BGH verbietet Werbung mit 'bekömmlichem' Bier
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Hintergrund:
"Bekömmlich, süffig - aber nicht schwer" - so warb eine kleine Brauerei aus Leutkirch (Kreis Ravensburg) für ihr Bier. Suggeriert der Begriff "bekömmlich" eine gesundheitsfördernde Wirkung? Aus Sicht des Oberlandesgerichts (OLG) Stuttgart ist das der Fall. Es hat deshalb eine Bierwerbung verboten.
Nun beschäftigt der seit drei Jahren währende Bierstreit zwischen der Allgäuer Brauerei und einem Berliner Wettbewerbsverband den Bundesgerichtshof (BGH). An diesem Donnerstag (ab 9.00 Uhr) prüfen die obersten deutschen Zivilrichter den Fall (Az.: I ZR 252/16). Wann ein Urteil kommt, ist noch unklar.
Um was geht es?
Die beklagte Brauerei verwendet seit den 30er Jahren für ihre Biere den Werbeslogan "Wohl bekomm's!" und hat seit Anfang des vergangenen Jahrhunderts diese in Anzeigen auch als "bekömmlich" bezeichnet. Dagegen hatte der Verband Sozialer Wettbewerb (VSW) aus Berlin - ein Zusammenschluss von rund 90 Unternehmen der Lebensmittelbranche - 2015 eine einstweilige Verfügung erwirkt. Der Leutkircher Brauereichef Gottfried Härle ließ daraufhin auf den Etiketten von rund 30 000 Bierflaschen das Wort von Hand mit Filzstiften streichen - und legte Berufung ein. Seine Klagen blieben vor dem Landgericht Ravensburg und dem Oberlandesgericht Stuttgart erfolglos.
Was spricht gegen "bekömmlich"?
Das aus dem Mittelhochdeutschen stammende "bekom(en)lich" bedeutete einmal so viel wie "passend" oder "bequem". Heute wird es als Synonym für "leicht verdaulich" oder "verträglich" verstanden.
Dass Biersorten mit einem Alkoholgehalt zwischen 2,8 und 5,1 Prozent so beworben werden, geht aus Sicht des Wettbewerbsverbandes gar nicht. Es sei eine "gesundheitsbezogene" Angabe, mit der nach der Health-Claims-Verordnung der EU nicht geworben werden darf. Die Verordnung verbietet das für alkoholische Getränke mit mehr als 1,2 Volumenprozent.
Gibt es vergleichbare Fälle?
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat in einer Entscheidung zu Werbung der Winzergenossenschaft Deutsches Weintor aus der Pfalz (C-544-10-Urteil vom 6.9.2012) Winzern verboten, für "bekömmlichen" Wein zu werben. Dies sei in Verbindung mit dem geringen Säuregehalt eine gesundheitsbezogene Angabe. Alkohol sei schädlich für die Gesundheit - Verbraucher müssten vor irreführender Werbung geschützt werden.
Ist das auf den Bierstreit anwendbar?
Ja, wenn es nach dem Wettbewerbsverein und dem Stuttgarter OLG geht: Der Begriff "bekömmlich" schließe nicht nur ein allgemeines Wohlbehagen ein. Er sei als "Langzeitversprechen" zu verstehen, dass das beworbene Lebensmittel auch bei längerem Konsum nicht schade.
Angaben zu alkoholischen Getränken dürften nicht mehrdeutig sein. Der beklagte Brauer versteht den Begriff als "reine Qualitätsaussage" mit langer Tradition. Was sagen Experten dazu?
Für Lebensmittelrechts-Expertin Jeannette Viniol, Anwältin bei der Kanzlei JBB in Berlin und Dozentin an der TU Dresden, ist es ein Grenzfall. Aus ihrer Sicht könnte der Begriff auch allgemeiner verstanden werden. Denn die "Weintor-Entscheidung" habe ihn nur in Verbindung mit dem Hinweis auf den geringen Säuregehalt verboten. "Im aktuellen Fall wird darüber zu entscheiden sein, ob der Begriff "bekömmlich" auch ohne eine solche Konkretisierung als gesundheitsbezogene Angabe im Sinne der Verordnung zu verstehen ist oder ob es sich um eine Aussage zum "allgemeinen Wohlbefinden" handelt, der der Verbraucher keine besonderen gesundheitsbezogenen Versprechungen zumisst."
Hat sich der BGH auch schon mal mit einem vergleichbaren Fall befasst?
Der BGH hat im Januar 2011 in einer EuGH-Vorlage zum "Gurktaler Kräuterlikör" den Begriff "bekömmlich" passieren lassen - "wohltuend" aber nicht. Das war aber vor dem "Weintor"-Urteil. Auch wurde der Fall nie entschieden, weil die Revision zurückgenommen wurde.
Könnten auch andere Brauereien betroffen sein?
Die Deutschen gaben 2017 rund 7,4 Milliarden Euro für Bier und Biermixgetränke zum Verzehr zu Hause aus. Dennoch haben Brauer eine Durststrecke: Im ersten Quartal haben sie mit 19,6 Millionen Hektolitern Bier 1,6 Prozent weniger abgesetzt als im Vorjahreszeitraum. Die Brauereien wollen das mit neuen Angeboten ausgleichen. Laut Deutschem Brauer-Bund gibt es hierzulande mehr als 6000 Biermarken - 1000 mehr als noch vor zehn Jahren.
Härle ist ein Familienunternehmen in vierter Generation und mit 33 Mitarbeitern und 7,2 Millionen Euro Jahresumsatz klein - die Folgen des Rechtsstreits könnten aber größer sein: Nach Angaben von Firmenchef Härle haben eine Reihe anderer Brauereien ebenfalls mit "bekömmlichem" Bier geworben./skf/DP/zb