Pessimistische Stimmung und hohe Kosten belasten die deutsche Ernährungsindustrie
Standortfaktoren in Deutschland verschlechtern sich
In nominalen Zahlen ausgedrückt erwirtschaftete die Branche zwischen Januar und Juni 2023 insgesamt 116,6 Milliarden Euro, was ein nominales Plus von 12,8 Prozent verglichen mit dem Vorjahreszeitraum bedeutet. Im Inland betrug der Umsatz insgesamt 76,2 Milliarden Euro und lag damit 14,1 Prozent über dem Vorjahreszeitraum. Im Ausland fiel das nominale Wachstum mit plus 10,5 Prozent etwas geringer aus und betrug 40,2 Milliarden Euro. Folglich sank der Auslandsanteil am Umsatz leicht von 35,3 Prozent auf 34,6 Prozent.
Weiterhin hohe Kosten belasten Hersteller
Auf der Kostenseite spielten für die Unternehmen die Agrarrohstoffpreise eine wesentliche Rolle. Insbesondere in den Jahren 2021 und 2022 sah sich die deutsche Ernährungsindustrie mit einem deutlichen Anstieg der Rohstoffpreise konfrontiert. Diese sind zuletzt etwas gesunken, verbleiben jedoch auf vergleichsweise sehr hohem Niveau. Von Januar bis Juni 2023 sank der HWWI-Rohstoffpreisindex für Nahrungs- und Genussmittel um 10,4 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum, auch bedingt durch den stark aufkommenden Basiseffekt: Im Frühjahr 2022 erreichten die Agrarrohstoffpreise ihren Höhepunkt. Vergleicht man den Index für Nahrungs- und Genussmittel mit dem ersten Halbjahr 2019 („Vorkrisenniveau“), so steht dieser immer noch gut 86 Prozent über den damaligen Werten. Die Erzeugerpreise landwirtschaftlicher Produkte verteuerten sich im Vergleich zum Vorjahr um 3,5 Prozent. Insbesondere Produkte tierischer Erzeugung stehen mit eine Plus 13,0 Prozent noch deutlich über dem Niveau vom ersten Halbjahr 2022, während die Produkte pflanzlicher Erzeugung mit minus 9,3 Prozent im selben Zeitraum nachgaben. Zuletzt stiegen die Erzeugerpreise in der Landwirtschaft wieder, sodass erneut ein Kostendruck entsteht.
Ähnlich sehen die Kosten bei Energie aus: Der HWWI-Index der Energierohstoffe sank zwar zum Vorjahreszeitraum um 36,1 Prozent, steht aber ebenfalls gut 94 Prozent über dem ersten Halbjahr 2019 („Vorkrisenniveau“) und verdeutlicht die nun dauerhaft stark erhöhten Kosten.
Pessimistische Stimmung bei der Ertragslage
Aufgrund langanhaltend hoher Kosten für die deutsche Ernährungsindustrie (insbesondere bei Energie & Rohstoffen) stehen auch die Erträge vieler Unternehmen unter Druck: Bei der ifo-Konjunkturumfrage für Mai 2023 zeigte sich bei der Befragung zur „Beurteilung der Ertragslage“ im Ernährungsgewerbe und der Tabakverarbeitung, dass die Mehrheit der Unternehmen diese als überwiegend negativ einschätzt. Lediglich 14 von 100 bewerteten diese mit „gut“, während 36 sie als „schlecht“ einschätzten und 49 als „befriedigend“. Bei der „Ertragslage Entwicklung“ gaben lediglich 25 von 100 das Urteil „günstiger“ ab, 53 sprachen von 100 „ungünstiger“ und 22 antworteten mit „gleichbleibend“.
„Der Blick ins vergangene Halbjahr zeigt, dass die deutsche Ernährungsindustrie nach wie vor ein wohlstandssichernder Faktor für die Wirtschaft in Deutschland ist. Umso wichtige ist es, ihre Zukunftsfähigkeit zu fördern. Wir dürfen nicht riskieren, dass notwendige Investitionen in Effizienz und Nachhaltigkeit aufgrund einer zu hohen Kostenbelastung nicht getätigt werden“, erklärt Olivier Kölsch, Geschäftsführer der Bundesvereinigung der Deutschen Ernährungsindustrie (BVE).
Standortfaktoren in Deutschland verschlechtern sich
Der Blick nach vorne ist vor allem von großer Unsicherheit geprägt. Ein notwendiger positiver Wachstumstrend sowie notwendige Investitionen in Nachhaltigkeit sind auch geknüpft an die zukünftigen Standortfaktoren in Deutschland. Hier belegt Deutschland laut Stiftung Familienunternehmen in 2023 in seiner jährlichen Publikation zum Länderindex Familienunternehmen sowohl bei den Kategorien „Arbeitskosten, Produktivität, Humankapital“ als auch „Regulierung“ und „Energie“ einen der hintersten Plätze.
„Die deutsche Ernährungsindustrie ist krisenfest. Das haben die vergangenen Jahre gezeigt. Ob Corona oder der Ausbruch eines Krieges in Europa, die Branche hat sich allen Herausforderungen gestellt. Aber ihre Strapazierfähigkeit hat auch Grenzen: Und die sind erreicht, wenn die Politik mit schlecht durchdachten Regulierungen und zu viel Bürokratie den Industriestandort Deutschland gefährdet“, warnt Olivier Kölsch.