Ernährung und Schlaganfallrisiko

Weniger Eier, weniger Hirnblutungen. Weniger rotes Fleisch, weniger Hirninfarkte?

26.08.2020 - Deutschland

Vollkornprodukte, Obst und Gemüse, Nüsse und Samen, Käse und Molkereiprodukte schützen vor Hirninfarkten, der Verzehr von rotem und verarbeitetem Fleisch hingegen erhöht (möglicherweise) das Risiko. Und: Ein hoher Ei-Konsum kann das Risiko für Hirnblutungen begünstigen – so lassen sich die Ergebnisse der Auswertung einer großen europäischen Kohortenstudie zusammenfassen [1]. Wahrscheinlich ist, dass diese Effekte blutdruck- und blutfettvermittelt sind. Die Frage, ob die Ernährung auch noch einen bedeutsamen Einfluss hat, wenn Blutdruck und Blutfette medikamentös kontrolliert werden, kann diese Studie allerdings nicht beantworten.

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Laut Angaben des Robert Koch-Instituts ist der Schlaganfall die dritthäufigste Todesursache in Deutschland und der häufigste Grund für bleibende Behinderungen bei Erwachsenen [2]. Eine große europäische Studie analysierte nun, inwieweit Ernährungsgewohnheiten auf das Schlaganfallrisiko Einfluss nehmen. Das Neue dabei: Die Studie wertete die diätetischen Risikofaktoren nicht nur für das Schlaganfallrisiko insgesamt aus, sondern differenzierte zwischen ischämischen und hämorrhagischen Schlaganfällen. Wie sich zeigte, unterschieden sich die ernährungsbedingten Risikofaktoren zwischen den beiden Schlaganfallarten.

„Im Prinzip ist das nicht verwunderlich, denn beide Schlaganfallarten haben einen unterschiedlichen Pathomechanismus, also unterschiedliche Entstehungsursachen, auch wenn am Ende das klinische Bild sehr ähnlich ist“, erklärt Professor Dr. Wolf-Rüdiger Schäbitz, Pressesprecher der Deutschen Schlaganfall-Gesellschaft (DSG). Vier von fünf Schlaganfällen sind ischämischer Natur, das heißt, es kommt durch den Verschluss oder die Verengung eines hirnversorgenden Blutgefäßes zur Minderversorgung eines Hirnareals mit Sauer- und Nährstoffen. Diese Schlaganfälle werden auch „Hirninfarkt“ genannt. Neben den ischämischen Schlaganfällen gibt es die hämorrhagischen Schlaganfälle, auch Hirnblutungen genannt, die nur etwa einen Anteil von knapp 20% ausmachen. Das Platzen eines Blutgefäßes im Gehirn führt dazu, dass das dahinterliegende Hirngewebe nicht mehr mit Sauer- und Nährstoffen versorgt wird, außerdem kann das austretende Blut Druck auf das umliegende Hirngewebe ausüben und es zusätzlich schädigen. Ob hämorrhagisch oder ischämisch: Bei einem Schlaganfall kommt es häufig zu neurologischen Ausfällen wie etwa Lähmungserscheinungen, Gefühlsstörungen und Sprachstörungen, wenn nicht sofort gehandelt wird. „Gerade, weil der Schlaganfall nach wie vor eine der Haupttodesursachen in Europa ist, hat die Prävention einen besonders hohen Stellenwert.“

Die Studie [1], die im European Heart Journal publiziert wurde, analysierte u.a. soziodemographische Faktoren, Ernährungsgewohnheiten und Lebensstil einer Kohorte von fast 420.000 Menschen in neun europäischen Ländern (Dänemark, Deutschland, Griechenland, Italien, Niederlande, Norwegen, Spanien, Schweden und Vereinigtes Königreich). Diese Kohorte wurde in den Jahren 1992 und 2000 im Rahmen der „European Prospective Investigation into Cancer and Nutrition“ (EPIC)-Studie rekrutiert. Nach einem mittleren Follow-up von 12,7 Jahren waren insgesamt 4.281 ischämische und 1.430 hämorrhagische Schlaganfälle aufgetreten. Die demographische Analyse zeigte, dass die Betroffenen insgesamt älter waren als die übrigen Studienteilnehmer, ein etwas höheres Körpergewicht hatten, häufiger starke Raucher gewesen waren und im Durchschnitt auch etwas mehr Alkohol tranken.

Besonders aufschlussreich war die Analyse der Ernährungsgewohnheiten. Teilnehmer, die einen ischämischen Schlaganfall erlitten, hatten mehr rotes und verarbeitetes Fleisch konsumiert, aber weniger Vollkornprodukte, Obst und Gemüse, Nüsse und Samen, auch weniger Käse und Molkereiprodukte. Das höhere Risiko, das durch einen erhöhten Verzehr an rotem und verarbeiteten Fleisch (definiert als über 50 g/Tag) in der multivariaten Analyse beobachtet wurde, verringerte sich, wenn gegen andere Lebensmittel adjustiert wurde. Der negative Effekt des Fleisches konnte also beispielsweise durch eine vollkornreiche Kost ausgeglichen werden. Die positiven Effekte von Vollkornprodukten, Obst und Gemüse, Nüssen und Samen, Käse und Molkereiprodukten blieben in allen Analysen stabil. „Fazit der Studie in Bezug auf den ischämischen Schlaganfall ist also, dass man sein persönliches Erkrankungsrisiko durch Obst, Gemüse und eine vollkornreiche Kost senken kann“, erklärt Prof. Hans-Christoph Diener, Pressesprecher der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN). „Auf das Risiko für Hirnblutungen scheinen diese Ernährungsfaktoren hingegen keinen schützenden Einfluss zu haben.“ Denn die vorliegende Auswertung zeigte, dass lediglich der Konsum von Eiern das Risiko für hämorrhagische Schlaganfälle nennenswert erhöhte – das Risiko stieg pro 20 g/Tag um den Faktor 1,25 an –, ansonsten hatte aber kein Ernährungsfaktor einen signifikant schädigenden oder schützenden Effekt.

Wie die Studienautoren ausführen, waren die positiven und negativen Effekte, die durch die Ernährung erzielt wurden, wahrscheinlich keine direkten Effekte, sondern blutdruck- und/oder blutfettvermittelt. Es ist bekannt, dass die Nahrungsmittel, die vor einem ischämischen Schlaganfall schützten, den Blutdruck senken. Rotes und verarbeitetes Fleisch und Eier hingegen erhöhen den Blutdruck sowie das Gesamtcholesterin. „Wir wissen, dass eine gesunde Ernährung den beiden Hauptrisikofaktoren des Schlaganfalls, Hypertonie und Hyperlipidämie, vorbeugt und somit in jedem Fall sinnvoll ist – allerdings bleibt die Frage unbeantwortet, ob z.B. der Konsum von Eiern auch zu mehr Hirnblutungen führt, wenn der Blutdruck und die Fettwerte medikamentös kontrolliert werden, d.h. ob Ernährungsfaktoren zusätzliche, direkte Effekte auf das Schlaganfallrisiko haben“, so das Fazit des DGN-Pressesprechers.

Literatur
[1] Tammy Y N Tong, Paul N Appleby, Timothy J Key et al. The associations of major foods and fibre with risks of ischaemic and haemorrhagic stroke: a prospective study of 418 329 participants in the EPIC cohort across nine European countries. Eur Heart J. 2020 Jul 21;41(28):2632-2640.
[2] Robert Koch-Institut. Gesundheitsmonitoring.

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