Ein Steak zu bauen ist schwer
Die Fleisch-Macher aus dem Labor
pixabay/tomwieden
- Saftig soll es sein, den würzig-salzigen Geschmack haben und aussehen wie herkömmliches Fleisch. Doch im Moment ist das Steak der Zukunft nicht viel mehr als ein Zellhaufen. Tausende kleine Bläschen drängen sich wie bei Froschlaich aneinander, nur sichtbar in zigfacher Vergrößerung auf dem Computerbildschirm.
«Bitte nicht fotografieren», sagt Didier Toubia in seinem Labor in einem Industriepark südlich von Tel Aviv. Immerhin forscht der 45-jährige Israeli mit seinem Start-up Aleph Farms an einer möglichen Revolution der Fleischproduktion: Fleisch aus dem Labor, gezüchtet aus Stammzellen von Kühen.
Über das Essen von Fleisch ist längst ein Grundsatz-Streit entbrannt. Gesund, ja oder nein? Ist es moralisch okay, wenn Tiere dafür leiden? Und wie steht es um die Folgen des Steak-Konsums fürs Klima?
Zumindest einen Teil der Probleme wollen High-Tech-Pioniere lösen, indem sie Fleisch züchten. Was dann auf die Teller kommen soll, hat in der Form nie als Stück eines Tieres im Stall oder auf der Weide gestanden.
An mehreren Orten weltweit tüfteln Forscher und Unternehmer an solchen Produkten. Mit am weitesten sind Start-ups in Israel. Bei einem Besuch trifft man Entwickler, die sehr optimistisch wirken. Man stößt aber auch auf Fragen, die noch zu klären sind.
Für das Klima und gegen Tierquälerei
«Die Mission der Firma ist es, besseres Essen für die Menschen zu produzieren», sagt Didier Toubia, weißer Laborkittel über dem Hemd, Brille und Kippa auf dem Kopf. Er verweist auf den Einfluss der industriellen Fleischproduktion auf Natur und Klima: «Rind ist in Bezug auf die Umwelt das Thema, das am dringendsten ist.»
Derzeit brauche es 10 000 bis 15 000 Liter Wasser, um ein Kilogramm Rindfleisch zu produzieren - inklusive des Wassers, um die Saat für das Futter wachsen zu lassen, führt er aus. Außerdem gehe es darum, Tierleid in der Massenhaltung zu verringern.
Für das Laborfleisch werden einem Rind bestimmte Stammzellen entnommen, wie der Forscher erklärt. So heißen Zellen, die sich teilen und in verschiedene Richtungen weiterentwickeln können. In einer Nährlösung sollen sie sich so vermehren, dass innerhalb von letztlich drei, vier Wochen ein Stück Fleisch entsteht.
Toubia steht im Labor vor zwei weißen Quadern, die aussehen wie Kühlschränke. «Das sind unsere Kühe», sagt er und lacht. In diesen Inkubatoren stehen Petrischalen mit rötlichen Lösungen, in denen sich die Zellen befinden. «Wir reproduzieren außerhalb der Kuh die Bedingungen für die Zellen, um sich zu teilen und Gewebe unter kontrollierten Bedingungen herzustellen», sagt der Biologe. Dazu gehört bei dem Verfahren etwa die Körpertemperatur des Tieres.
2016 hat er sein kleines Unternehmen gegründet - gemeinsam mit der Strauss-Gruppe, einem israelischen Lebensmittelhersteller, sowie dem Forschungsinstitut Technion. Aktuell arbeiten zehn Menschen für das Start-up, vor allem Zellbiologen und Experten für Gewebezüchtung.
Ein Steak zu bauen ist schwer
Toubias Firma ist eines von mehreren Start-ups weltweit, die sich mit dem Thema In-vitro-Fleisch beschäftigen. Bereits 2013 hatte der niederländische Forscher Mark Post die erste Frikadelle aus Stammzellen von Rindern in London präsentiert. «Der letzte Stand der Technik bei «Clean Meat» ist, eine Masse von Zellen zu züchten», sagt Toubia. Vorrangig Muskelfasern, aber auch Fett, um es zu mixen.
