Krabbenpulen per Ultraschall - Weg nach Marokko sparen

Wie kommt die Krabbe eigentlich aus der Schale?

06.05.2020 - Deutschland

Krümmung geradebiegen, Krabbe eindrehen, Panzer knacken - was mit den Händen nur etwas Fingerfertigkeit erfordert, kann so bisher keine Maschine leisten. Deshalb wird der Großteil der Nordseegarnelen nach Marokko gebracht, von Arbeiterinnen gepult und zurückgebracht. Eine Ingenieurin aus Ostfriesland will das ändern. Die Idee: Krabbenpulen mit Ultraschall.

PeterKraayvanger/ Pixabay

"Im Prinzip ist es wie das Zertrümmern von Nierensteinen beim Urologen. Man darf es sich genau so vorstellen", sagt Maschinenbauerin Christin Klever aus Großheide. Die akustischen Stoßwellen sollen die Panzer der in einem Becken schwimmenden Krabben aufbrechen. Die Erfindung der 33-Jährigen nahm ihren Anfang beim Besuch ihres damaligen Professors der Hochschule Karlsruhe und Kommilitonen in Klevers Heimat Ostfriesland. "Wir standen zusammen bei einem klassischen Krabbenbrötchen in Greetsiel und die Frage war:

Wie kommt die Krabbe eigentlich aus der Schale?" Erstaunen, als Klever vom Tausende Kilometer langen Umweg nach Marokko erzählte.

"Dann hat mein Professor gemeint: "Da muss es doch eine andere Möglichkeit geben.""

Aktuell offenbar nicht. Im Durchschnitt werden in Deutschland rund 12 000 Tonnen Nordseegarnelen pro Jahr angelandet - nach Angaben der Landwirtschaftskammer Niedersachsen gehen davon mehr als 90 Prozent zum Pulen nach Marokko und in geringem Umfang nach Polen.

Der Vater der Erfinderin, Günter Klever, ist gelernter Krabbenfischer. Er erinnert sich, dass in den 1960er Jahren die Fänge direkt an der Küste weiterverarbeitet wurden: "In jeder Fischerfamilie wurde gepult", sagt der 67-Jährige. Allerdings setzten Hygienevorschriften der Heimschälung ab Mitte der 1980er ein Ende.

Wegen geringer Lohnkosten wurde zunächst im Osten Europas entschält, 1991 entstanden die ersten Schälzentren in Marokko.

Unter Umwelt- und Verbraucherschützern sorgen die Transportwege immer wieder für Kritik. "Das ist letztendlich ein Nachhaltigkeitsirrsinn, die Krabben in einem Tiefkühllaster um die halbe Welt zu fahren", sagt Meeresschützer Kim Detloff vom Naturschutzbund (Nabu).

Schon lange wird an Pulmaschinen getüftelt. In Friedrichskoog (Schleswig-Holstein) und in Niedersachsen im Kreis Cuxhaven sind welche in Betrieb. "Mein Vater hat Jahrzehnte daran gearbeitet", sagt Frauke Fitter vom Alwin und Siegfried Kocken Krabbenhandel in Wurster Nordseeküste. Die Krabben werden zu einem Messer geführt und aufgeritzt. Ein Luftstoß pustet dann das Fleisch heraus. "Das klappt aber nicht immer." Denn Krabben sind verschieden groß, gekrümmt und hart - die Maschine kann sich nicht auf jede einzelne einstellen.

"Als Faustregel gilt, wenn man mit der Hand pult, hat man eine Ausbeute von 33 Prozent - zwei Drittel Schale und ein Drittel Fleisch. Bei der Maschine liegt die eher bei 25 Prozent", so Fitter.

Deshalb und wegen höherer Stromkosten und Löhne für Mitarbeiter, die zum Beispiel nachsortieren, sei das Pulen mit der Maschine in Deutschland teurer als der Weg über Nordafrika. "Im Großhandel wird unser Krabbenfleisch wenig nachgefragt, weil es zu teuer ist. Im Einzelhandel sind Kunden bereit, mehr zu bezahlen und ein frisches, regionales Produkt zu haben."

Christin Klever hat ihre Idee bisher noch zu keiner Maschine geformt. "Der Aufbau funktionierte im Labor, das muss jetzt verfeinert werden." Auch die 33-Jährige stellt das ungenormte Naturprodukt vor Herausforderungen: Welche Frequenz ist die richtige?

Braucht es mehrere Ultraschallquellen? Ein Prototyp für kleine Mengen soll nun gebaut werden und bis Ende des Jahres eine große Maschine.

"Wenn man an Marokko denkt, schafft eine Schälerin am Tag zehn Kilo und wir möchten diese zehn Kilo in der Stunde schaffen."/lvo/DP/jha (dpa)

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