Ganz individuell: Self-made-Bier liegt im Trend
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Beim Bier kennt der Greifswalder Jan Evermann keine Kompromisse. Viermal im Jahr setzt der Arzt im heimischen Garten seine Hobby-Brauanlage in Gang. Er schrotet Malz, erhitzt die Maische auf verschiedene Temperaturstufen, filtriert die Würze, fügt verschiedene Hopfen und später Hefe für die Gärung hinzu. Das Ganze ist eine komplexe Angelegenheit. Doch wenn Evermann von Temperaturrasten und IBU-Bitterwerten spricht, leuchten seine Augen.
Dosenbier oder industrielle Flaschenbiere kommen dem 46-Jährigen so gut wie nie ins Glas. «Außer wenn Notstand ist», sagt er. Und lächelt. Maximal 75 Liter Bier braut sich Evermann mit einem Braugang zusammen - ausreichend für den Eigenbedarf und für eine Party mit Freunden oder Kollegen. Mit seiner letzten Kreation, einer obergärigen belgischen Bierspezialität, einem so genannten Witbier, tritt Evermann am Wochenende zur Deutschen Meisterschaft der Hobbybrauer in Stralsund an.
Der deutsche Gaumen trennt sich zwar nicht vom Industriebier, aber er hat Craft-Biere - also handwerklich hergestellte Biere - als Geschmacksalternative entdeckt, die dem strengen deutschen Reinheitsgebot mit der Zugabe von Gewürzen wie Koriander, Orangenschalen oder Ingwer nicht mehr folgen. Die Zahl der Brauereien in Deutschland steigt und das bei sinkendem Bierabsatz. Seit 2009 kamen 161 Produktionsstätten hinzu. Wurden laut Deutschem Brauer-Bund 2009 noch 100 Millionen Hektoliter Bier abgesetzt, waren es 2017 rund 6,5 Millionen weniger. Gewinner sind die kleinen Spezial-Brauereien, die mit neuen Sorten experimentieren. Mit dem Trend zum Craft-Bier entwickelte sich auch die Szene der Hobbybrauer in Deutschland.
Die Vereinigung der Haus- und Hobbybrauer (VHD) zählt rund 700 Mitglieder. Doch Vorstand Markus Metzger schätzt die Szene, die sich in Internetforen wie hobbybrauer.de oder hausgebraut.de austauscht und eigene Rezepturen veröffentlicht, inzwischen auf mehrere tausend Brauer. Ausrüstung und Zutaten lassen sich inzwischen leicht über das Internet beschaffen. Als Einsteigermodell gibt es ein Mikrobrauset für 1,6 Liter India Pale Ale oder Helles für knapp 40 Euro.
Was ihn am Selbstbrauen reizt? «Das Erfolgserlebnis», sagt Metzger, von Beruf Lehrer. Viele Hobbybrauer arbeiteten wie er in Berufen, in denen man am Ende eines Arbeitstages nicht unbedingt den Erfolg sehe. Beim Brauen sei das anders.
Den Trend zum selbstkreierten Bier erklärt sich die Elisa Raus von der Störtebeker Braumanufaktur, Ausrichter der Deutschen Meisterschaft der Hobbybrauer, so: Kreative, handwerklich gebraute Biere seien seit Jahren gefragt. Vielen bereite es Freude, Biere mit neuen Aromen zu kreieren, die es vorher noch nicht gab.
Der VHD prämiert seit 23 Jahren die besten Biere seiner Mitglieder. Auf die Idee, eine Deutsche Meisterschaft ins Leben zu rufen, kam die Stralsunder Brauerei vor mehr als einem Jahr. «Unter unseren Kollegen gibt es viele Hobbybrauer», sagt Raus. «Wir waren erstaunt, was da so alles heraussprudelt.» Im vergangenen Jahr kamen 80 Brauer aus Deutschland nach Stralsund, in diesem Jahr werden 120 Hobbybrauer erwartet. Spitzenreiter bei den Bewerbungen ist Berlin mit 15 Anmeldungen, gefolgt von Schleswig-Holstein mit 13 und Baden-Württemberg mit 10 Anmeldungen.
Zur Meisterschaft müssen die Hobbybrauer in diesem Jahr ein selbst kreiertes Witbier einreichen. Ein Witbier ist die belgische Interpretation eines Weizenbieres, versetzt mit Koriander, Orangenschale und weiteren Gewürzen. Profi-Brauer und Bier-Sommeliere küren nach der Verkostung aus den in Deutschlands Garagen, Küchen und Kellern gebrauten Bieren das Beste.
Evermann geht es mit seiner Teilnahme an der Meisterschaft nicht um den Sieg, sondern um eine qualifizierte Beurteilung seiner Witbier-Interpretation und den Austausch mit den anderen Freunden des Gerstensaftes. «Jedes Bier ist individuell. Das ist das Spannende daran.» (dpa)