Forschungsprojekt PRECISE: Elektronische Nase gegen Lebensmittelverschwendung

08.04.2025
TH Lübeck

Prof. Horst Hellbrück testet das Handgerät an unterschiedlich gelagertem Fleisch.

Eine deutsch-dänische Forschungsgruppe arbeitet im Projekt PRECISE an einem neuartigen Frischesensor für Fleisch und Fisch. Das Ziel der Forscher*innen ist es, mithilfe einer neuartigen „Elektronischen Nase“ die Haltbarkeit von Fleisch und Fisch zu bestimmen und so präzise vorherzusagen, dass Tonnen von Lebensmitteln vor der Verschwendung gerettet werden. Experten der TH Lübeck sind Teil des Forschungsprojekts. Sie testen und optimieren derzeit den Frischesensor am Kompetenzzentrum CoSA. Die Forscher*innen werden bis 31.03.2026 im Rahmen des EU-Programms Interreg Deutschland-Danmark mit 1.885.263 Euro gefördert.

TH Lübeck

Sebastian Hauschild bereitet einen Messdurchlauf im Labor des Centrums Industrielle Biotechnologie (CIB) vor.

Von der menschlichen zur elektronischen Nase

Ob Fleisch oder Fisch noch genießbar ist, wird derzeit auf zwei Arten getestet. Zum einen kontrolliert geschultes Personal mit der Nase die Haltbarkeit und zum anderen gibt es teure und zeitaufwendige mikrobiologische Analysen, deren Ergebnis erst nach Tagen vorliegt. Was fehlt, ist eine technische Lösung, die genau und schnell bestimmen und vorhersagen kann, wie lange Fleisch und Fisch haltbar sind. Allein in der deutsch-dänischen Grenzregion entstehen pro Jahr circa 48.000 Tonnen an Abfall von Fleisch und Fisch.

„Man ist dazu angehalten das Fleisch nach einer gewissen Zeit zu entsorgen. Bei Fisch sind es zwei Tage, obwohl der Fisch eigentlich noch bis zu neun Tage verzehrt werden könnte“, beschreibt Sebastian Hauschild, Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Kompetenzzentrum CoSA die aktuelle Lage.

Was riecht denn da?

Roana de Oliveira Hansen, außerordentliche Professorin am Mads Clausen Institute der Syddansk Universitet (SDU), leitet das Projekt. Die Professorin beschäftigt sich am Institut in Sonderborg mit der Entwicklung von Cantilever-Sensoren. Cantilever-Sensoren sind dünne, biegsame Balken, die sich verformen. Im Projekt PRECISE werden mit ihnen hochempfindliche Messungen durchgeführt, um den Cadaveringehalt von verschiedenen Fleisch- und Fischsorten zu bestimmen und damit eine Aussage über die Haltbarkeit zu machen. „Cadaverin entsteht bei der Zersetzung von Eiweiß und erzeugt den typischen Geruch von verwesendem Fleisch“, sagt die Professorin.

Schwingender Sensor

Der Cantilever-Sensor wird am Fraunhofer-Institut für Siliziumtechnologie (ISIT) gefertigt, vom dänischen Startup AmiNIC in das Handgerät eingebaut und für Tests an das CoSA übergeben. „Wir setzen den Handsensor auf das Fleisch auf. Über einen Lüfter wird das Cadaverin in den Sensor gesaugt. Eine Elektronik bringt ihn zum Schwingen, ähnlich wie bei einem Sprungbrett in der Schwimmhalle“, sagt Hauschild. „Je nachdem wie viele Cadaverin Peptide am Sensor haften bleiben, verändert sich die Schwingfrequenz. Der Sensor zählt sozusagen die Masse an Cadaverin. Mit den gewonnenen Daten wird dann die Vorhersage für die Haltbarkeit gemacht.“

Präzise Vorhersage: kein Blick in die Glaskugel

Ab dem ersten Tag der Schlachtung entsteht Cadaverin. Der Mensch kann zu diesem Zeitpunkt noch nicht wahrnehmen, wie viel Cadaverin im Fleisch- oder Fisch enthalten ist. „Den Job soll in Zukunft die elektronische Nase übernehmen“, sagt Professor Horst Hellbrück, Leiter des Kompetenzzentrums CoSA. „Im Projekt haben wir einen Messaufbau gefertigt, an dem wir die verschiedenen Fleischsorten mit dem Frischesensor testen und die Verfallsdaten mithilfe von stochastischen Analysen voraussagen. Dabei beachten wir auch Umgebungsparameter wie Temperatur und Feuchtigkeit“, erklärt Sebastian Hauschild.

Deutsch-dänische Zusammenarbeit

Im Projekt arbeiten sechs Partner zusammen an einem gemeinsamen Ziel: potenziell 25.000 Tonnen Fleisch und Fisch vor dem Abfall retten. Das Team um Roana de Oliveira Hansen von der SDU bringt Erfahrung mit der Entwicklung von Sensoren ein. Das CoSA Team der TH Lübeck trägt zu den Vorhersagen der Haltbarkeit bei. Das Fraunhofer ISIT in Itzehoe produziert die piezoelektrischen Cantilever. Das dänische Startup AmiNIC bringt Erfahrung im Prototyping ein, verbessert in Zusammenarbeit mit den Partnern die Hardware und führt Updates der Software auf Basis der erhobenen Daten der Partner durch. Weiterhin gehört das KIN in Neumünster zum Partnerkreis. Lebensmittelsicherheit ist eine Kernkompetenz des KIN und nimmt mit Referenzen und Sicherheitschecks die Qualitätskontrolle der Messungen vor. Dazu trägt auch die Hochschule Flensburg mit Messungen der Bakterienbelastung von Fischprodukten bei.

Die Zukunft des Cantilever-Sensors

„Natürlich müssen wir erst einmal unsere Lehren aus dem Markt mit größeren Unternehmen wie Restaurants und Supermärkten ziehen. Aber auf lange Sicht könnte es sehr interessant sein, zu prüfen, wie wir dieses Produkt für Haushalte verfügbar machen können“, sagt Jens Nielsen vom Startup AmiNIC im Hinblick auf die Zukunft der elektronischen Nase.

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