Rhabarbersaft als natürliches Antioxidationsmittel
ZHAW
Erstmals wurde Rhabarbersaft als natürliches Antioxidationsmittel bei der industriellen Verarbeitung von Früchten eingesetzt. ZHAW-Forschende haben gemeinsam mit dem Industriepartner Agrofrucht-Inn Apfelchips und tiefgefrorene Äpfel auf natürlicher Basis länger haltbar gemacht. Während die konventionell mit Ascorbinsäure behandelten Früchte bereits nach wenigen Stunden braun wurden, blieben die mit Rhabarbersaft behandelten Früchte dauerhaft vor Oxidation geschützt. «Das verschafft
der Industrie bei zeitkritischen Prozessen einen grossen Vorteil und macht Rhabarbersaft vor allem bei Convenience-Produkten, bei Trockenfrüchten, gefrorenen Früchten oder Fruchtsäften, aber auch bei Schnittsalat interessant», so ZHAW-Forscher Martin Häfele vom Institut für Lebensmittel- und Getränkeinnovation. Unterstützt wird das ZHAW-Projekt vom Verband Schweizer Gemüseproduzenten und vom Schweizer Obstverband.
Rhabarber entspricht dem Zeitgeist
Entdeckt wurde die antioxidative Wirkung von Rhabarbersaft bereits Mitte 1990er-Jahre. Denn Rhabarber haben einen hohen Oxalsäuregehalt, der vor Oxidation schützt. Am häufigsten werden zur Konservierung von Lebensmitteln Ascorbinsäure oder Schwefel eingesetzt. Das Verfahren mit dem Rhabarbersaft hingegen wurde bisher nie für die Praxis adaptiert. «Heutzutage entspricht jedoch Rhabarber als natürliches Antioxidationsmittel dem Zeitgeist», ist Häfele überzeugt. «Zudem ermöglicht eine komplette Wertschöpfung in der Schweiz neben dem ‹Clean Label› auch das Prädikat ‹Swissness›, und erhöht damit die Attraktivität.»
Die Rhabarberpflanze passt nämlich aufgrund ihrer Ansprüche an Boden und Klima gut in die Schweiz. Wegen des frühen Erntezeitpunktes von April bis Ende Juni kann ganz auf Pflanzenschutzmittel verzichtet werden. Mit bis zu 30 Tonnen pro Hektar Land ist bei Rhabarber-Stauden eine kostengünstige Produktion in biologischer Qualität möglich. Da für Bio-Produkte die Anwendung von Ascorbinsäure untersagt ist, bietet sich so eine natürliche Möglichkeit der Enzymkontrolle. Aber auch bei koscheren oder halal Produkten könnte Rhabarbersaft als Antioxidationsmittel eingesetzt werden.
Kostengründe als Hemmer
Weshalb Rhabarbersaft der Ascorbinsäure noch nicht den Rang abgelaufen hat, hat auch wirtschaftliche Gründe. Denn Ascorbinsäure ist in der Anwendung bedeutend günstiger als Rhabarbersaft. Um beispielsweise einen Liter Apfelsaft mit Ascorbinsäure vor Oxidation zu schützen, belaufen sich die Kosten auf einen Rappen für die Ascorbinsäure. Mit Rhabarbersaftkonzentrat kostet es 30 Mal mehr. Aus diesem Grund erforscht Martin Häfele mit einem Team der ZHAW-Forschungsgruppen Lebensmittel-Prozessentwicklung und Hortikultur nun verschiedene Rhabarbersorten bezüglich
Aroma, Ertrag und Oxalsäuregehalt. Bei den derzeit in der Schweiz angebauten Rhabarbersorten handelt es sich aufgrund ihrer Verwendung zum Direktverzehr ausschliesslich um Sorten, die auf einen niedrigen Gehalt an Oxalsäure selektioniert und gezüchtet wurden. Die Evaluation der Rhabarbersorten soll die wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit des neuen Antioxidationsmittels verbessern. Denn eine höhere Wirkstoffkonzentration von Oxalsäure im Rhabarbersaft verringert die benötigte Menge Konzentrat in der Verarbeitung und reduziert so Kosten.
Zuckerreduzierte Säfte
Neben der Anwendung als Antioxidationsmittel bietet sich Rhabarber – mit seinem frischen und fruchtigen Aroma – vor allem als Mischungspartner für Fruchtsäfte an. Wegen seines geringen Zuckergehalts von 10 bis 15 Gramm pro Liter kann so der Zuckergehalt im Endprodukt deutlich reduziert werden. Im Rahmen des ZHAW-Projekts werden deshalb auch die aromatischen Unterschiede der angebauten Sorten sensorisch und analytisch untersucht und die prozessbedingten Aromaveränderungen nachvollzogen. Einen mit Rhabarbersaft angereicherten Apfelsaft haben die ZHAW-Forschenden zu Testzwecken bereits produziert. «Unser Ziel ist es, Rhabarbersaft als biologisch und ökologisch sinnvolle Alternative zu den gängigen Antioxidationsmitteln bekannt zu machen und zu fördern», sagt Häfele.