Luftdichte Maissäcke gegen Hunger während der Covid-Pandemie
Michael Brander / ETH Zürich
Für viele Kleinbauern südlich der Sahara wird es gegen Ende der sogenannten Magersaison prekär. Das ist die Zeit, wenn die letzte Ernte schon länger zurückliegt, die nächste aber erst bevorsteht. Die Vorräte gehen zur Neige - nicht nur weil sie verzehrt werden, sondern auch durch Schädlinge. Im Westen Kenias, wo überwiegend Mais angebaut und auf dem eigenen Hof gelagert wird, verdirbt rund ein Viertel der ganzen Ernte auf diese Weise. Zieht sich die Magersaison in die Länge, schnellen die Lebensmittelpreise in die Höhe. Es droht Hunger.
Offensichtlich könnte eine verbesserte Lagerung der Ernte die Nahrungsmittelsicherheit verbessern. In einem mehrjährigen Forschungsprojekt der ETH Zürich, der Universität Zürich und dem kenianischen Forschungsinstitut icipe wird zurzeit untersucht, was sich durch den Einsatz neuer Technologien ändert. Dabei erhielten einige Tausend Kleinbauern-Haushalte Ende 2019 luftdicht verschliessbare Vorratssäcke, die Pilzbefall verhindern sollen, sowie Schulungen durch das Forschungsteam. Eine Kontrollgruppe lagerte den Mais weiterhin in herkömmlichen Polypropylen-Säcken. Speziell ist die verwendete Umfragemethode. Da Kenia wie viele afrikanische Länder eine sehr hohe Handy-Durchdringung hat, können die Bauern in kurzen Zeitabständen regelmässig per SMS zu ihrer Nahrungsmittelsituation befragt werden.
Resistenter gegen den Covid-Schock
In den technologisch aufgerüsteten Bauerndörfern wurden nach dem Ausbruch der Covid-Pandemie weniger knapp als in jenen der Kontrollgruppe. Denn Covid-19 und die damit verbundenen Restriktionen stellten für Subsahara-Afrika einen ökonomischen Schock dar. Die Regierung schloss Marktplätze, beschränkte die Mobilität der Bevölkerung, und die Kinder wurden in den Schulen nicht mehr gratis verpflegt.
Die in der Fachzeitschrift «Global Food Security» vorab veröffentlichte Studie zeigt, dass eine konsequente Verwendung hermetisch dichter Vorratssäcke die Landbevölkerung deutlich krisenresistenter gemacht hätte. In der untersuchten kenianischen Provinz mit 1,6 Millionen Einwohnern waren bereits vor dem Ausbruch der Pandemie rund 600'000 Personen von Nahrungsmittelunsicherheit betroffen, gemäss einer Hochrechnung der Untersuchungsergebnisse. Durch das Virus kamen 120'000 Menschen dazu. Hätten die Bauern in der ganzen Provinz konsequent hermetisch dichte Vorratssäcke verwendet, wären es 70'000 Menschen weniger gewesen.
Das Forschungsteam wird unter anderem von der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA) und ETH for Development (ETH4D) unterstützt. Der am Projekt beteiligte ETH-Politikwissenschafter Thomas Bernauer erklärt, die Forschung habe im Kampf gegen den Hunger bisher vor allem bei der Produktion angesetzt, also bei der Steigerung der Ernteerträge. Die Untersuchung in Kenia zeige, dass auch in der Phase nach der Ernte viel Potenzial liege. Eine weitere Erkenntnis sei, dass auch der Einsatz günstiger Technologien viel zur Ernährungssicherheit beitrage, und dies selbst unter extremen Bedingungen wie nach dem Ausbruch der Pandemie.
Deutlich effizienter als finanzielle Unterstützung
Pro Haushalt kosten die luftdichten Vorratssäcke inklusive Schulung nämlich nur rund 20 Dollar. Das ist erheblich weniger als eine direkte finanzielle Unterstützung, wie der Vergleich mit einer anderen Studie aus Kenia zeigt. Bei dieser wurde eine zufällige Auswahl von Kleinbauernhaushalten pauschal mit 500 US-Dollar unterstützt. Die Wahrscheinlichkeit, dass sie von Nahrungsmittelunsicherheit betroffen waren, sank dadurch um etwa 5 bis 10 Prozentpunkte. Das ist ähnlich viel wie bei den Empfängern der hermetischen Säcke, aber zu deutlich höheren Kosten.
Neben den epidemiologischen Risiken, zu denen nebst Covid-19 in jüngster Zeit auch Ebola zählte, bedroht auch der Klimawandel die Ernährungssicherheit südlich der Sahara. Die laufende Untersuchung in Kenia zeigt, dass mit einer besseren Technologie ausgestattete Haushalte deutlich weniger Nachernteverluste erleiden und damit auch resistenter gegen klimainduzierte Nahrungsmittelkrisen sind.
Weshalb braucht es ein ETH-Projekt, damit kenianische Bauern ihren Mais in luftdichten Säcken zu lagern beginnen? Thomas Bernauer vermutet, dass auch bei einem trivialen Technologiesprung zuerst ein Adaptionsprozess in Gang kommen müsste, eventuell durch Informationskampagnen oder Anschubfinanzierungen. Das sei aber nicht Teil dieses Forschungsprojekts. Jedoch haben die Welternährungsorganisation FAO und das Welternährungsprogramm der Uno starkes Interesse an den Ergebnissen gezeigt.
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