Fleisch aus dem Reagenzglas - Gegen Hunger und für die Umwelt
Schmeckt wie Fleisch - vielleicht finden es manche etwas zu würzig im Nachgeschmack -, sieht aus wie Fleisch. Aber es ist kein Fleisch.
"Wir verwenden rein pflanzenbasierte Produkte", erzählt Traci Des Jardins. Die Spitzenköchin aus den USA hat den "Unmöglichen Burger" (Impossible Burger), produziert vom kalifornischen Unternehmen Impossible Foods, für Gäste auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos angerichtet. "Da steckt keine Zauberei dahinter. Da sind nur Sachen drin, die wir kennen, die man in der Küche findet", sagt Des Jardins.
Die Erwartungen an die Fleischrevolution ohne Fleisch sind gewaltig: Sie soll einen Beitrag zur Ernährung der wachsenden Erdbevölkerung leisten und zugleich im Kampf gegen den Klimawandel helfen. Kein Wunder, dass auch andere Unternehmen interessiert sind.
So ist erst vor kurzem der deutsche Geflügelfleischkonzern PHW, besser bekannt unter dem Namen Wiesenhof, beim Start-up Supermeat eingestiegen. Das israelische Unternehmen verfolgt einen anderen Ansatz als Impossible Foods: Das künstliche Fleisch wird erzeugt, indem tierische Muskelzellen im Labor wachsen. Doch die Idee dahinter ist dieselbe.
Da wäre zum einen die Umweltverschmutzung, schließlich trägt die Viehzucht nach Angaben der UN-Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation (FAO) einen Anteil von 14,5 Prozent am Ausstoß der weltweiten Treibhausgase. Hinzu kommt der starke Verbrauch von Wasser und Land durch die Haltung etwa großer Rinderherden. "Im Vergleich mit Kühen verbraucht der "Unmögliche Burger" 95 Prozent weniger Land sowie 74 Prozent weniger Wasser und erzeugt 87 Prozent weniger Treibhausgase", betont Impossible Foods.
Fleisch spiele zudem eine zentrale Rolle in der Ernährung, "vor allem für die 850 Millionen Menschen, die noch immer unter Hunger leiden", so die FAO. Bis 2050 werde sich die Fleischproduktion nahezu verdoppeln, vor allem aufgrund der wachsenden Nachfrage in Schwellenländern wie Indien und China. PHW-Chef Peter Wesjohann ist überzeugt, dass es in einigen Jahren eine große Nachfrage nach Labor-Fleisch geben wird, ähnlich wie nach veganen Fleischersatzprodukten.
Das Bundesernährungsministerium zeigt sich indes skeptisch: "Die Erzeugung von Fleisch im Labor dürfte wohl auf absehbare Zeit - auch wegen der hohen Kosten und des derzeit nicht absehbaren Energieaufwands der Produktion - keine große Verbreitung finden", teilt eine Sprecherin mit. Es sei daher "nach jetzigem Stand keine praxistaugliche Alternative - auch im Hinblick auf die gesellschaftliche Akzeptanz".
In dieselbe Kerbe schlägt der Deutsche Bauernverband (DBV). "Das System Tier ist im Moment noch viel effizienter", sagte jüngst DBV-Generalsekretär Bernhard Krüsken der "Neuen Osnabrücker Zeitung".
Und hat dabei sicher auch die Interessen der deutschen Landwirte im Blick, die aus logistischen wie finanziellen Gründen kaum den Umstieg auf künstliches Fleisch schaffen dürften.
Zudem ist das Fleischparadies Deutschland selbst ein wichtiger Markt. 53 Prozent der Menschen hierzulande nennen Fleisch als Lieblingsgericht - deutlich mehr als Pasta. Pro Jahr isst der durchschnittliche Deutsche stolze 60 Kilogramm Fleisch - und damit doppelt so viel, wie von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung empfohlen.
Noch kritischer als der DBV zeigt sich Greenpeace. "Labor-Fleisch ist im Moment ein großes Versprechen voller ungelöster Probleme und offener Fragen", betont die Umweltorganisation. Sie sorgt sich um nachhaltige Herstellung, Folgen für Umwelt und Gesundheit seien noch ungeklärt. Letztlich führe die Diskussion ohnehin in eine "fragwürdige Richtung", so Greenpeace-Landwirtschaftsexperte Dirk Zimmermann. "Fleischkonsum und -produktion müssen insgesamt sinken und durch pflanzliche und längst verfügbare Alternativen ersetzt werden", fordert er.
Das wäre also der Weg von Impossible Foods. In den USA verkaufen bereits erste Restaurants den "Unmöglichen Burger", und im kalifornischen Oakland ist eine Fabrik entstanden, in der monatlich 500 000 Kilogramm der pflanzenbasierten Burger produziert werden sollen. Der erste Schritt zum Massenmarkt.
Und auch Ido Savir, Geschäftsführer des Start-ups Supermeat, gibt sich - naturgemäß - zuversichtlich. Er rechnet damit, in drei Jahren die erste Generation von künstlich erzeugtem Fleisch an Restaurants liefern zu können. "Der nächste Schritt wäre, in weiteren zwei bis fünf Jahren die Produktion auf einen industriellen Maßstab zu vergrößern, um Supermärkte und den Lebensmittelhandel zu versorgen."/bvi/DP/zb (dpa)
Weitere News aus dem Ressort Wirtschaft & Finanzen
Meistgelesene News
Weitere News von unseren anderen Portalen
Da tut sich was in der Lebensmittel- und Getränke-Branche …
So sieht echter Pioniergeist aus: Jede Menge innovative Start-ups bringen frische Ideen, Herzblut und Unternehmergeist auf, um die Welt von morgen zum Positiven zu verändern. Tauchen Sie ein in die Welt dieser Jungunternehmen und nutzen Sie die Möglichkeit zur Kontaktaufnahme mit den Gründern.