Lebensmittelindustrie: Zulieferer brauchen dringend treffsicheren und gerechten Ausgleich
Schließung von Gastronomie, Tourismus und Events setzt Zulieferern massiv zu – gleiches Modell wie in der Landwirtschaft gefordert
"Der Lockdown in Gastronomie, Hotellerie, Gemeinschaftsverpflegung und Eventbranche bringt immer mehr Zulieferer aus der Lebensmittelindustrie in wirtschaftliche Nöte. Denn viele dieser Betriebe sind von ihren Lebensmittellieferungen in diese Branchen abhängig. Die Bundesregierung hat dankenswerterweise Hilfen zugesagt. Diese haben sich aber als nicht geeignet herausgestellt. Wir brauchen daher eine treffsichere Lösung wie für Zulieferer aus der Landwirtschaft auch für unsere Branche"
, fordert Mag. Katharina Koßdorff, Geschäftsführerin des Fachverbands der Lebensmittelindustrie.
Bild von Steve Buissinne auf Pixabay
Nicht alle Lebensmittelhersteller haben alternative Absatzschienen, etwa über den Lebensmitteleinzelhandel, welche die Verluste zu einem Teil ausgleichen könnten. Im Gegenteil, die Gastronomiesparte ist oft ein ganz zentrales wirtschaftliches Standbein und damit für die Lebensmittelhersteller besonders wichtig. Als Teil der kritischen Infrastruktur leistet die Lebensmittelindustrie einen wichtigen Beitrag zur Versorgung der Bevölkerung in Österreich.
Die jüngste Umfrage des Fachverbands zeigt, dass betroffene Zulieferer die aktuell vorliegenden Kriterien "40 % Umsatzeinbruch" plus "50 % Umsatzzusammenhang mit direkt betroffenen Betrieben" kaum erfüllen können. Die hohe Fixkostenbelastung und der intensive Wareneinsatz in der Industrie erfordern deutlich tiefere Schwellenwerte, weil bereits Umsatzeinbrüche von mehr als 20 % für viele Unternehmen nicht mehr verkraftbar sind. Um die Treffsicherheit der Hilfen zu erhöhen, sollte daher für die Bewertung der wirtschaftlichen Betroffenheit der Zulieferer aus der Lebensmittelindustrie nicht der Rückgang des "Umsatzes", sondern vielmehr jener des "Deckungsbeitrags" herangezogen werden.
"Für die Landwirtschaft wurde ein Hilfspaket auf den Weg gebracht, das den landwirtschaftlichen Zulieferbetrieben die Möglichkeit gibt, ab einem Verlust von zumindest 30 % des Deckungsbeitrags Unterstützung zu bekommen. Das sollte in gleicher Form auch den Zulieferbetrieben aus der Lebensmittelindustrie zur Verfügung stehen, da der Sachverhalt derselbe ist"
, betont Koßdorff.
Auch der hohe Exportanteil und die damit verbundenen Probleme vieler Lebensmittelhersteller im Ausland werden mit dem derzeitigen Umsatzersatz für Zulieferer nicht berücksichtigt. Der Ausfall von Geschäftsaktivitäten, welche im Normalfall mit Großhändlern und der Gastronomie in den Anrainerstaaten betrieben werden, führt ebenfalls zu Umsatzrückgängen in den österreichischen Produktionsstätten. Zudem ist für Hersteller von Lebensmitteln auch der Wareneinsatz zentral, da mit oftmals leicht verderblichen Rohstoffen gearbeitet wird.
Die Betroffenheit ist groß
Durch das Zusperren von Gastronomie und Hotellerie und das Absagen von Events fehlt den Zulieferern aus der Lebensmittelindustrie das wichtige Wintergeschäft, die Ballsaison, Faschings- und Kulturveranstaltungen, Sportereignisse mit Publikumsbeteiligung sowie der Skitourismus. Das trifft viele Lebensmittelhersteller und ihre Produkte, die nun in den Verpflegungs- und Tourismuseinrichtungen wie Gaststätten, Hotels, Schihütten, Bars keinen Absatz finden, etwa bei Getränken (Bier, Sekt, Erfrischungsgetränke, Heißgetränke wie Tee, Kaffee oder Spirituosen), Süßwaren und Fertiggerichten (z. B. Mehlspeisen, Fleischwaren) oder Beilagen in Großgebinden (z. B. Pommes Frites, andere Kartoffelprodukte, Gemüsemischungen, Suppeneinlagen, Teigwaren). Hinzu kommt, dass für Gastronomie, Hotellerie und Gemeinschaftsverpflegung andere Verpackungsgrößen benötigt werden (z. B. Fässer für Bier, Großgebinde für Tiefkühlprodukte). Ein ersatzweiser Verkauf im Lebensmitteleinzelhandel ist nicht möglich, da dort Haushaltspackungen nachgefragt werden.
Koßdorff appelliert an die Politik: "Die betroffenen Unternehmen aus der Lebensmittelindustrie benötigen jetzt dringend eine vergleichbare wirtschaftliche Unterstützung wie die der landwirtschaftlichen Zulieferbetriebe, damit die Jobs und die Wertschöpfung für Österreich erhalten bleiben können."