Süße-Experten: „Steuer auf Süßes macht nicht schlanker“

28.11.2018 - Deutschland

Mitte November trafen auf Einladung des Süßstoff-Verbandes Vertreter aus der Zucker- und Süßstoff- sowie aus der Lebensmittel- und Getränkeindustrie, von Verbraucherorganisationen, Gesundheitsverbänden und aus der Ernährungswissenschaft in Bonn zu einem Barcamp zusammen und diskutierten intensiv über die Zukunft des süßen Geschmacks. Sie gingen in den Dialog zu den Themen Verbraucheraufklärung, Wahrnehmung und Akzeptanz der unterschiedlichen Süßungsmittel, Zuckersteuer, Reformulierung von Lebensmitteln und Ernährungstrends. In einem Punkt waren sich die Beteiligten einig: Die Zukunft bleibt süß, wenn auch vielleicht ein bisschen weniger süß. Das Problem der Überernährung ließe sich jedoch allein mit dem strengen Blick auf die Industrie und der Reduzierung des süßen Geschmacks nicht lösen.

Süßstoff-Verband

In einer Kleingruppe diskutieren Sweetcamp-Teilnehmer die Frage „Wie süß wird die Zukunft“.

Ein Barcamp ist wohl die demokratischste aller Veranstaltungsformen, denn hier weiß zu Beginn niemand, wie das Tagesprogramm aussehen wird. Doch jeder hat die Chance, es mitzugestalten und ein Thema vorzuschlagen, über das er gern sprechen möchte. Beim 1. Sweetcamp des Süßstoff-Verbandes in Bonn stand für die rund 50 Teilnehmer in jeder Hinsicht der Verbraucher im Mittelpunkt: ob beim Thema Geschmack, Ernährungsweise oder Lebensmittelsicherheit. Kritischstes und damit zentrales Thema des Sweetcamps war die Frage, wie Zucker- und Süßstoffindustrie den Problemen der Fehlernährung und Fehlinformation von Verbrauchern begegnen können und welche Unterstützung Verbraucher wirklich für eine gesunde Lebensführung benötigen.

„Eine Zuckersteuer allein reicht nicht aus“, sagt Dr. Burkhard Lawrenz, Beauftragter für Prävention beim Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte. „Sie ersetzt nicht die Ernährungsbildung. Das Thema ist zu komplex, um es über eine Zuckersteuer lösen zu können.“ Als einzige Maßnahme kann eine Zucker- oder „Süßesteuer“ wenig erreichen, sind sich die Teilnehmer einig. Auch die anwesenden Ernährungswissenschaftler können die „Dämonisierung" einzelner Lebensmittel nicht gutheißen: „Es gibt keine ungesunden Lebensmittel, es gibt nur den ungesunden Umgang damit“, bringt es Diplom-Oecotrophologin Gabriela Freitag-Ziegler auf den Punkt. Dieser resultiere einerseits aus einem Unwissen und einer Verunsicherung der Verbraucher, andererseits aber auch aus einer realen Diskrepanz zwischen Verbraucherwissen und Verbraucherverhalten in der Praxis. Immer wieder berichten die Experten an diesem Tag von Untersuchungen, die dies belegten. Eine Zwickmühle für die Hersteller, von denen oft die Lösung für eine zu kalorienreiche Ernährung der Verbraucher gefordert wird: Immer wieder zeige sich am Point-of-sale, dass süße-reduzierte Lebensmittel, die als ‚weniger süß‘ beworben werden, beim Verbraucher keine Akzeptanz finden, berichten Vertreter aus der Getränke- und Lebensmittelindustrie. Häufig müssen sie wieder vom Markt genommen werden, weil es hierfür keine Nachfrage gibt.

Für den Süßstoff-Verband kann es bei einem wirkungsvollen Vorgehen gegen Übergewicht jedoch ohnehin nicht um eine generelle Reduzierung von „Süße“ gehen: „In mit Süßstoff gesüßten Lebensmitteln geht die Kalorienreduktion nicht mit einem verringerten Süßgeschmack einher“, erklärt Anja Krumbe, Diplom-Ökotrophologin und verantwortlich für die Öffentlichkeitsarbeit des Süßstoff-Verbandes. „Süßstoffe sind per se kalorienfrei und seit Jahrzehnten eine bewährte Süße in Erfrischungsgetränken, Bonbons, Kaugummis, Brotaufstrichen und Soßen – vor allem in Produkten, in denen das Volumen, das der Zucker liefert, nicht benötigt wird oder nicht gewünscht ist. Obwohl es viele positive Studien zu Süßstoffen gibt, ist die Wahrnehmung in der Öffentlichkeit leider eine andere. Aus diesem Grund werden wir die direkte Verbraucherkommunikation im kommenden Jahr weiter intensivieren. Im Mittelpunkt stehen die gängigen Süßstoff-Mythen, über die wir die Verbraucher leicht verständlich und gleichzeitig wissenschaftlich fundiert aufklären werden.“

Neben der Verbraucherinformation und der Stärkung der Ernährungskompetenz ist es demnach mindestens so wichtig, die verantwortungsvolle Umsetzung des Ernährungswissens beim Verbraucher zu fördern und ihn dabei in seiner Lebensrealität abzuholen, so ein Resümee des Sweetcamps. Das Veranstaltungsformat hat an einem Tag viele spannende Themen zur Sprache gebracht, Fragen intensiv diskutiert und Experten in den Dialog und in Kontakt gebracht.

Veranstalter Danny Gandert, Vorstandsvorsitzender des Süßstoff-Verbands, zeigt sich am Abend zufrieden: „Unser Ziel war es, ein Veranstaltungsformat ins Leben zu rufen, das den Austausch der einzelnen Interessengruppen und Experten fördert und zulässt. Die regen Gespräche auf Augenhöhe, die Expertise auf den unterschiedlichen Gebieten und der respektvolle Umgang miteinander haben gezeigt, dass es bei uns um ein aktuelles, aber komplexes Thema geht, für das es keine einfache Lösung gibt – jedoch zahlreiche Akteure, die gewillt sind, ihr Wissen zu teilen, um  gemeinsam über Lösungsansätze nachzudenken.“

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