Historische Abhandlung über 75 Jahre Ernährungsforschung in Potsdam-Rehbrücke erschienen

16.11.2022 - Deutschland

Im September 2022 feierte das DIfE sein 30-jähriges Bestehen. Doch die Tradition der Ernährungsforschung am Standort Rehbrücke reicht mittlerweile schon 75 Jahre zurück. Zu diesem besonderen Anlass hat der Vorstand des DIfE den Wissenschaftshistoriker PD Dr. Georgy Levit und Dr. Judith Schäfer beauftragt, die wechselvolle Geschichte der Ernährungsforschung von den Anfängen bis zur Gegenwart zu rekapitulieren. Entstanden ist eine historische Abhandlung mit dem Titel „Von der Verpflegungswissenschaft zur Gesundheitsforschung – Ernährungsforschung in Potsdam-Rehbrücke (1946 2021)“, die auf 352 Seiten einen anschaulichen Überblick zu den Entwicklungen des Forschungsstandorts liefert.

Juliane Dräger | DIfE

Das Buch "Ernährungsforschung in Potsdam-Rehbrücke"

Die Geburtsstunde des Buchprojekts

Die Idee für das Buch wurde 2017 geboren und geht auf Prof. Tilman Grune, Wissenschaftlicher Vorstand des DIfE, zurück. „Mir schwebte eine geschichtliche Aufarbeitung der Ernährungsforschung am Standort Rehbrücke und der handelnden Personen, wie beispielsweise Arthur Scheunert, vor“, erklärt Grune. „Ich wollte eine Grundlage schaffen, auf der sich das DIfE hinsichtlich historischer Ereignisse positionieren kann.“ Der Wissenschaftshistoriker PD Dr. Georgy Levit von der Universität Jena erhielt 2017 vom Institutsvorstand den Auftrag, entsprechende Recherchen zu tätigen und die Abhandlung zu verfassen. Unterstützung erhielt er von der langjährigen DIfE-Mitarbeiterin Dr. Judith Schäfer, die als Co-Autorin fungierte.

Detektivarbeit in den Archiven

Um ein möglichst umfassendes Bild der Geschichte der Ernährungsforschung in Rehbrücke zeichnen zu können, recherchierten Levit und Schäfer deutschlandweit in verschiedenen Archiven. Sie studierten zahlreiche Dokumente, sichteten Nachlässe und Bildmaterial. Zudem gewährten Angehörige ehemaliger Institutswissenschaftler den beiden Autoren Einblicke in ihre Familienarchive und unterstützten mit Fotos sowie aufschlussreichen Hintergrundinformationen. Interviews mit derzeitigen und ehemaligen Mitarbeiter*innen des DIfE rundeten die Nachforschungen ab.

Insbesondere die Recherchen zum Zentralinstitut für Ernährung (ZfE) stellten eine Herausforderung dar. „Da das DIfE kein offizieller Rechtsnachfolger des ZfE ist, gingen sämtliche historische Dokumente und Fotos nach der Wende in rund 460 Kartons verpackt in den Besitz des Brandenburgischen Landeshauptarchivs (BLHA) über“, berichtet Schäfer. Mittlerweile wurden die Kartons aufgelöst und in etwa 2000 Akten überführt. Trotz pandemiebedingter Einschränkungen konnten Schäfer und Levit in wochenlanger akribischer Recherchearbeit im BLHA zahlreiche wichtige Erkenntnisse aus den Akten gewinnen. „Ich finde es beeindruckend, dass die Wissenschaftler*innen in der ehemaligen DDR unter den damaligen gesellschaftlichen Rahmenbedingungen und trotz teilweise widriger Umstände hervorragende, international anerkannte Ergebnisse erreicht haben“, sagt Schäfer.

Zusätzliche Informationen zum ZfE erhielt das Autorenteam bei ihren Recherchen im Archiv der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften und im Stasi-Unterlagen-Archiv. „Es ist erstaunlich, dass trotz der gesellschaftlichen Umbrüche eine Kontinuität und Tradition auf dem Gebiet der Ernährungsforschung über Jahrzehnte beibehalten werden konnten“, sagt Levit. Dabei stand die Untersuchung des Zusammenhangs zwischen Ernährung und Gesundheit immer im Fokus der Wissenschaftler*innen.

