Reispflanze trotzt Arsen

Deutsch-chinesisches Forschungsteam entdeckt Pflanzenvariante, die den Giftstoff weitgehend neutralisiert

04.03.2021 - Deutschland

Der landwirtschaftliche Anbau des Grundnahrungsmittels Reis birgt das Risiko einer möglichen Belastung mit Arsen, das über die Wurzeln in die Körner gelangen kann. Ein deutsch-chinesisches Forschungskonsortium unter der Leitung von Prof. Dr. Rüdiger Hell vom Centre for Organismal Studies (COS) der Universität Heidelberg und Prof. Dr. Fang-Jie Zhao von der Landwirtschaftlichen Universität Nanjing (China) hat nun bei der Untersuchung von über 4.000 Reisvarianten eine Pflanze entdeckt, die dem Giftstoff trotzt. Obwohl sie auf arsenbelasteten Feldern gedeiht, enthalten ihre Körner dennoch deutlich weniger Arsen als andere Reispflanzen. Zugleich verfügt diese Variante über einen hohen Anteil des Spurenelements Selen.

Sheng-Kai Sun / Nature Communications

Reispflanze astol1

Wie die Forscher der Studie erläutern, gelangen vor allem in asiatischen Anbaugebieten zunehmend größere Mengen des Halbmetalls Arsen ins Grundwasser, etwa infolge von großflächigen Düngungen oder über Klärschlamm. Da Reis auf unter Wasser stehenden Feldern angebaut wird, saugt er über die Wurzeln besonders viel Arsen auf. Zu den Folgen gehört, dass der potentiell krebserregende Stoff auf diese Weise in die Nahrungskette gelangt. Die Arsenbelastung in einigen asiatischen Böden ist nach Angaben von Prof. Hell mittlerweile so hoch, dass sie zu bedeutenden Ernteverlusten führt, denn Arsen ist auch für Pflanzen giftig.

Im Rahmen ihrer Forschungen haben die Wissenschaftler über 4.000 Reisvarianten arsenhaltigem Wasser ausgesetzt und ihr Wachstum beobachtet. Nur eine der untersuchten Pflanzen erwies sich dabei als tolerant gegenüber dem giftigen Halbmetall. Was diese Reisvariante mit dem Namen astol1 biologisch auszeichnet, ist eine sogenannte Punktmutation in nur einem Protein: „Dieses Protein ist Teil eines Sensor-Komplexes und kontrolliert die Bildung der Aminosäure Cystein, die ein wichtiger Grundstoff für die Herstellung von Phytochelatinen ist. Diese Substanzen besitzen eine entgiftende Wirkung und werden von Pflanzen als Reaktion auf Schadstoffe gebildet, um diese zu neutralisieren“, erklärt Prof. Hell, der mit seiner Forschungsgruppe am COS die Funktion dieses sensorischen Komplexes erforscht. Das neutralisierte Arsen wird in den Wurzeln der Pflanze eingelagert, bevor es die essbaren Reiskörner erreicht und dem Menschen gefährlich werden kann.

Im Feldversuch enthielten astol1-Reiskörner ein Drittel weniger Arsen als herkömmliche Reiskörner, die ebenfalls dem arsenhaltigen Wasser ausgesetzt waren. Die Forscher fanden zudem einen um 75 Prozent erhöhten Anteil des lebensnotwendigen Spurenelements Selen, das etwa an der Produktion von Schilddrüsenhormonen beteiligt ist. Hinsichtlich der Kornausbeute unterscheidet sich astol1 nicht von gängigen Hochertrag-Reisvarianten. Diese Pflanze eignet sich daher in besonderer Weise für eine landwirtschaftliche Nutzung.

„In der Zukunft könnten Reispflanzen wie astol1 in arsenbelasteten Regionen zur Ernährung der Bevölkerung eingesetzt werden und zugleich einen Beitrag zur Bekämpfung von ernährungsbedingtem Selenmangel leisten“, hofft Dr. Sheng-Kai Sun. Der Nachwuchswissenschaftler war im Rahmen seiner Promotion an der Landwirtschaftlichen Universität Nanjing maßgeblich an der Entdeckung der Reisvariante beteiligt. Mit einem Stipendium der Alexander von Humboldt-Stiftung forscht er seit dem vergangenen Jahr am Centre for Organismal Studies in den Forschungsgruppen von Prof. Hell und Dr. Markus Wirtz zum Sensor-Komplex von astol1.

Die Grundlagenforschung zu diesem Sensor-Komplex wird von der Deutschen Forschungsgemeinschaft gefördert. Die Veröffentlichung der Forschungsergebnisse erfolgte in der Fachzeitschrift „Nature Communications“.

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