Studie zu Innovationen in der Lebensmittelwirtschaft: Nachhaltigkeit und Gesundheitsnutzen stehen an vorderster Stelle
2. Deutscher Innovationsreport Food von DIL und Engel & Zimmermann / Über 100 Entscheider der Branche geben Einblicke in ihre Innovationsstrategie / Start-ups können als Vorbilder für etablierte Unternehmen dienen
DIL Deutsches Institut für Lebensmitteltechnik e.V. / RF
Mit innovativen Produkten und Prozessen leistet die deutsche Lebensmittelwirtschaft einen unverzichtbaren Beitrag, um unsere Ernährung gesünder und nachhaltiger zu machen. Dies ist eine wichtige Erkenntnis des Deutschen Innovationsreports Food, den das DIL Deutsches Institut für Lebensmitteltechnik e.V. zusammen mit der Kommunikationsberatung Engel & Zimmermann in diesem Jahr bereits zum zweiten Mal veröffentlicht (Download-Link: www.innovationsreport-food.de). Die Studie, für die mehr als 100 Entscheider der Lebensmittelwirtschaft befragt wurden, zeigt: Innovationen sind nicht nur der Motor der Wirtschaft, sondern auch ein wichtiges Unterscheidungsmerkmal in Sachen Nachhaltigkeit. Die Rolle von Kommunikation bei Innovationen war ebenfalls Gegenstand der Befragung. Hier kristallisiert sich Klimaneutralität zunehmend als polarisierendes Thema heraus: Die Unternehmen sehen in ihr sowohl Chancen zur Differenzierung vom Wettbewerb als auch kommunikative Risiken. Zum ersten Mal sind in diesem Jahr Start-ups Gegenstand des Deutschen Innovationsreports Food, sie wurden in der Auswertung gesondert betrachtet. Ergebnis: Start-ups kommunizieren mit weniger Sorge, nutzen andere Kanäle und haben generell bei Innovationen häufiger den Gesundheitsnutzen ihrer Produkte im Blick. Auch die Frage nach möglichen Kooperationen zwischen den Unternehmen und Forschungseinrichtungen war Teil der Befragung. "Viele Unternehmen kooperieren in der Entwicklung von Produktinnovationen und neuer technologischer Prozesse bereits mit Start-ups, Universitäten und anderen staatlichen Einrichtungen. Diese fruchtbare Zusammenarbeit sollte in Zukunft von politischer Seite zur Stärkung des Forschungsstandortes Deutschland forciert werden", sagt Dr. Volker Heinz, CEO des DIL.
Innovationen tragen auf verschiedene Weise zur Nachhaltigkeit bei
83 % der Befragten gaben an, in den vergangenen drei Jahren in Produktinnovationen investiert zu haben, bei Prozessinnovationen sind es 49 %. Die Studie zeigt außerdem: Nachhaltigkeit spielt bei Innovationen in beiden Bereichen - Produkte und Prozesse - eine immer wichtigere Rolle. So gaben 50 % der Unternehmen an, Innovationen in nachhaltige bzw. umweltfreundliche Verpackungen eingeführt zu haben, 30 % verwenden nachhaltige Rohstoffe. Der Nutzen für das Unternehmen ist dabei ebenso von Bedeutung wie der für den Verbraucher. Befragt nach dem Umweltnutzen für die Verbraucher zeigen sich teils deutliche Unterschiede zwischen Start-ups und den etablierten Unternehmen hervor, die im Zeitraum 2018 bis 2020 Innovationen auf den Markt brachten: In 43 % der Fälle ermöglicht die von Start-ups eingeführte Innovation das Recycling der Lebensmittelverpackung nach dem Gebrauch - dem gegenüber stehen 30 % bei allen Befragten. Und auch die Haltbarkeit der Produkte und damit die Vermeidung von Food Waste ist ein positiver Umwelt nutzen, der bei den Innovationen von Start-ups häufiger eine Rolle spielt (35 %) als beider Gesamtheit der befragten Unternehmen (28 %). Innerhalb der Unternehmen tragen Innovationen zu 90 % dazu bei, CO2-Emissionen zu reduzieren, zu 84 % zur Verringerung des Material- und Wasserverbrauchs und zu 82 % zur Reduzierung des Energieverbrauchs. Neben diesen Einsparungen gibt es weitere, vielfältige Gründe in nachhaltige, umweltbezogene Innovationen zu investieren: Jeweils deutlich mehr als die Hälfte aller Befragten gab an, dass die Erfüllung bestehender oder kommender gesetzlicher Vorgaben ebenso von Relevanz sei wie auch die Standards der Branche oder die steigenden Kosten für Energie oder andere Rohstoffe. Und schließlich - dem stimmen ebenfalls mehr als 60 % zu -tragen nachhaltige Innovationen auch Verbesserung der Reputation bei (s. Grafik 1).
