Genetische Faktoren beeinflussen das Essverhalten
Unkontrollierte Naschen zwischen den Mahlzeiten ist ein häufiges Verhaltensmuster, das teilweise erblich ist
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Essgewohnheiten sind individuell verschieden und haben einen entscheidenden Einfluss auf das Körpergewicht. Wie weit diese erlernt werden oder ob genetische Prädispositionen dabei eine Rolle spielen, untersuchte nun ein Forschungsteam von der Abteilung für Epidemiologie am Zentrum für Public Health der MedUni Wien. Im Rahmen einer Kooperationsstudie mit der Universität Helsinki wurde Datenmaterial aus einer laufenden finnischen Kohortenstudie mit 4.036 Zwillingen im Alter von 31 bis 37 Jahren hinsichtlich genetischer Veranlagung, Essverhaltens, Body-Mass-Index und Taillenumfang ausgewertet.
Einerseits wurden Methoden der klassischen Zwilllingsforschung angewandt, in deren Rahmen empirische Untersuchungen zur Abklärung von genetischer Prägung und umweltbedingten Faktoren gemacht werden. Zum anderen wurden polygene Risikofaktoren berechnet, die auf neuesten genomweiten Assoziationsstudien beruhen. Bei dieser Methode wird das komplette Genom tausender Menschen nach Genvarianten durchsucht, um genetische Variationen, die mit einer bestimmten Krankheit assoziiert werden, zu finden. Heute sind bereits rund eine Million Genvarianten für Übergewicht bekannt, die das Forschungsteam zu einem genetischen „Risiko-Score“ zusammenfasste.
In Bogls Studie wurden für die Datenauswertung vier Verhaltensmuster des Essens identifiziert: „Snacking“, „unregelmäßiges und ungesundes Essen“, „restriktives Essen“ sowie das „emotionale Essverhalten“, die alle teilweise erblich waren. Das zeigte sich am deutlich ähnlicheren Essverhalten eineiiger Zwillingspaare im Gegensatz zu jenem von zweieiigen Zwillingspaaren. Als weiteres Resultat der Studie stellte sich heraus, dass genetische Risikofaktoren das Gewicht beeinflussen, indem sie das Essverhalten steuern. Das gilt insbesondere für das Verhaltensmuster „Snacking“, das sich durch ein „Überessen“ bzw. „nicht aufhören können“ charakterisiert, sowie dem Naschen zwischen den Mahlzeiten und auch abends.
Das Ergebnis der Studie bedeutet, dass Menschen mit entsprechender genetischer Veranlagung es deutlich schwerer haben, ihr Gewicht zu halten als jene ohne diese Prädisposition. Therapeutische Ansätze zur Vorbeugung von Übergewicht könnten daher von einem Ansatz zur Änderung von Essgewohnheiten, insbesondere bei PatientInnenen mit einem genetischen Risikoprofil, profitieren.
Bogl: „Diese Ergebnisse sollen nicht entmutigen, sondern aufzeigen, warum es manche Menschen schwerer haben ihr Gewicht zu halten als andere. Keinesfalls sind Gene aber deterministisch. Unsere Gene haben sich über Generationen hinweg kaum bis gar nicht verändert, und dennoch gibt es in Europa immer mehr Menschen mit Übergewicht und Adipositas. Mit einer ausgewogenen Ernährung, körperlicher Bewegung sowie mit ausreichend Schlaf kann man gegen die Genetik ankämpfen. Es gibt Studien, die zeigen, dass Schlafmangel zu hormonellen Veränderungen führt, die den Appetit anregen“.