Blei im Milchpulver? Gefährliches Schwermetall in Markenbabynahrung
Afrikanische Schwarzmarktprodukte dagegen „bleifrei“
Georg Mair/Vetmeduni Vienna
Dass Milch gesund und reich an den für die Entwicklung von Kleinkindern wichtigen Nährstoffen wie Calcium oder Eisen ist, ist bekannt. In vielen afrikanischen Ländern ist Frischmilch jedoch auch wegen der Haltbarkeit selten verfügbar. Milchpulver ist dort die einzige Alternative und mangels Fleisch oder anderer proteinreicher Nahrung eine essentielle Energiequelle für unterernährte Kinder. Ebenso ist es wichtiger Ersatz für die Muttermilch HIV-infizierter Frauen.
Importierte Markenprodukte sind jedoch für viele Familien viel zu kostspielig. Deswegen boomt ein unkontrollierter Schwarzmarkt mit in Plastiksäckchen verpacktem Milchpulver, ohne Hinweis auf die Herkunft oder Inhaltsstoffe. Die Vermutung liegt nahe, dass die Familien dadurch in Kauf nehmen, ihre Kleinkinder häufiger mit minderwertigem oder womöglich verunreinigtem Pulver zu versorgen. Das Schwermetall Blei gilt dabei als eine der größten Gefahren. Ein erster Vergleichstest von ExpertInnen um Dagmar Schoder vom Institut für Milchhygiene der Vetmeduni Vienna zeigte nun, dass derartige Bedenken nicht für die Schwarzmarkt-, sondern eher für die Markenwaren gelten sollten.
Keine toxischen Schwermetalle in Milchpulver vom Schwarzmarkt, dafür in Markenprodukt
Das Team um die Mitbegründerin der Organisation TierärztInnen ohne Grenzen untersuchte insgesamt 20 Milchpulverpäckchen unterschiedlicher Schwarzmarkthändler in Daressalam, Tansania, enem der wichtigsten Importhäfen Afrikas. Diese verglichen die Forschenden mit 23 importierten Produkten auf insgesamt 43 Inhaltsstoffe. Darunter waren neben den essentiellen Nährstoffen auch toxische Stoffe, wie eben Blei oder Cadmium.
Das überraschende Ergebnis dieses Tests war, dass alle Proben vom Schwarzmarkt schadstoff- und somit „bleifrei“ waren, die Markenprodukte dagegen nicht. Eine dieser Proben überschritt den international festgesetzten Grenzwert nicht nur minimal, sondern gleich um 200 Prozent. Das gibt nicht nur Anlass zur Sorge, sondern könnte laut Schoder trotz nur eines Nachweises ein bedenklicher Hinweis auf ein Muster sein.
Regelmäßiger Konsum von Blei in der ersten Entwicklungsphase hat neuronale Schäden, verminderte Intelligenz oder Anämien als direkte Konsequenz. „Bei den ungetesteten Schwarzmarktprodukten würde man mit verunreinigten Proben rechnen. Dass das aber bei der strenger regulierten Markenware der Fall war, ist durchaus bedenklich“, so die Expertin weiter. Hochgerechnet stellt schon der positive Nachweis in einer dieser 23 Proben ein Problem dar.
Schwarzmarktproben halten auch mit heimischen Referenzen mit
Die Proben vom afrikanischen Schwarzmarkt überzeugten jedoch auch in anderer Hinsicht positiv. Insgesamt waren die erfassten Konzentrationen der Nährstoffe nicht nur bei allen Proben vergleichbar, sondern eindeutig innerhalb der von der Europäischen Union festgesetzten Richtwerte. Selbst ein weiterer Vergleich mit österreichischen Referenzprodukten zeigte keine auffälligen Unterschiede. Wenn, dann waren einige Nährstoffe etwas niedriger oder stärker angereichert. Im Mittel standen die illegalen Produkte den österreichischen jedoch nicht nach. „Die höhere Konzentration, vor allem von Eisen oder Kupfer, wie etwa in den als Babynahrung ausgewiesenen Milchpulvern, wurde augenscheinlich durch die Beimengung pflanzlicher Stoffe erreicht“, so Schoder.
Restrisiko bleibt und verlangt Umdenken
Eine höhere Eisenkonzentration kann daher sogar ein Vorteil sein, da diese in menschlicher oder Kuhmilch häufig zu niedrig für Kleinkinder ist. Das Spurenelement ist wichtig für den Bluthaushalt in der frühen Entwicklungsphase. Hier könnte doch noch ein Risiko in den Schwarzmarktprodukten stecken. Wird das Pulver etwa ausschließlich aus Kuhmilch hergestellt, dann könnte dies zu einem Eisenmangel der Kleinkinder führen. „Milchpulver hätte aber den Vorteil, dass die Konzentrationen leichter durch zusätzlich beigemengte Stoffe verändert und an die Bedürfnisse je Altersstufe angepasst werden können“, erklärt Schoder. Das dürfte bei den als Babynahrung ausgewiesenen illegalen Milchpulvern mit der höheren Konzentration, vor allem von Eisen oder Kupfer, der Fall gewesen sein.
Selbst wenn die getesteten Proben unbedenklich waren, darf man diese Fakten nicht außer Acht lassen. Die zu hohen Preise der importierten Produkte und die mangelnde oder meist nicht vorhandene Kennzeichnung des Schwarzmarktmilchpulvers sind eine bedenkliche Situation in den afrikanischen Ländern unterhalb der Saharazone. Es wäre wichtig die Kleinkinder der armen Bevölkerungsschicht ausreichend mit qualitativ wertigen und richtig gekennzeichneten Produkten zu versorgen. Das gilt im Besonderen für die Säuglinge an HIV erkrankter Mütter, um das Risiko einer Infektion über die Muttermilch zu vermeiden.
Der Artikel "Heavy metal content and element analysis of infant formula and milk powder samples purchased on the Tanzanian market: International branded versus black market products" von Sager M., Mc Culloch C.R. und Schoder D. wurde in der Food Chemistry veröffentlicht.