Deswegen würden die meisten etwa auf Hamburger setzen. Also Hack.
«Wir konzentrieren uns dagegen darauf, ein komplexes Gewebe zu entwickeln, das viel mehr dem originalen Muskelgewebe gleicht.» Eben einem Steak. Dafür müssen sich unter anderem die Zellen in vier verschiedene Typen entwickeln. Ob das reicht, um «echt» zu schmecken?
Schließlich spielt beim Geschmack von hochwertigem Fleisch auch eine Rolle, welche Rasse und Alter das Tier hatte, wie es gefüttert wurde, wie viel es sich bewegen konnte und vieles mehr.
«Es wird vermutlich zwei Jahre dauern, um die Entwicklung des Produkts abzuschließen.» In der zweiten Hälfte des Jahres 2021 würden sie die ersten, noch teuren Lieferungen an Restaurants planen. In sieben, acht Jahren werde der Preis mit herkömmlichem Fleisch vergleichbar sein, hofft er.
Supermeat setzt auf Hühner und Wiesenhof
Ido Savir und sein Start-up Supermeat - übersetzt Superfleisch - sitzen nur wenige Räume von Aleph Farms entfernt. Auch Supermeat hatte sich Ende 2015 mit der Idee gegründet, Fleisch zu züchten.
Allerdings streben die Forscher das Herstellen von Fleischgewebe aus Hühner- und Entenzellen an. Daraus sollen später etwa Frikadellen, Würstchen, Chicken Nuggets und Salami entstehen.
«Wir glauben, dass uns dieser Ansatz erlauben wird, deutlich früher auf den Markt zu gehen», sagt Savir, kurze braune Haare, Drei-Tage-Bart, schwarzes Hemd. Hühnchen werde zudem beliebter bei Fleischfans.
Der 40-Jährige ist zurückhaltend mit Einblicken ins Labor. Aber eines ist für den Veganer klar: Sein selbst gezüchtetes Fleischprodukt will er später auch essen.
Supermeat möchte in drei Jahren mit der Ware auf dem Markt sein - auch in Deutschland. Rund 3,4 Millionen Euro Kapital hat das Start-up bisher gesammelt. Anfang des Jahres hat das Mutterunternehmen des Geflügelzüchters Wiesenhof, die PHW-Gruppe, Anteile an der Firma erworben. Über ein eigenes Risikokapitalunternehmen hat auch die Familie Cordesmeyer einen mittleren sechsstelligen Betrag investiert.
Deren Unternehmen Hemelter Mühle produziert nahe der niederländischen Grenze Mehl. Der Geflügelriese PHW investiere dabei nicht nur Geld in Supermeat. «Wiesenhof hilft uns bei der Forschung und Entwicklung», sagt Savir. Das Unternehmen bringe sein großes Wissen über Geflügelprodukte ein.
«Das hilft uns, besser zu verstehen, was wir erreichen wollen.» Wie soll das Laborfleisch schmecken, wie soll die Konsistenz sein?
Proteine im Fokus
PHW geht es dabei um eine Vielfalt an Proteinquellen, also Eiweißen - jenseits von herkömmlichem Fleisch, wie Vorstandsmitglied Marcus Keitzer sagt. Vegane Produkte, pflanzenbasierter Fleischersatz, veganer Fischersatz - und irgendwann eben Fleisch aus der Retorte.
«Wir wollen nicht schwarz-weiß sein», ergänzt Keitzer.
Frank Cordesmeyer argumentiert mit dem massiven Bevölkerungswachstum weltweit - und dem steigenden Proteinbedarf. «Das Problem ist ganz einfach, dass unsere Welt die Rohstoffe nicht mehr so produzieren können wird, wie wir das im Moment tun», sagt Cordesmeyer, Geschäftsführer des Risikokapitalunternehmens.