Ein dreiviertel Jahrhundert in vier Kapiteln

Das erste Kapitel beschreibt das Wirken von Arthur Scheunert und Wilhelm Ziegelmayer, die Anfänge der Vitaminforschung und deren Übergang zur Ernährungsforschung. „Bemerkenswert ist die Weitsichtigkeit, mit der die Institutsgründer schon damals agiert haben“, sagt Schäfer. Im zweiten Kapitel gehen Levit und Schäfer auf die Institutionalisierung der Ernährungsforschung in Deutschland ein. Dabei liegt der Fokus auf der Entstehung und Entwicklung des ZfE in der DDR, welche u. a. am Beispiel der Kindernahrung Manasan veranschaulicht wird. Einen zusammenfassenden Überblick der Ernährungsforschung am Standort Potsdam-Rehbrücke bietet die Chronologie am Kapitelende. Sie veranschaulicht die Institutsbezeichnungen samt Direktoren sowie die Forschungsschwerpunkte und -bereiche von 1946 bis Ende 1991. Es folgt die Wendezeit, die mit dem Übergang vom ZfE zum DIfE verbunden ist und im dritten Kapitel dargestellt wird. Auch dieses Kapitel endet mit einer Chronologie, in der die wichtigsten politischen und institutsbezogenen Ereignisse von 1989 bis 1992 präsentiert werden.

Im vierten Kapitel dreht sich alles um den Aufbau und die Entwicklung des DIfE und seiner Forschung von 1992 bis 2021. Dem Gründungsdirektor Prof. Dr. Christian Barth wurde das erste Unterkapitel gewidmet. „Die Gründung des DIfE war ein wichtiger Meilenstein in der Entwicklung der Ernährungswissenschaften in Deutschland“, fasst Levit zusammen. Im DIfE-Kapitel eingebunden sind drei Interviews mit dem ehemaligen Wissenschaftlichen Vorstand Prof. Dr. Dr. Hans-Georg Joost und dem aktuellen Wissenschaftlichen und Administrativen Vorstand, Prof. Dr. Tilman Grune und Dr. Birgit Schröder-Smeibidl. Den Abschluss des Kapitels bildet eine Chronologie zu den Forschungsschwerpunkten und Abteilungen des DIfE von 1992 bis 2022.

Blick in die Zukunft

Im abschließenden fünften Kapitel gibt Prof. Dr. Tilman Grune einen Ausblick zur wissenschaftlichen Entwicklung des DIfE und den Herausforderungen der Zukunft. „Die Untersuchung der Effekte von nachhaltig produzierten Lebensmitteln auf den Stoffwechsel wird zunehmend an Bedeutung gewinnen“, sagt er darin unter anderem. Levit ergänzt: „Hier schließt sich der Kreis, denn die Erforschung der Lebensmittel und die Erschließung neuer Nahrungsquellen, die nach dem Krieg zu den dringendsten Aufgaben der Ernährungsforschung gehörten, werden angesichts der neuen globalen Herausforderungen wieder aktuell.“

Das Buch ist in Zusammenarbeit mit dem Frankfurter Designstudio „Synchronschwimmer“ entstanden und wurde in einer Auflage von 1000 Stück produziert.

Interessenten können sich in der Pressestelle des DIfE melden.

Der Vorstand des DIfE und die Autoren bedanken sich an dieser Stelle recht herzlich bei allen, die dieses Buchprojekt unterstützt haben, insbesondere beim Brandenburgischen Landeshauptarchiv (BLHA).

* In diesem Buch wird nur die Entwicklung des DIfE und seiner Vorläuferinstitute betrachtet, nicht jedoch die des Instituts für Ernährungswissenschaft (IEW) der Universität Potsdam, das sich auf dem gleichen Campus befindet.

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