das Bäckerhandwerk jedoch behaupten. «Vor allem die Besinnung auf Qualität und Regionalität sind vielversprechende Erfolgsrezepte.»

Es zeichne sich eine Rückbesinnung ab - wieder hin zum traditionellen Brot. Der Verbraucher sei inzwischen bereit, mehr Geld für gute Lebensmittel auszugeben, «die nachhaltig und regional produziert wurden und die vor Ort Arbeitsplätze sichern», sagt Schneider. Viele Menschen würden weg wollen von industriell gefertigter Massenware und interessierten sich wieder mehr für die Qualität der Lebensmittel.

Andreas Fickenscher, dessen Bäckerei in elfter Generation in Familienhand ist, bedient genau diese Sparte. Der 45-Jährige setzt auf Regionalität, 80 Prozent der Rohstoffe kämen aus der Umgebung. Acht Filialen betreibt er - mehr würden es auch nicht. Sonst lasse sich der regionale Bezug nicht mehr aufrecht erhalten.

Bäcker zu sein, das sei keine 08/15-Arbeit, betont Fickenscher, der sich auch zum Brot-Sommelier ausbilden ließ: «Wer ehrlich backen will, hat einen anspruchsvollen Job.» Und dafür, so der Tenor in der Branche, mangelt es an Nachwuchs. Mitten in der Nacht aufstehen - alleine das hält viele junge Menschen von einer Ausbildung in der Bäckerei ab.

In Fickenschers Backstube gehen die Lichter aber vergleichsweise spät an. 70 Prozent der Arbeit werden am Tag erledigt: Er gebe dem Teig länger Zeit zum Reifen in eigens gebauten Reiferäumen, in denen die Semmeln ruhen, um am kommenden Tag gebacken zu werden. Der Arbeitstag könne deshalb entsprechend später beginnen.

Die Idee des Heimatbrots samt Beilagen will er bald auch auf andere Regionen ausweiten. Für die jeweilige Gegend typische Lebensmittel könnten dann als Brotzutat oder Aufstrichgrundlage dienen. Bestenfalls rette man so heimisches Gemüse oder Gewürze, die sonst vom Aussterben bedroht sind. Im Fall der oberfränkischen Variante des Heimatbrots ist das der Bamberger Spitzwirsing - der nur noch von wenigen Gärtnern angebaut wird.

Die Rezeptur für sein Heimatbrot will Fickenscher öffentlich machen. Jeder kann es daheim nachbacken, auch wenn es aufwendig ist. Fickenscher glaubt, dass der Verbraucher dadurch den Wert des Brotes wieder zu schätzen lernt, wenn er weiß, welche Arbeit eigentlich dahintersteckt. Zwei Dinge fehlen allerdings im Rezept, sagt er: «Zeit und Liebe, das sind zwei Zutaten, die nicht aufgeführt sind. Aber die notwendig sind.»(dpa)

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