Werbung mit natürlichen Zutaten verbraucherfreundlich regeln
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65 Prozent der Verbraucher erwarten bei einem Hinweis auf Natürlichkeit gentechnikfreie Zutaten.
Repräsentative Umfrage von forsa im Auftrag des vzbv.
84 Prozent der Verbraucher wollen verbindliche Regeln für die Werbung mit Natürlichkeit.
Die Internationale Organisation für Normung (ISO) hat eine neue Technische Spezifikation mit internationalen Empfehlungen veröffentlicht, die diesen Verbrauchererwartungen zu natürlichen Zutaten nicht gerecht werden.
Wenn Lebensmittel mit „Natur“ werben, erwarten Verbraucherinnen und Verbraucher auch Natur. Jeweils 65 Prozent gehen davon aus, dass Lebensmittel mit einem Hinweis auf Natürlichkeit frei von Gentechnik sind und nur Zutaten enthalten, die möglichst naturbelassen sind. Das zeigt eine Umfrage von forsa im Auftrag des Verbraucherzentrale Bundesverbands (vzbv). Der vzbv fordert, dass Produkte nicht mit Natürlichkeit werben dürfen, wenn sie hochverarbeitete oder gentechnisch veränderte Zutaten beinhalten. Eine jetzt veröffentlichte Empfehlung der internationalen Organisation für Normung (ISO) sieht das jedoch nicht vor.
„Natürlichkeit ist ein hohes Gut. Wir brauchen klare Spielregeln, um einen Ausverkauf dieser Qualität und eine Irreführung der Verbraucher zu verhindern“, sagt Sophie Herr, Lebensmittelexpertin des vzbv. Karin Both vom DIN-Verbraucherrat sagt: „Die ISO-Empfehlung ist sehr pauschal beschrieben und technisch nicht ausgereift. Sie lässt Lebensmittelherstellern viel Raum für Interpretationen wie die Natürlichkeit von Lebensmittelprodukten gestaltet sein kann. Es ist bedauerlich, dass bei der Erarbeitung des ISO-Dokuments die Chance verpasst wurde, die Verbrauchererwartungen an natürliche Lebensmittelzutaten einzubeziehen. Es fehlt eine klare Abgrenzung, was natürliche Lebensmittelzutaten sind und was nicht. Notwendig sind weiterführende spezifische Anforderungen an die verschiedenen Lebensmittelbranchen.“
Laut Umfrage sprechen sich 84 Prozent der Verbraucher dafür aus, dass Lebensmittel den Hinweis „natürlich“ nur tragen dürfen, wenn sie verbindliche Anforderungen an die Herstellungsweise und die Zutaten erfüllen. Verbraucher erwarten bei „natürlichen“ Produkten nicht nur naturbelassene Zutaten und gentechnikfreie Produkte (65 Prozent), mehr als jeder Zweite (63 Prozent) geht auch davon aus, dass keine Zusatzstoffe enthalten sind, also etwa Farbstoffe oder Geschmacksverstärker.
Verbraucher nicht irreführen
Die ISO hat jetzt eine internationale Empfehlung, eine sogenannte Technische Spezifikation (ISO/TS 19657), veröffentlicht, die den Begriff „Natürlichkeit“ deutlich breiter fasst, als von Verbrauchern erwartet. Die Regelung wurde maßgeblich von der Wirtschaft vorangetrieben und lässt Verbraucherinteressen außen vor. Entgegen der Verbrauchererwartungen dürfen demnach auch Zutaten, die gentechnisch verändert oder hochverarbeitet sind – etwa bestimmte Tütensuppen –, als natürlich ausgewiesen werden. Die Regelung gilt zwar zunächst nur für die Kommunikation der Lebensmittelhersteller über Zutaten untereinander, also im B2B-Bereich. Es ist jedoch nicht auszuschließen, dass sich einige Vertreter der Wirtschaft dafür einsetzen könnten, die Definitionen der Technischen Spezifikation auch für die Bewerbung ihrer Produkte zu nutzen.
Sophie Herr: „Das Ergebnis geht weit an den Verbraucherwartungen vorbei. Unternehmen sollten sich deshalb nicht auf die Spezifikation stützen. Stattdessen sollte die kommende Bundesregierung einen neuen Anlauf unternehmen und eine verbindliche Kennzeichnungsregelung auf europäischer Ebene vorantreiben. Hochverarbeitete und gentechnisch veränderte Zutaten sollten nicht als natürlich beworben werden dürfen.“
Der Anlauf, eine ISO-Norm für die Auslobung natürlicher Zutaten zu formulieren, war im Jahr 2016 gescheitert, auch weil der vzbv und der DIN-Verbraucherrat Bedenken angemeldet hatten. Sie sahen die diskutierten Inhalte als irreführend für Verbraucher an. Die internationale Technische Spezifikation soll nach drei Jahren dahingehend überprüft werden, ob diese überarbeitet oder für weitere drei Jahre bestätigt wird.