Neues Gel baut Alkohol im Körper ab

15.05.2024
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Symbolbild

ETH-​Forschende haben ein Gel aus Molkenproteinfasern entwickelt, das Alkohol im Magen mit Hilfe einzelner Eisenatome in harmlose Essigsäure umwandelt, bevor er ins Blut gelangt. Sie zeigten bei Mäusen, dass das Gel den Blutalkoholspiegel um bis zu fünfzig Prozent reduziert und den Körper vor gesundheitlichen Schäden schützt. Für eine Anwendung am Menschen sind aber noch weitere Tests notwendig. Die Forschenden sind aber zuversichtlich, dass dies gelingt und haben bereits ein Patent für das Gel beantragt.

Alkohol gelangt grösstenteils über die Magenschleimhaut und den Darm ins Blut. Die Folgen davon sind heute unbestritten: Bereits geringe Mengen an Alkohol beinträchtigen die Konzentrations-​ und Reaktionsfähigkeit und erhöhen das Unfallrisiko. Wer regelmässig grössere Mengen trinkt, schadet seiner Gesundheit: Lebererkrankungen, Entzündungen im Magen-​Darm-Trakt oder Krebs sind häufige Folgen. Laut Weltgesundheitsorganisation sterben jährlich an die 3 Millionen Menschen an übermässigen Alkoholkonsum.

ETH-​Forschende haben nun ein Protein-​Gel entwickelt, das Alkohol bereits im Magen-​Darm-Trakt abbaut. In einer kürzlich in der Fachzeitschrift «Nature Nanotechnology» erschienenen Studie zeigen sie an Mäusen, dass das Gel Alkohol schnell, effizient und direkt in harmlose Essigsäure umwandelt, bevor dieser ins Blut gelangt und dort seine berauschende und gesundheitsschädigende Wirkung entfaltet.

Gesundheitsschäden durch Alkohol verringern

«Das Gel verlagert den Alkoholabbau von der Leber in den Verdauungstrakt. Im Gegensatz zum Alkoholstoffwechsel in der Leber entsteht dabei aber nicht das schädliche Zwischenprodukt Acetaldehyd», erklärt Raffaele Mezzenga, Professor für Lebensmittel und weiche Materialien an der ETH Zürich. Acetaldehyd ist giftig und für viele Gesundheitsschäden verantwortlich, die durch übermässigen Alkoholkonsum entstehen.

Das Gel könnte daher in Zukunft vor oder während des Alkoholkonsums oral eingenommen werden, um zu verhindern, dass der Blutalkoholpegel steigt und Acetaldehyd den Körper schädigt. Im Unterschied zu vielen am Markt erhältlichen Produkten bekämpft das Gel also nicht nur die Symptome des schädlichen Alkoholkonsums, sondern auch seine Ursachen. Das Gel ist aber nur wirksam, solange sich noch Alkohol im Magen-​Darm-Trakt befindet und kann deshalb bei Alkoholvergiftungen nicht mehr helfen, wenn der Alkohol sich bereits im Blut befindet. Auch hilft es nicht dabei, den Alkoholkonsum generell zu reduzieren. «Es ist gesünder gar keinen Alkohol zu trinken. Das Gel könnte aber vor allem für Menschen interessant sein, die nicht ganz auf den Genuss verzichten möchten, aber ihren Körper nicht belasten wollen und nicht an der Wirkung des Alkohols interessiert sind», hält Mezzenga fest.

Hauptbestandteile: Molke, Eisen und Gold

Für die Herstellung des Gels verwendeten die Forschenden gewöhnliche Molkenproteine. Diese wurden mehrere Stunden gekocht, sodass sich daraus lange, dünne Fasern bildeten. Fügt man anschliessend Salz und Wasser als Lösungsmittel hinzu, vernetzen sich die Fasern zu einem Gel. Der Vorteil eines Gels gegenüber anderen Verabreichungsformen ist, dass es sehr langsam verdaut wird. Damit das Gel den Alkohol abbauen kann, braucht es aber noch mehrere Katalysatoren.

Als Hauptkatalysator setzten die Forschenden auf einzelne Eisenatome, die sie gleichmässig über die Oberfläche der langen Proteinfasern verteilten. «Wir tauchten die Fasern quasi in ein Eisenbad, sodass sie wirksam mit dem Alkohol reagieren und ihn in Essigsäure verwandeln können», sagt ETH-​Forscherin Jiaqi Su, die Erstautorin der Studie. Um diese Reaktion im Magen auszulösen, sind winzige Mengen an Wasserstoffperoxid nötig. Diese werden durch eine vorgelagerte Reaktion zwischen Glucose und Goldnanopartikel erzeugt. Die Forschenden entschieden sich für Gold als Katalysator für Wasserstoffperoxid, da das Edelmetall nicht verdaut wird und daher länger im Verdauungstrakt wirksam ist. All diese Substanzen – Eisen, Glukose und Gold – packten die Forschenden in das Gel. Damit ermöglichten sie eine mehrstufige Kaskade aus enzymatischen Reaktionen, bei der am Ende Alkohol in Essigsäure verwandelt wird.

Bei Mäusen funktioniert das Gel

Die Forschenden testeten die Wirksamkeit des neuen Gels an Mäusen, denen einmalig Alkohol verabreicht wurde und an Mäusen, die zehn Tage lang regelmässig Alkohol erhielten. Dreissig Minuten nach der einmaligen Alkoholabgabe senkte die prophylaktische Anwendung des Gels den Alkoholpegel der Mäuse um vierzig Prozent. Fünf Stunden nach Alkoholaufnahme war ihr Blutalkoholspiegel im Vergleich zur Kontrollgruppe gar um 56 Prozent gesunken. Dabei sammelte sich bei diesen Mäusen das schädliche Acetaldehyd weniger an und die Stressreaktionen der Leber wurden deutlich gemildert, was sich in besseren Blutwerten widerspiegelte.

Bei den Mäusen, die 10 Tage lang Alkohol erhielten, konnten die Forschenden neben einem niedrigeren Alkoholpegel zudem eine anhaltende, therapeutische Wirkung des Gels nachweisen: Die Mäuse, die zusätzlich zum Alkohol täglich das Gel bekamen, zeigten einen deutlich geringeren Gewichtsverlust, weniger Leberschäden und damit einen besseren Fettstoffwechsel in der Leber sowie bessere Blutwerte. Auch andere Organe wie die Milz oder der Darm sowie das Gewebe der Mäuse wiesen deutlich weniger durch Alkohol verursachte Schäden auf.

Zum Patent angemeldet

Dass Eisen mit Alkohol zu Essigsäure reagierte, entdeckten die Forschenden bereits in einer früheren Studie zur Verabreichung von Eisen durch Molkenproteinfasern. Da dieser Prozess damals zu langsam und zu schwach war, änderten sie die Form, mit der sie das Eisen an den Proteinfasern anbrachten. «Anstatt grösserer Nanopartikel entschieden wir uns für einzelne Eisenatome, die sich gleichmässiger auf der Oberfläche der Fasern verteilen lassen und daher wirksamer und schneller mit dem Alkohol reagieren», erklärt ETH-​Professor Mezzenga.

Die Forschenden haben bereits ein Patent für das Gel beantragt. Bis es für Menschen zugelassen wird, sind aber noch einige klinische Tests notwendig. Da die Forschenden aber bereits belegt haben, dass Molkenproteinfasern aus denen das Gel besteht essbar sind, sind sie zuversichtlich, dass auch dieser Schritt gelingen wird.

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