Die Herausforderungen, denen sich Landwirte in Deutschland beim Hartweizenanbau stellen müssen, sind zahlreich – von unterschiedlichen Böden, besonderen Klimabedingungen bis hin zu immer häufiger auftretenden Wetterextremen. Um sich diesen Herausforderungen zu stellen und Lösungen zu finden, haben Wissenschaftler der Universität Hohenheim in Stuttgart in Kooperation mit ALB GOLD monatelang 50 Hartweizenmuster sortenrein gemüllert, geputzt und sortenreine Pasta hergestellt. Bei einem „Pasta-Marathon“ testeten und verglichen die Experten nun die Ergebnisse. „Es konnten sehr wichtige Erkenntnisse für den heimischen Anbau und die heimische Nudelproduktion erarbeitet werden“, so PD Dr. Friedrich Longin von der Universität Hohenheim. Oliver Freidler vom Teigwarenhersteller Alb-Gold ergänzt: „Die gelbe Farbe der Pasta wird sehr stark von der Sorte bestimmt und kann mittels einfacher Labortests bereits am Hartweizenkorn getestet werden. Das hilft uns, durch gezieltere Rohwarenauswahl und Kommunikation direkt in der Landwirtschaft, unsere Produkte zu optimieren“.
Goldgelb, bissfest und typisch aromatisch soll Pasta sein, und das idealerweise auch wenn die empfohlene Kochzeit auf der Packung überschritten wurde. Nach diesen Kriterien wertete das Expertenteam der Universität Hohenheim und ALB GOLD beim „Pasta-Marathon“ die Nudelprodukte und ihre Qualität. Die 50 Nudelmuster wurden aus 25 verschiedenen Winterdurumsorten (Hartweizen) hergestellt, die an zwei unterschiedlichen Versuchsstandorten der Universität Hohenheim angebaut wurden.
In intensiver Kleinarbeit wurden die Hartweizenmuster durch den Müller Hermann Gütler von der Stelzenmühle in Bad Wurzach und seiner Tochter Anna, die als Werksstudentin den Großteil der Arbeit übernahm, zu Grieß vermahlen. ALB-GOLD Werkstudent Stefan Riß reinigte den Grieß anschließend in der gewerblichen Schule im Hoppenlau und produzierte daraus in wochenlanger Detailarbeit sortenreine Pasta. Aber die Mühe hat sich für alle Beteiligten gelohnt.
„Die Teigwarenbranche stellt seit jeher große Ansprüche an den Hauptrohstoff, den Hartweizen“, so PD Dr. F. Longin von der Universität Hohenheim. „Allerdings konnte beim gezielten hinterfragen der geforderten Qualitätsparameter meistens niemand schlüssig erklären oder sogar mit Zahlen hinterlegen, dass diese wirklich notwendig sind.“ Die Ergebnisse des Pasta-Marathons zeigen nun klar auf: Es gibt Laborparameter, die man am Hartweizen messen kann und die wirklich die Nudelqualität beeinflussen. Aber viele der geforderten Kriterien scheinen keinen Einfluss auf die Nudel zu haben.
Nudeln mit kräftig gelber Farbe gewünscht
„Der Verbraucher wünscht auch bei eifreier Pasta eine möglichst gelbe Farbe. Und diese Farbe kommt aus den gewählten Hartweizensorten“, ergänzt Oliver Freidler, Mitglied der Geschäftsführung bei ALB-GOLD in Trochtelfingen. „Wir konnten klar aufzeigen, dass man bereits am Korn mittels Farbmessgerät diese gelbe Farbe feststellen kann, und dass sich diese Farbe dann auch beim Nudelmachen zeigt“. Somit lohnt es sich, dass die Hartweizenzüchtung in Deutschland seit Jahren schon auf diese Farbe selektiert. „Die Züchtung neuer Hartweizensorten sollte somit sehr darauf achten, dass eine intensive gelbe Farbe des Hartweizengrieses erreicht wird. Das ist anhand dieser Studie eines der wichtigsten Merkmale für uns Nudelhersteller“.
Die gelbe Farbe war in der getrockneten Pasta am intensivsten zu sehen. Aber auch nach normaler und auch zu langer Kochzeit nahm das Expertenteam die erkannten Sortenunterschiede noch wahr. Verbraucher, die eine goldgelbe Pasta bevorzugen, sollten beim Einkauf daher auch eine möglichst gelbe Pasta bevorzugen, da die Gelbfärbung über die Kochzeit hinweg abnimmt, so der Expertentipp.
