Die Mehrweg-Allianz, bestehend aus der Deutschen Umwelthilfe (DUH), dem Verband Private Brauereien Deutschland und dem Verband Pro Mehrweg, erinnert Handel und Getränkeindustrie, dass sie nur noch 15 Monate haben, um die im Verpackungsgesetz festgeschriebene Mehrwegquote von 70 Prozent zu erreichen. Die Mehrweg-Allianz zeigt sich zuversichtlich, dass im Falle einer deutlichen Unterschreitung die dann bestehende Bundesregierung einen Beschluss des Deutschen Bundestages aus dem Frühjahr 2017 konsequent umsetzen wird. Das hätte weitere Maßnahmen zur Erreichung der Mehrwegquote zur Folge, wie eine Lenkungsabgabe von 20 Cent pro Plastikflasche bzw. Getränkedose.
Auch aufgrund immer neuer Plastikgetränke-Sonderaktionen liegt die Mehrwegquote aktuell bei 43 Prozent und damit weit unter der gesetzlichen Schutzquote. In der vergangenen Woche haben nun einwegorientierte Wirtschaftsverbände die absurde Forderung aufgestellt, den gesetzlich wie europarechtlich festgeschriebenen besonderen Schutz für Mehrweg zu beenden und Plastik-Einwegflaschen sowie Getränkedosen als ‚ökologisch gleichwertig’ zu betrachten.
„Weil sich Verbraucherinnen und Verbraucher zunehmend für regionale Getränke in Mehrwegflaschen entscheiden und große Abfüller von Einweg-Plastikflaschen deutlich an Marktanteilen verlieren, scheinen einwegorientierte Wirtschaftsverbände nervös zu werden. Deshalb werden Scheindebatten über die ökologische Vorteilhaftigkeit von Mehrweg gegenüber Einweg angestoßen, die der Faktenlage widersprechen. Der Einsatz von Recyclingmaterial in Einweg-Plastikflaschen oder Dosen führt nicht zu einer ökologischen Gleichwertigkeit mit Mehrweg. Zur Produktion von Glas-Mehrwegflaschen wird mehr als doppelt so viel Recyclingmaterial eingesetzt wie bei PET-Einwegflaschen. Mehrweg und Recycling ist besser als Einweg und Recycling. Es geht um den Schutz des weltweit größten Mehrwegsystems, das unter Dauerbeschuss von Großkonzernen wie Coca-Cola, Nestle, Danone, Aldi und Lidl steht“, sagt die Stellvertretende DUH-Bundesgeschäftsführerin Barbara Metz.
Alle auf wissenschaftlichen Grundlagen erstellten Ökobilanzen belegen Umwelt- und Klimavorteile von Mehrweg- gegenüber Einweggetränkeverpackungen. Zudem sind sowohl in der europäischen Abfallgesetzgebung als auch im nationalen Kreislaufwirtschaftsgesetz der prioritäre Schutz von Mehrweg und die Nachrangigkeit von Einweg-Plastikflaschen und Getränkedosen festgeschrieben: Die gesetzliche Abfallhierarchie besagt, dass Verpackungen in erster Linie vermieden und wiederverwendet werden sollen.
Die Mehrweg-Allianz nimmt die Kampfansage des Handelsverbands Deutschland (HDE) und einwegorientierter Wirtschaftsverbände zum Anlass, die im Bundestag vertretenen Parteien daran zu erinnern, dass sich Millionen Tonnen CO2 durch eine konsequente Abfallvermeidung und Förderung von Mehrwegsystemen gerade auch im Getränkebereich einsparen lassen. Aus diesem Grund fordert die DUH Bundesumweltministerin Svenja Schulze dazu auf, die im Verpackungsgesetz festgelegte Mehrwegzielquote von 70 Prozent gerade gegenüber den Discountern und den im HDE vertretenen Handelsunternehmen sowie Getränkeabfüllern durchzusetzen. Schon jetzt sind die vom Bundestag geforderten erweiterten Mehrweg-Schutzmaßnahmen vorzubereiten, wie eine Lenkungsabgabe von 20 Cent auf Einwegflaschen und Dosen zusätzlich zum Pfand ab dem 1. Januar 2022.
„Eine ökologische Gleichsetzung von Einweg- und Mehrweggetränkeverpackungen widerspricht eindeutig unionsrechtlichen Vorgaben der europäischen Abfallrichtlinie und den Zielsetzungen des deutschen Kreislaufwirtschaftsgesetzes. Abfälle sind in erster Linie zu vermeiden und Verpackungen wiederzuverwenden. Erst wenn diese beiden Optionen nicht möglich sind, kommt das Recycling überhaupt ins Spiel. Bei Getränkeverpackungen haben wir ein gut funktionierendes Mehrwegsystem, dem gegenüber Einweg auch durch gesetzliche Maßnahmen Priorität eingeräumt werden muss. Nur so lassen sich die immer größer werdenden Abfallmengen verringern“, sagt der Geschäftsführer des Verbandes Private Brauereien Deutschland Roland Demleitner.
„Eine konsequente Mehrwegförderung kann nicht infrage gestellt werden, schon allein wegen der mit dem Mehrwegsystem verbundenen 150.000 grünen Arbeitsplätze. Aber auch, weil Mehrweg aus ökologischer Sicht Einweg um Längen schlägt, und zudem im Verpackungsgesetz eine Mehrwegzielquote festgelegt wurde, um das Prinzip der Abfallvermeidung umzusetzen. Mit der Forderung nach einer Gleichstellung von Einweg und Mehrweg stellen sich die Wirtschaftsverbände der alkoholfreien Getränkeindustrie und der HDE gegen den ausdrücklichen politischen Willen, Abfälle zu vermeiden und Verpackungen wiederzuverwenden. Anstatt wichtige umweltpolitische Ziele zu konterkarieren und so den Status Quo zu zementieren, sollten die Wirtschaftsverbände der alkoholfreien Getränkeindustrie und der HDE zukunftsorientiert den Mehrweganteil konsequent erhöhen“, fordert der Geschäftsführende Vorstand des Verbandes zur Förderung von Mehrwegverpackungen Pro Mehrweg Günther Guder.
„Im Mehrwegbereich werden ständig Innovationen umgesetzt. Neben der Gewichtsoptimierung von Mehrwegflaschen bei gleicher Umlaufhäufigkeit, wird der Wasserverbrauch bei Spülprozessen verringert, die Waschtemperaturen und der Laugeneinsatz gesenkt, sowie Logistikprozesse durch Digitalisierung effizienter gestaltet. Für PET-Mehrwegflaschen können inzwischen 30 bis 50 Prozent Recyclingkunststoff eingesetzt werden. Das ist ein Quantensprung, welcher die Ökobilanz von Mehrweg deutlich verbessert. Dadurch hält Mehrweg seinen ökologischen Vorsprung auf Einweg nicht nur aufrecht, sondern kann diesen sogar noch ausbauen“, erklärt der DUH-Leiter für KreislaufwirtschaftThomas Fischer.
Mehrweg-Allianz fordert ab 2022 zusätzliche Lenkungsabgabe von 20 Cent auf klimaschädliche Getränkedosen und Einweg-Plastikflaschen
DUH
Hintergrund:
Die Wiederbefüllung von Mehrwegflaschen spart im Vergleich zur ständigen Neuherstellung von Einwegverpackungen erhebliche Mengen an Ressourcen, Energie und Treibhausgasemissionen ein. Würde man alle alkoholfreien Getränke ausschließlich in Mehrweg- statt in Einwegflaschen abfüllen, dann ließen sich jedes Jahr 1,4 Millionen Tonnen CO2 einsparen.