Befragt nach dem Gesundheitsnutzen ihrer Innovationen, legen Start-ups eine höhere Motivation an den Tag als die etablierten Unternehmen. Ob allgemeines Wohlbefinden("well-being"), Hilfe beim Abnehmen, Verbesserung der Versorgung mit Mineralstoffen oder Vitaminen oder die Stärkung des Immunsystems oder der Darmtätigkeit: In jeder dieser Kategorien lag die Zustimmung der Start-ups teilweise deutlich höher als bei der Gesamtbefragung (s. Grafik 2).
Klimaneutralität polarisiert bei der Kommunikation von Innovationen
Im zweiten Teil der Studie befragten DIL und E&Z die Unternehmen nach kommunikativen Aspekten von Innovationen. Wie schon bei der ersten Auflage der Befragung vor einem Jahr sehen die Teilnehmer der Studie die Mehrheit innovativer Produktversprechen als eher unkritisch zu kommunizieren an - von der Reduzierung des Zuckers über den Verzicht auf Farbstoffe bis zu Auslobungen wie "vegan" oder "low carb". Einzige Ausnahme unter den 15 zur Wahl stehenden Produktversprechen: die Deklaration als "Klimaneutrales Produkt". Hier sieht die Hälfte der Befragten mehrheitlich Schwierigkeiten in der Kommunikation. Ungeachtet dieser vorsichtigen Haltung gaben 44 % der Befragten an, in absehbare Zeit Aussagen zur Klimaneutralität ihrer Produkte machen zu wollen. Aktuell tun dies 29 % der Studienteilnehmer. Bei den Start-ups fällt die Zustimmung jeweils etwas größer 5 aus. Doch warum wollen Lebensmittelhersteller Aussagen zur Klimaneutralität ihrer Produkte machen, obwohl sie kommunikative Hindernisse sehen? Zwei Drittel gaben an, damit den Erwartungen der Verbraucher entsprechen zu wollen, etwas mehr als ein Drittelsieht (auch) Erwartungen des Handels, die es zu erfüllen gilt. "Versprechen zur Klimaneutralität von Produkten nehmen inflationäre Formen an. Darunter finden sich genügend Beispiele, die Angriffspunkte bieten. Umso wichtiger ist eine intelligente und vorausschauende Produkt-Kommunikation", so Frank Schroedter, Geschäftsführer und Partner von Engel& Zimmermann.
Überhaupt spielt der Handel bei der Kommunikation von Innovationen eine tragende Rolle: Mehr als die Hälfte der Befragten gab an, sich zu sorgen, dass ihre Innovation beim Handel nicht auf Interesse stoßen könnte. Bei dieser Frage wurden auch weitere potenzielle kommunikative Hindernisse abgefragt. Hier zeigt sich, dass Start-ups offenbar grundsätzlich etwas mutiger sind, wenn es um öffentliche Kritik geht: Dass sie Angst vor NGO Kampagnen haben, nannten nur 17 % der Start-ups als kritisches Hindernis in der Kommunikation, bei der Gesamtbefragung waren es 32 %. Und auch die Angst vor negativen Social-Media-Kampagnen ist bei den Start-ups weniger stark ausgeprägt (27 % vs. 32 %, s.Grafik 3).
Die Corona-Pandemie hat das Kommunikationsverhalten zu Innovationen insgesamt wenig beeinflusst. Nicht einmal jedes fünfte Unternehmen gab an, dass andere Schwerpunkt ein der Kommunikation gesetzt wurden. Auch setzte über die Hälfte der Unternehmen mehrheitlich auf die gleiche Kommunikationsstrategie wie vor der Pandemie. Beim Blick auf die einzelnen Kommunikationsmittel und -kanäle zeigen sich dann doch einige Unterschiede zu 2020: Waren Messen mit 61 % in der Vorjahresbefragung noch das am meisten genannte Kommunikationsinstrument, sinkt der Wert in diesem Jahr auf unter 20 %. Dies verwundert nicht, weil bedingt durch die Pandemie diese Möglichkeit zur Kommunikation schlichtweg nicht bzw. kaum existierte. Auf der anderen Seite rücken andere Kommunikationsmittel und -kanäle in den Vordergrund, allem voran Social Media, das von 100 % der Start-ups genutzt wird.
Finanzierung: EU-Fördertöpfe nutzen!
Öffentliche Fördergelder für F&E-Aktivitäten haben im Ernährungssektor bisher nur eine sehr geringe Bedeutung. Zudem lag bei den meisten Unternehmen der Schwerpunkt beiden nationalen bzw. regionalen Programmen, während zum Beispiel auf das EU-Programm Horizon 2020 nur sehr selten zurückgegriffen wurde. Vor allem durch die Nichtbeanspruchung von EU-Mitteln wird eine große Chance vertan, um die Lebensmittelproduktion in Deutschland nachhaltiger zu machen. Von politischer Seite sollte mit flankierenden Maßnahmendazu beigetragen werden, dass der Zugriff auf dieses Forschungsbudget erleichtert wird. Hierzu gehört unter anderem auch die unkomplizierte Gewährung einer finanziellen Unterstützung der Forschungspartner für die Antragserstellung.