Quallen: Eine Delikatesse

06.03.2019 - Deutschland

Quallen gelten in der asiatischen Küche schon seit Jahrhunderten als Delikatesse. Ein Forscherteam um Prof. Thomas Vilgis (Arbeitskreis Prof. Kurt Kremer) des Max-Planck-Instituts für Polymerforschung (MPI-P) hat nun die genauen, auf einer molekularen Ebene ablaufenden Prozesse der traditionellen Zubereitungsmethode untersucht. In ihrer Forschung haben sie zusätzlich eine neue, bisher noch nicht genutzte Methode der Zubereitung entwickelt, die auf dem chemisch-physikalischen Verständnis der gelartigen Struktur von Quallen basiert.

MPI-P

Wissenschaftler der Universität von Süddänemark und des MPI-P haben die molekularen Prozesse bei der Zubereitung von Quallen untersucht

Quallen sind sogenannte wirbellose Lebewesen, die aus einer geleeartigen Masse bestehen, welche zwischen zwei diese Masse einschließenden Schichten angeordnet ist. Sowohl die gelartige Masse – das Mesogloea – als auch die als Epithel bezeichneten Schichten sind für den Menschen in ihrer natürlichen Form unverdaulich. Eine Umwandlung, wie es z. B. bei anderen Lebensmitteln durch Kochen oder Braten geschieht, ist bei Quallen nicht möglich, da z. B. das Kochen die Qualle nur in eine schleimige Masse verwandelt, während ein Trocknen sie zu einem Puder zerfallen lässt.

In einer intensiven wissenschaftlichen Zusammenarbeit haben Mie Thorborg Pedersen (Universität von Süddänemark, Odense) und Thomas Vilgis (MPI-P) die traditionelle asiatische Zubereitungsmethode der Qualle nun im Rahmen der Polymerphysik betrachtet. In dieser wird die Qualle für Monate in einer Salzmischung bestehend aus Kochsalz (Natriumchlorid) und Alaun – sogenanntem „Tonerdesalz“ – eingelegt. Dies führt am Ende zu einer knackigen Textur der Qualle und transformiert die eigentlich ungenießbare Mesogloea in essbares Material. „Wir konnten in unserer Forschung zeigen, dass beide Salze notwendig sind“, so Vilgis. „Nutzen wir nur eines, so schlägt die Zubereitung fehl.“ Dies führen die Forscher auf die Wechselwirkung der aus dem Salz stammenden Ionen Natrium und Aluminium mit den komplexen chemischen Strukturproteinen der Mesogloea zurück. Diese besteht größtenteils aus dem aus der Kosmetik bekannten Stoff „Collagen“ sowie „Elastin“. Beide sind auch im Bindegewebe (z. B. der Haut) vorhanden. Vilgis: „Wir führen die Zubereitungsmethode darauf zurück, dass Aluminium dreifach geladen auftritt, während Natrium nur einfach geladen vorliegt.“ Die einzelnen Moleküle der Qualle müssen während des Einlegens durch die Salze zusammengebunden und stabilisiert werden, um am Ende eine stabile und damit im kulinarischen Sinne „knackige Textur“ zu erhalten. Dies funktioniert nur durch große und mehrfach geladene Ionen – die elektromagnetische Kraft und Reichweite kleiner bzw. nur einfach geladener Ionen wie Natrium reicht nicht aus, um eine stabile Bindung zu erzeugen.

Durch die detaillierte Untersuchung der molekularen Struktur von Quallen konnten die Forscher um Vilgis ebenfalls eine neue und schnellere Zubereitungsmethode entwickeln, die nicht mehr – wie in der asiatischen Küche – ein mehrere Wochen dauerndes Einlegen benötigt. Das neue Verfahren basiert auf einer Betrachtung der Löslichkeit der einzelnen chemischen Bestandteile der Qualle in verschiedenen Flüssigkeiten. Die Qualle wird hierbei nicht mehr in Salz eingelegt, sondern wenige Tage mit Ethanol behandelt. Im Gegensatz zu Wasser lösen sich in Ethanol Proteine der Qualle, die in Wasser unlöslich sind. Diese sogenannten Mucoproteine und polare Polysaccharide (Vielfachzucker) bilden einen großen Teil der gelartigen Struktur der Qualle. Ein Lösen in Alkohol führt dazu, dass man ein elastisches, gummiartiges Gel erhält. „Von einem gastronomischen Standpunkt her gesehen erwarten wir, dass dies ein sehr interessantes Mundgefühl ergibt“, so Vilgis.

Die neue Präparationsmethode erlaubt es, die Qualle innerhalb von zwei Tagen zuzubereiten. Nach dem Trocknen und dem vollständigen Verflüchtigen des Alkohols verändert sich die Textur von gummiartig zu knusprig. Auf molekularer Ebene spricht man in diesem Fall von einem sogenannten „Glasübergang“, ganz wie bei vielen Polymermaterialien.

Die Ergebnisse der Wissenschaftler wurden jüngst in der renommierten Fachzeitschrift „International Journal of Gastronomy and Food Science“ veröffentlicht.

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