Kuhmanagement: Technik erobert die Ställe
Strichlisten über die Besuche der Kühe am Melkroboter muss er nicht führen. Das übernimmt der Computer - wie viele andere Tätigkeiten im Stall.
Rund 200 Holstein-Rinder besitzt Ochse. Sein Stall im nordhessischen Frankenberg gehört laut dem Bauernverband zu den modernsten in Hessen. Füttern, Gänge reinigen, die Gesundheit der Tiere und die Milchqualität überwachen - das machen Maschinen. Selbst die Streicheleinheiten werden durch einen Sensor gesteuert: Sobald eine Kuh an eine Säule mit zwei rotierenden Bürsten tritt, startet die Massage.
Früher sei das ein Anbindestall - dabei wurden Kühe fixiert - mit 20 Tieren und einer Melkmaschine gewesen, erinnert sich Ochses Ehefrau Susanne. 32 Jahre ist das her. Ochse übernahm den Hof von seinen Eltern und setzte auf moderne Technik. Dank Robotern, Computern und Sensoren kann sich die Familie mit einem Sohn und einem Auszubildenden allein um 200 Tiere kümmern.
Der Fortschritt ermöglicht, was früher Science-Fiction war: Die Gesundheit der Tiere wird unter anderem anhand der Kaubewegungen überwacht. Denn Kühe sind Wiederkäuer. Kaut eine Kuh weniger oder mehr als sonst, kann das auf Verdauungsprobleme hinweisen. "Es gibt dann einen Alarmbericht, in dem die Kuh steht", sagt Ochse. Er kann dann das Tier in Augenschein nehmen und beispielsweise Futter mit Mineralstoff ergänzen. Ausgewertet werden die Daten am Computer, aber selbst Handy und Tablet lassen sich mittlerweile als Arbeitsgerät für Landwirte verwenden.
Eine Quelle der Daten sind die Halsbänder der Kühe, die nicht nur optisch an Fitnesstracker erinnert, mit denen Sportler ihre Schrittzahl messen. "Letztendlich ist das nichts anderes", sagt Ochse. Die Bewegungsmuster der Kühe lassen auch Hinweise auf die Brunst zu: So wird eine Kuh automatisch am Melkroboter aussortiert, wenn sie paarungsbereit ist. "Wir müssen nicht mehr hinter den Tieren herlaufen."
Auch das Futter kommt aus der Maschine. "Man muss nur die Futterküche füllen", erklärt der Landwirt. Das bedeutet: Mais, Gras, Heu, Stroh und eine Ganzpflanzensilage - konserviertes Grünfuttermittel - werden in einen abgetrennten Bereich des Stalls gelegt. Die Art des Futters muss Ochse am Computer festlegen, den Rest macht die Maschine: Mit einem Greifarm werden die Zutaten geholt und in einem Behälter gemischt. Dieser fährt zu den Kühen und versorgt sie.
Dabei stieß der Fortschritt im Stall anfangs durchaus auf Skepsis: Die ersten Melkroboter beispielsweise kamen laut dem Hessischen Bauernverband vor 20 Jahren auf. "Damit hat man sich zunächst sehr schwer getan, in den ersten fünf bis zehn Jahren gab es vielleicht zehn Roboter in Hessen", schätzt Bernd Weber, Sprecher des Bauernverbands. Mittlerweile habe sich die Anzahl deutlich erhöht.
Heute seien die Bauern in Sachen Digitalisierung gut aufgestellt: "Wir brauchen uns nicht zu verstecken, speziell in der Milchtierhaltung", sagt Weber. Die Entwicklung hat auch
Schattenseiten: "Damit sind enorme Investitionen verbunden, das geht oft in die Millionen", sagt er. Bis die Betriebe solche Beträge erwirtschaftet hätten, vergingen Jahre. Und Landwirte bräuchten zur Kalkulation verlässliche Rahmenbedingungen. "Doch genau da hapert es", sagt Weber mit Blick auf die Debatte um das Tierwohllogo. Auch schnelles Internet auf dem Land sei wichtig für die neue Technik.
Landwirt Ochse betont, dass es seinen Tieren gut geht. Der entspannte Umgang der Kühe mit der Technik bestätigt das. Auch Tierschützer können dem technischen Fortschritt im Stall etwas abgewinnen, sehen aber Risiken. "Es gibt Erfindungen, die für die Tiere von Vorteil sind", sagt Frigga Wirths, Fachreferentin für Tiere in der Landwirtschaft beim Deutschen Tierschutzbund. Dazu gehöre der Melkroboter, der es den Kühen überlasse, zum Melken zu gehen. Melkt der Mensch, übertrage sich Stress schnell aufs Tier.
Auch Maschinen, die den Boden sauber hielten, und die Gesundheitskontrolle über Bewegungsmessungen seien sinnvoll. "Es gibt viele nette Sachen, die im Interesse der Tiere sind", erklärt Wirths.
Die Technik dürfe aber nicht die Betreuung durch den Menschen ersetzen. "Die Gefahr, die ich sehe, ist: Die Tierhalter sind nicht mehr im Stall, sondern sitzen am Computer und verlieren den Blick fürs Tier."
Hartmut Ochse ist vom Fortschritt überzeugt: "Die Technik, die es gibt, sollte man auch verwenden." Sie erleichtere einem Landwirt auf jeden Fall die Arbeit. Allerdings lässt sich nicht jede Tätigkeit automatisieren. Die Pflege der Boxen, in denen die Kühe stehen, ist beispielsweise immer noch Handarbeit. Kuhmist-Schippen muss man eben auch als High-Tech-Landwirt./geh/DP/nas (dpa)