Schokolade wurde in Deutschland früher als bisher bekannt gegessen
Beleg in Grimm-Briefen
Uni Kassel
Im Rahmen eines von der Fritz-Thyssen geförderten Langzeit-Projekts wertete die Kunsthistorikerin und Grimm-Expertin Dr. Andrea Linnebach-Wegner den Briefwechsel des Brüderpaars mit älteren Verwandten aus. Der private Schriftverkehr gibt Einblicke in das Familienleben und den Alltag der Forscher. Insbesondere auf Jacob werfen die Dokumente ein neues Licht: So mahnt seine Mutter Dorothea, der oft als steif und verkopft geltende Jacob solle nicht so viel tanzen.
Doch nicht nur das: „Ich stieß auf einige Stellen, in denen Schokoladenkugeln erwähnt werden und die mich als Kulturhistorikerin sofort elektrisierten“, berichtet Linnebach. „Im Jahr 1812 schreibt die Tante der Brüder Grimm, Henriette Zimmer, an ihre Neffen, dass sie ihnen Schokoladenkugeln schicke.“ Zimmer, Kammerfrau der hessischen Kurfürstin, war auf die seltene Köstlichkeit gestoßen, als sie während der französischen Besatzung Kassels 1806 mit ihrer Herrin nach Gotha ins Exil gegangen war. Der dortige Hofkonditor experimentierte offenbar sehr früh mit fester Schokolade.
Ende Februar 1812 schreibt Henriette an Wilhelm, dass ein Bekannter ein Präsent von Gotha nach Kassel mitnehmen werde. Dort leben Jacob und Wilhelm Grimm und arbeiten an den Kinder- und Hausmärchen. Die Tante kündigt an: „da ich noch die Geleigenheit habe das mir Herr Rode noch wass mit nehmen will so schücke ich dier Chocolade Kügelgen wo ich meine das du Sie gerne Essest.“ In einem Brief vom 7. März 1812 bedankt sich Wilhelm, für das „angenehme Chokolatgeschenk“ und ergänzt: „ich gehe nicht spatziren, ohne ein paar einzustecken.“ Im Juni schickt Tante Henriette erneut Schokolade, diesmal verbunden mit der Empfehlung, sich die Kugeln am Arbeitstisch in den Mund zu stecken. Durch diesen Briefwechsel aufmerksam geworden, fand Linnebach das Rezept eines Gothaer Hofkonditors für „Pralins von Chokolade“, bei denen es sich um die Geschenke der Tante Henriette gehandelt haben dürfte.
Linnebach nennt den Fund „eine kleine kulturhistorische Sensation“. Sie edierte die Briefe während ihrer Arbeit im Fachgebiet „Werk und Wirkung der Brüder Grimm“, das von Prof. Dr. Holger Ehrhardt geleitet wird. Die Edition erschien bereits im vergangenen Jahr. Der frühe Beleg für Essschokolade wurde aber erst jetzt breiter bekannt, da Linnebach, inzwischen im Ruhestand, eine Kasseler Schokoladenmanufaktur anregte, die Kugeln nach dem Gothaer Rezept herzustellen.
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