Klimafolgen der Lebensmittelproduktion
Starke Preisverzerrungen - und Handlungsoptionen
Klaus Prem/ University of Augsburg
Mit einem globalen Emissionsanteil von 24% ist die Landwirtschaft eine der Hauptquellen der vom Menschen verursachten Treibhausgase. Bereits diese Zahl macht deutlich, wie groß der Anpassungsbedarf, aber auch das Potenzial des primären Sektors zur Erreichung des Klimaziels des ‚Paris Agreement‘ ist, die Erderwärmung auf einem Niveau von deutlich unter 2 °C zu halten. Auch der ‚European Green Deal‘, der vorsieht, die Netto-Emissionen von Treibhausgasen der Europäischen Union bis 2050 auf null zu reduzieren, lässt sich nur unter Einbeziehung der Landwirtschaft verwirklichen.
Eine neu erschienene Studie Augsburger Wissenschaftler zeichnet nun ein differenziertes Bild landwirtschaftlicher Treibhausgasemissionen. Für unterschiedliche Anbau- bzw. Haltungsformen ermittelt sie, an welchen Stellen der Lebensmittelproduktion welche Emissionen auftreten und ordnet diese unterschiedlichen Lebensmitteln verursachergerecht zu. Neben Kohlenstoffdioxid- beziehen die Autoren auch Lachgas- und Methanemissionen sowie die klimatischen Auswirkungen der Landnutzungsänderung in ihre Berechnungen ein. Aus der Landnutzungsänderung (engl. land use change) resultierende Klimafolgen ergeben sich primär aus der Trockenlegung von Mooren sowie der Abholzung von Regenwaldflächen, die dann zur Produktion von Tierfutter genutzt werden.
Um das Ausmaß dieser Klimaschäden zu verdeutlichen, erfolgt neben der Ermittlung der Emissionsmengen auch deren Monetarisierung, also eine Umrechnung in lebensmittelspezifische Folgekosten. In einem letzten Schritt setzen die Autoren diese Folgekosten in Bezug zu den aktuell am Markt beobachtbaren Lebensmittelpreisen.
Deutliche Unterschiede zwischen verschiedenen Lebensmittelgruppen
Sie weisen in ihrer Publikation nach, dass insbesondere konventionell hergestellte Lebensmittel tierischen Ursprungs deutlich teurer werden müssten, wenn die aus der Produktion resultierenden Klimafolgen verursachergerecht auf dem Preis aufgeschlagen werden würden. Eigentlich müssten Milchprodukte um 91% teurer sein, als dies heute der Fall ist. Fleischprodukte müssten –Klimakosten inklusive – sogar um 146% teurer werden. Beim Vergleich der Anbauformen zeigt sich, dass die Emissionsmengen der biologischen Landwirtschaft ertragsbereinigt leicht unter der konventionellen Produktionsweise liegen. Aufgrund des höheren Preisniveaus von Biolebensmitteln resultieren hieraus jedoch geringere Preisaufschläge von 40% für Biomilchprodukte und 71% für Bio-Fleisch. Lebensmittel pflanzlichen Ursprungs sind mit einem relativ geringen „Klimarucksack“ assoziiert, der sich in beiden Anbauformen im einstelligen Cent-Bereich bewegt.
„Uns selbst überrascht hat der große Unterschied zwischen den untersuchten Lebensmittelgruppen und die daraus resultierende Fehlbepreisung insbesondere tierischer Lebensmittel“, berichtet TobiasGaugler über die Ergebnisse. „Würden diese Marktfehler nicht mehr bestehen oder zumindest verringert, hätte dies große Auswirkungen auch auf die Nachfrage nach Lebensmitteln. Ein Lebensmittel, das deutlich teurer wird, wird auch deutlich weniger nachgefragt“, ergänzt Co-Autorin Amelie Michalke.
Implikationen für Konsumentinnen/Konsumenten und die Wirtschaftspolitik
Die aktuelle Studie bezieht sich primär auf Klimafolgen, die aus der Produktion und dem Konsum von Lebensmitteln resultieren. In weiteren Schritten wollen die AutorInnen nun weitere landwirtschaftliche Umweltfolgen untersuchen, die u.a. aus der Emission von reaktiven Stickstoffverbindungen oder dem Energiebedarf des Agrarsektors stammen. „Hierbei sehen wir unsere Aufgabe als WissenschaftlerInnen primär darin, Daten und Informationen über die Klimawirkung von Lebensmitteln zur Verfügung zu stellen. Auf dieser Basis können und – wenn ich es mit einem gewissen Normativitätsanspruch der Nachhaltigkeitswissenschaften so sagen darf – sollten sowohl BürgerInnen als auch ordnungspolitische Akteure ihr Handeln ausrichten“, resümiert Gaugler.
Das Autorenteam setzt sich aus den beiden Augsburger Wirtschaftsingenieuren Maximilian Pieper (studiert aktuell an der TU München) und Amelie Michalke (Gastwissenschaflerin an der Universität Augsburg sowie Doktorandin an der Universität Greifswald) sowie dem Wirtschaftswissenschaftler und Nachhaltigkeitsforscher Tobias Gaugler zusammen. Tobias Gaugler ist als wissenschaftlicher Assistent am Institut für Materials Resource Management (MRM) der Mathematisch-Naturwissenschaftlich-Technischen Fakultät der Universität Augsburg tätig.