Berliner Forscher sind Apfel-Allergie auf der Spur

13.11.2018 - Deutschland

Unbeschwert einen knackigen, saftigen Apfel genießen - was für viele Menschen normal ist, kann Allergikern große Probleme bereiten. Sie reagieren vor allem auf gängige Supermarkt-Sorten. Berliner Forscher untersuchen, woran das liegt.

Myriams-Fotos/ Pixabay

Rot und gelb leuchtend liegen die Äpfel in den Verkaufsregalen. Dank der guten Ernte gibt es in diesem Jahr keine Knappheit an Deutschlands beliebtestem Obst. Doch nicht jedem ist der Genuss vergönnt. Apfelallergiker vertragen oft gerade die Sorten aus dem Supermarkt nicht. Zu ihnen zählt auch die Berlinerin Ursula Müller. «In der Pubertät ging es bei mir los mit den Allergien», erinnert sich die gebürtige Leverkusenerin. Neben Birkenpollen reagierte sie plötzlich auch auf Äpfel. «Beim Essen jucken Mund und Rachen. Alles schwillt an», sagt die 58-Jährige.

Ihr Fall ist laut dem Berliner Allergologen Karl-Christian Bergmann von der Charité typisch für eine Kreuzallergie. Wer gegen Birkenpollen allergisch sei, vertrage meist auch bestimmte Äpfel nicht. Der Grund: «Das Obst enthält Allergene, die den wichtigsten Allergenen in Birkenpollen ähneln», so Bergmann. In Deutschland gibt es seinen Angaben zufolge rund elf Millionen Erwachsene mit Heuschnupfen, von denen etwa jeder zweite auch allergisch auf Obst oder Gemüse reagiert.

Bei den Äpfeln sind es gerade die gängigen Sorten wie Golden Delicious, Gala oder Jonagold, die Allergikern wie Ursula Müller Probleme machen. «Die neueren Sorten, sogenannte Tafeläpfel, enthalten besonders viele Allergene», erläutert Bergmann. Der Allergen-Anteil sei so hoch, weil ein anderer Abwehrstoff der Äpfel, die Polyphenole, durch Züchtungen stark reduziert worden sei, um süßere Sorten zu erzielen.

Die für Aroma und Säure zuständigen Polyphenole schützen den Apfel vor Schimmelpilzen und sind laut Bergmann auch gesund für den Menschen. «Der Spruch 'Ein Apfel pro Tag erspart den Gang zum Arzt' trifft aber eher auf alte Apfelsorten zu», so der Mediziner. In einer kleinen Beobachtungsstudie entdeckten er und Kollegen weitere Vorteile: Alte Sorten sind nicht nur verträglicher für Allergiker, sondern ihr regelmäßiger Verzehr kann sie auch resistenter gegen Problemäpfel machen und Heuschnupfen-Symptome reduzieren.

Jeweils zu Beginn und zum Ende der Studie aßen die rund 100 Teilnehmer einen «Problemapfel» der Sorte Golden Delicious. Dazwischen bekamen sie 90 Tage lang täglich alte Apfelsorten mit hohem Polyphenolgehalt wie Alkmene, Eifeler Rambur, Goldparmäne und Roter Boskoop. «Bis zum Ende haben etwa 70 Teilnehmer mitgemacht. Viele konnten den Golden Delicious im Anschluss besser vertragen und hatten auch in der darauffolgenden Heuschnupfensaison weniger Beschwerden», sagt Bergmann.

Ursula Müller nahm auch an der Studie teil, merkte aber keine deutliche Besserung ihrer Symptome. Allerdings isst sie inzwischen wieder bestimmte Äpfel. «Ich suche auf Märkten nach alten Sorten», so die Berlinerin. «Je saurer ein Apfel, desto besser vertrage ich ihn», so ihre Erfahrung.

Welche Sorten für Allergiker verträglich oder unverträglich sind, tragen Willi Hennebrüder und Mitstreiter vom Bund für Umwelt- und Naturschutz (BUND) in Lemgo (Nordrhein-Westfalen) zusammen. Rund 100 Apfelsorten enthält ihre im Internet veröffentlichte Liste bereits. Gute Erfahrungen machen Allergiker demnach unter anderem auch mit Berlepsch, Prinz Albrecht von Preußen und Weißem Winterglockenapfel.

Der BUND betreut seit Jahren Streuobstwiesen. Bei einer öffentlichen Exkursion sei die Idee entstanden, Apfelallergikern zu helfen, erinnert sich Hennebrüder. Damals sei ein Mann unter den Gästen gewesen, der seit Jahren keine Äpfel mehr aß. Da Hennebrüder wusste, dass alte Sorten verträglicher sind, ließ er den Mann probieren. «Er aß und aß und nichts passierte. Der war so glücklich», erinnert sich der Umweltschützer.

Eine andere Allergikerin habe ebenfalls wieder Äpfel genießen können. «Die hat zwei Monate lang sehr viele alte Sorten gegessen und konnte hinterher auch wieder den Golden Delicious vertragen», berichtet Hennebrüder. Dieser Fall habe ihn dazu inspiriert, sich an die Berliner Wissenschaftler zu wenden, um mit ihnen die Studie zu organisieren - die dann zeigte, dass es auch anderen Teilnehmern so geht wie dieser Frau.

Bergmann forscht jetzt weiter zu dem Thema. Er will verstärkt mit Kollegen aus Kasachstan kooperieren. Von dort stammt der Urvater des heutigen Kulturapfels, die Wildart Malus sieversii. «Heuschnupfen-Probleme wie hier kennt man dort nicht», so der Wissenschaftler. Er will herausfinden, ob das am hohen Polyphenolgehalt der dortigen Apfelsorten liegt.

Ursula Müller freut sich, dass sich die Forscher mit dem Thema beschäftigen. «Durch die Neuzüchtungen sind die Probleme bei uns ja hausgemacht. Wenn der Trend wieder in Richtung alte Sorten geht, ist das eine tolle Entwicklung», sagt sie.

Auf Apfelkuchen und -kompott müssen Allergiker in der Regel nicht verzichten: Die Allergene werden durch Hitze zerstört. Auch die Mikrowelle kann helfen, heißt es vom Deutscher Allergie- und Asthmabund. Die Empfehlung: «Gibt man den Apfel für eine Minute bei 600 Watt in die Mikrowelle, ist er noch knackig, aber die Allergenität ist deutlich verringert.» (dpa)

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