DUH und foodsharing fordern verbindlichen Aktionsplan statt freiwilliger Konzernvereinbarungen

12.12.2018 - Deutschland

Deutsche Umwelthilfe und foodsharing stellen Aktionsplan gegen Lebensmittelverschwendung vor - Eckpunkte von Landwirtschaftsministerin Klöckner sind nicht ausreichend - Unternehmensspezifische Zwischenziele zur Reduzierung der Lebensmittelverschwendung bis 2030 nötig - Weitergabe überschüssiger Lebensmittel muss rechtlich abgesichert werden - Besseres Verständnis von Mindesthaltbarkeits- und Verbrauchsdatum erforderlich

Jedes Jahr landen in Deutschland 18 Millionen Tonnen und damit rund ein Drittel der erzeugten Lebensmittel im Müll. Dabei ließe sich über die Hälfte davon vermeiden. Deutschland hat sich dazu verpflichtet, die Lebensmittelabfälle von Einzelhandel und privaten Haushalten bis 2030 um die Hälfte zu reduzieren. Wie genau dieses Ziel erreicht werden kann, stellten die Deutsche Umwelthilfe (DUH) und foodsharing heute in Berlin mit einem gemeinsamen Aktionsplan anlässlich des sechsten foodsharing-Geburtstags am 12. Dezember vor.

Die beiden Vereine kritisieren die am 19. November 2018 von Bundeministerin für Ernährung und Landwirtschaft Julia Klöckner veröffentlichten Eckpunkte gegen die Lebensmittelverschwendung als unzureichend und zu wirtschaftsnah. DUH und foodsharing sehen in den vorgesehenen Unternehmensvereinbarungen den Versuch wirksame politische Maßnahmen zu verzögern. Die Vereine fordern eine Dokumentationspflicht von Lebensmittelverlusten entlang der Wertschöpfungskette und die Festlegung verbindlicher unternehmensspezifischer Zwischenziele zur Halbierung der Lebensmittelabfälle bis 2030. Es fehle auch ein Wegwerfstopp genießbarer Lebensmittel für Supermärkte, eine stärkere Aufklärung über Mindesthaltbarkeits- und Verbrauchsdatum sowie eine rechtliche Absicherung von Lebensmittelrettern.

"Für die Produktion weggeworfener Lebensmittel wird 20 Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche in Deutschland beansprucht und es kommt zu unnötigen Klimaemissionen von umgerechnet 48 Millionen Tonnen CO2 pro Jahr. Um diese enormen Umweltfolgen zu begrenzen, nahm sich Deutschland bereits 2015 die Halbierung der Lebensmittelabfälle bis 2030 vor. Dazu sind verbindliche, unternehmensspezifische Zwischenziele unverzichtbar. Doch bis heute gibt es solche Zielmarken für Landwirtschaft, Industrie, Handel und Großverbraucher nicht. Stattdessen vertraut Bundesministerin Julia Klöckner auf das Wohlwollen von Unternehmen durch freiwillige Vereinbarungen und verhindert so notwendige sowie schnelle positive Entwicklungen", kritisiert DUH-Bundesgeschäftsführer Sascha Müller-Kraenner.

"Um Zielmarken für die Unternehmen festlegen und überprüfen zu können, ist eine verlässliche Datengrundlage notwendig. Vom Landwirt bis zum Händler gibt es aber noch immer keine Pflicht, die Lebensmittelverluste genau zu erfassen und zu melden. Ohne Transparenz über die von den Unternehmen vernichteten Lebensmittel bleiben Reduktionsziele wirkungslos", sagt Philipp Sommer, Stellvertretender Leiter der DUH-Kreislaufwirtschaft. DUH und foodsharing fordern deshalb eine Dokumentationspflicht von entsorgten Lebensmitteln, bei der alle Verluste in Landwirtschaft, Industrie und Handel sowie bei Großverbrauchern erhoben werden.

"Seit sechs Jahren bewahren über 47.000 foodsharing-Freiwillige täglich tonnenweise gute Lebensmittel vor dem Müll und ergänzen damit die wichtige Arbeit der Tafeln. Wir haben die Wertschätzung von Lebensmitteln in die Öffentlichkeit gebracht und vielen Unternehmen Lösungen aufgezeigt. Allerdings wird das Retten von Lebensmitteln nach wie vor durch rechtliche Unsicherheiten erschwert. Dabei müsste es umgekehrt sein und die Weitergabe von Lebensmitteln aktiv unterstützt und gefördert werden", resümiert foodsharing-Vorstand Stefan Kreutzberger.

Initiativen und Organisationen, die sich für einen nachhaltigen Konsum und gegen Lebensmittelverschwendung einsetzen, sollten steuerlich und rechtlich gefördert und nicht schlechter gestellt werden, indem man sie zu Unrecht als Gewerbetreibende einstuft. Der Rechtsrahmen muss zudem endlich einen unkomplizierten Betrieb von Übergabestellen ermöglichen.

Mindesthaltbarkeitsdatum (MHD) und Verbrauchsdatum (VD) werden von einem großen Teil der Bevölkerung nicht richtig verstanden. In der Folge landen etwa 131.000 Tonnen Lebensmittel jedes Jahr unnötig im Müll. Deshalb ist eine bessere Erklärung des MHD auf der Verpackung und eine verstärkte Informationsarbeit erforderlich. "Handel und Produktion müssen durch Hinweise an Kühlregalen und auf Verpackungen Verbrauchende dazu animieren, selbstständig zu prüfen, ob Produkte noch genießbar sind. Wir sollten weniger den Angaben auf den Verpackungen und mehr unseren Sinnen vertrauen, um unnötige Verluste zu verhindern", sagt Nathalie Szycher, Beirätin bei foodsharing.

Immer öfter werden neuartige intelligente oder aktive Verpackungen als Lösung gegen die Lebensmittelverschwendung auf den Markt gebracht, die zum Teil kaum recyclingfähig sind. Intelligente Verpackungen zeigen die Haltbarkeit eines Produktes an, während aktive Verpackungen dessen Haltbarkeit verlängern, indem sie beispielsweise Feuchtigkeit oder Sauerstoff absorbieren. "Eine längere Haltbarkeit bedeutet jedoch nicht, dass weniger Lebensmittel weggeworfen werden. So hat sich die Menge an Plastikverpackungen in den letzten zehn Jahren um etwa ein Drittel erhöht, ohne dass dies die Lebensmittelverschwendung reduziert hätte. Anstelle von mehr Verpackungen bedarf es besserer politischer Rahmenbedingungen, um die Lebensmittelverschwendung zu reduzieren", sagt Sommer.

"Damit nicht länger essbare Lebensmittel aus dem Einzelhandel in großem Stil im Müll entsorgt werden, ist ein gesetzlicher Wegwerfstopp für Supermärkte nötig. Anstatt genießbare Lebensmittel zu vernichten, sollten Handelsketten diese kostenlos sozialen Trägern oder Initiativen gegen die Lebensmittelverschwendung zur Verfügung stellen", fordert Kreutzberger.

Mit dem durch die Nationale Klimaschutzinitiative (NKI) geförderten Projekt "MinusMethan" entwickelt die DUH gemeinsam mit Expertinnen und Experten aus Landwirtschaft und Klimaschutz einen Methan-Reduktionsplan für die deutsche Landwirtschaft und setzt dabei auch bei der Reduktion von Lebensmittelverschwendung an.

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