Derzeit würden Proteine nicht mehr nachhaltig hergestellt, wenn etwa in Brasilien Regenwälder abgeholzt würden, um Soja anzupflanzen, welches dann für die Futtermittelindustrie nach Europa gebracht werde. «Das ist wahnsinnig ineffizient», sagt Cordesmeyer.
Laborfleisch, oft Clean Meat genannt, sei hier eine mögliche Alternative zumindest für Teile des Markts.
Die Firma Supermeat gehöre zu den drei am weitesten fortgeschrittenen Start-ups in dem Bereich, schätzt Cordesmeyer, der sich auch in dem weltweit tätigen Fachgremium Cellular Agriculture Society engagiert.
«Wir sehen immer mehr Clean-Meat-Firmen, die sich etablieren», sagt der Bäcker und Lebensmitteltechnologe. «Aber die Hochburgen sind ganz klar Holland, Israel und San Francisco.»
Auch Anne Mottet, Tierhaltungsentwicklerin bei den Vereinten Nationen, sagt: Der weltweite Fleischverbrauch wird in den kommenden Jahren weiter klettern.
Deutscher Fleischverbrauch sinkt
In Deutschland gibt es aktuell beim Verbrauch eine leichte Gegenbewegung. Obwohl Fleisch nach wie vor zu einem der beliebtesten Nahrungsmittel gehört, aß der Durchschnittsbürger zuletzt weniger davon. 2017 fiel der Verzehr nach Angaben des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft unter die Marke von 60 Kilogramm. Der Rückgang kommt vor allem durch eine deutliche Abnahme beim Spitzenreiter Schweinefleisch (rund 36 Kilo), während Geflügel (rund 12) und das oft teure Rind (10) zulegten.
Die Zurückhaltung der Deutschen beim Fleisch entspricht dem Trend in Europa, wie Mottet sagt. Es gebe dort reichlich Aufklärung, dass zu viel fettes Fleisch nicht gesund sei - und Informationen über Umwelteinflüsse der Produktion. «Die Menschen denken sich, ich muss heute nicht schon wieder ein Steak essen», sagt Mottet.
Silvia Woll vom Karlsruher Forschungsinstitut KIT sieht durchaus Offenheit für Retorten-Fleisch bei deutschen Verbrauchern - bei Vegetariern, Veganern und Fleischessern. Aber: «Das In-vitro-Fleisch könnte so gesund und billig sein, wie es will, wenn es nicht nach Fleisch schmeckt, wird es nicht gekauft», sagt die Philosophin mit Schwerpunkt Technikethik.
Massenproduktion könnte viel Energie brauchen
Fachfrau Woll sieht die Zukunftschancen für eine industrielle Großproduktion von Laborfleisch in absehbarer Zeit eher zurückhaltend. «Ganz viele Fragen zu In-vitro-Fleisch kann man im Moment noch nicht beantworten, die Technologie dafür steckt noch in den Kinderschuhen», urteilt sie. «Es könnte durchaus passieren, dass das nie auf den Markt kommen wird, weil es nie im großen Maßstab hergestellt werden wird.»
Unklar sei etwa, inwiefern die Massenproduktion von Laborfleisch wirklich so viel umweltfreundlicher wäre. So könnten große Inkubatoren - also Brutschränke - sehr viel Energie verbrauchen.
Firmengründer Didier Toubia steht im weißen Kittel und Handschuhen neben seinen weißen Labor-«Kühen». Sein künftiger Traumkunde ist Flexitarier, so wie er - Fleischesser in Maßen, umweltbewusst. Von der künftigen Nachfrage gibt er sich überzeugt. Und bleibt doch pragmatisch: «Ich denke nicht, dass herkömmlich produziertes Fleisch in naher Zukunft komplett verschwinden wird.» (dpa/Stefanie Järkel)
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