Bei der Bissfestigkeit gab es Überraschungen
„Gleich nach der Farbe kommt es bei guter Pasta auf die Bissfestigkeit an“, führt Oliver Freidler weiter aus. „Pasta soll einen intensiven Biss (al dente) haben und dies möglichst auch, wenn die empfohlene Kochzeit nicht ganz eingehalten wird“. Bisher ist man in der Branche davon ausgegangen, dass der Proteingehalt des Hartweizenkorns diese Bissfestigkeit beeinflusst. So wird in Deutschland gefordert, dass die Landwirtschaft Hartweizen mit sehr hohem Proteingehalt produziert. Dies geht allerdings nur über sehr hohe Stickstoffdüngergaben, die wegen anhaltender Nitratbelastungen des Grundwassers berechtigt in der Kritik stehen.
„Wir konnten nun zeigen, dass die Bissfestigkeit der Pasta nicht von der Proteinmenge abhängt“, erklärt Friedrich Longin. „Da sich dies zudem mit aktuellen Studien anderer Wissenschaftler deckt, ist das ein sehr wichtiges Ergebnis für die heimische Produktion und Umwelt. Die geforderten Proteinmengen und somit auch die Düngermengen können deutlich nach unten korrigiert werden!“ Umweltbewusste Verbraucher können dies in Zukunft nachverfolgen, indem sie die Proteinmenge in der Nährstofftabelle anschauen.
Die Bissfestigkeit der Pasta schien auch nicht von der Qualität des Proteins abzuhängen. So gab es keinen Zusammenhang zwischen Laborwerten zu Glutenindex und Sedimentationswert mit der Bissfestigkeit der Pasta. „Das war schon sehr überraschend, da beim Brotweizen diese Parameter einen sehr starken Einfluss auf die Backqualität haben“, so Friedrich Longin weiter. „Im Gegensatz dazu, hatte die Menge Gluten in den Hartweizenmustern einen großen Einfluss auf die Bissfestigkeit“.
„Ein Qualitätskriterium, was bisher nicht beachtet wird und dessen Anwendung eine genauere Untersuchung wert wäre“, sagt Hermann Gütler, Inhaber der Stelzenmühle in Bad Wurzach und der Müller, der alle Muster vermahlen hatte. „Besonders, weil dies beim Hartweizen scheinbar nicht mit der Proteinmenge zusammenhängt, was gegenteilig zum Brotweizen ist.“
Hartweizenmehl in der Bäckerei in Spezialrezepten gut nutzbar
„Die Nudelproduzenten wollen Teigwaren aus Grieß und nicht aus Mehl machen“, erklärt Hermann Gütler weiter. „Allerdings fällt dabei immer auch etwas Hartweizenmehl an, welches wir deutschen Müller nur schwer verkauft bekommen“.
„Mediterrane Bäcker setzen Hartweizenmehl schon lange ein“, ergänzt Heiner Beck von der Bäckerei BeckaBeck in Römerstein. So hat er sich darangemacht, mit heimischem Hartweizenmehl erste Backversuche zu machen. Sein Fazit ist eindeutig: „Hartweizenmehl kann nur in einer Mischung mit Brotweizenmehl verarbeitet werden. Außerdem müssen die Rezepte angepasst werden. Wenn das geschieht, kann ich mir Brötchen mit langer Teigführung und einem Hartweizenmehlbrühstück gut vorstellen“.
Am Ende waren sich alle Beteiligten einig: Der enorme Aufwand neben der Routinearbeit hat sich gelohnt. „Diese besondere Zusammenarbeit der Wissenschaft mit mehreren Handwerksberufen hat nicht nur neue statistisch fundierte Erkenntnisse geliefert, sondern auch neue Forschungsfragen aufgeworfen“, so das Fazit von Friedrich Longin. Oliver Freidler ergänzt: „Und nebenbei haben alle Beteiligten Partner sehr viel voneinander gelernt und zwei Junghandwerker damit erfolgreich ihre Ausbildung beendet“.
HINTERGRUND: Qualitätskontrolle mit Back- und Essmarathons
Der Pasta-Marathon schließt an eine Reihe von Backmarathons an, die PD Dr. Longin in Kooperation mit Bäckern und Müllern zur Qualitätskontrolle unterschiedlicher Getreidesorten und –Anbaumethoden veranstalten. 2017 veranstaltete er einen Weizen-Backmarathon, der zeigte, dass eine langsamere Teigbereitung nicht nur Aroma und Qualität von Brot erhöhen, sondern auch dessen Verträglichkeit verbessert.
2016 hatte Dr. Longin mit dem Bäcker Beck und dem Müller Gütler einen Backmarathon mit Dinkelgetreide durchgeführt. Ergebnis: Dinkelkreationen munden extrem variantenreich von zimtig, würzig bis nussig und hat dabei sein Aromapotential noch lange nicht ausgereizt.