Behörden gegen Essensretter? - Kühlschrankstreit in Berlin
Tonnenweise landen Brot, Gemüse oder Joghurt jedes Jahr im Müll - auch, weil viele Menschen beim Einkaufen nicht so genau planen. Eine Alternative zum Wegwerfen sollen die rund 300 Kühlschränke sein, die die Initiative Foodsharing seit 2012 nach und nach bundesweit aufgebaut hat. Wer noch verzehrbare Nahrungsmittel übrig hat, kann diese in den sogenannten «Fairteilern» hinterlegen.
Nun gibt es in Berlin Hygienebedenken und rechtliche Hürden, die dem Verein große Sorgen bereiten.
Behörden in anderen Städten stufen das Essensteilen durchweg als Weitergabe unter Privatleuten ein, erklärt Foodsharing. Berlin dagegen will nun von Fall zu Fall klären, ob die Anbieter eines Kühlschranks als Lebensmittelunternehmer zu sehen sind.
Unter diesem Begriff definiere das Gesetz «nun einmal jeden, der Lebensmittel in Verkehr bringt, egal ob gegen Geld, Spende oder umsonst», sagte Berlins Staatssekretärin für Verbraucherschutz, Sabine Toepfer-Kataw (CDU). Anbieter würden als Lebensmittelunternehmer gelten, wenn die Kühlschränke auf öffentlichem Grund für jedermann zugänglich und unbeaufsichtigt seien, erläutert sie. Ob das tatsächlich der Fall ist, würden die Lebensmittelaufsichtsämter künftig «in jedem Einzelfall» prüfen.
Sobald die Behörde zu dem Schluss kommt, heißt das: Der «Fairteiler» hat in Geschäftsräumen zu stehen, in dem ein registrierter Verantwortlicher Buch führt über Spenden und Spender - so steht es in den Mindestanforderungen, auf die sich die Berliner Lebensmittelaufsichten jüngst geeinigt haben.
Der Vorstand von Foodsharing, Frank Bowinkelmann, ist nach eigenen Angaben bis zum Wochenende nicht über Beschlüsse informiert worden und reagiert auf dpa-Anfrage entsetzt: «Wenn diese Maßnahmen durchgesetzt werden, sind die Dinger tot.» Die Auflagen gingen deutlich über bisherige Absprachen mit den Zuständigen hinaus. Dass die Presse zuerst informiert worden sei, erwecke «den Eindruck, dass massiv gegen uns vorgegangen wird».
Man wolle Verbraucher vor möglicher Gesundheitsgefahr schützen, argumentiert dagegen die Staatssekretärin. Auch «Missbrauch/Ulk» müsse unterbunden werden - die Rede ist in dem Papier etwa von «Salz statt Zucker» und anderen Manipulationen. Ärger gab es zuletzt in den Bezirken Friedrichshain-Kreuzberg und Pankow, wozu auch Prenzlauer Berg zählt: Lebensmittelaufsichten hätten bemängelt, dass teils keine Verantwortlichen benannt seien, erläutert Toepfer-Kataw. otos würden unhygienische Zustände in den Schränken dokumentieren:
unverpacktes Brot, aufgerissene und unbeschriftete Verpackungen oder welken Salat. Ob die Kühlkette etwa bei Milchprodukten eingehalten worden sei, lasse sich nicht überprüfen. Fälle von Lebensmittelvergiftungen oder Beschwerden sind der Staatssekretärin zwar nicht bekannt. «Aber die Kühlschränke sind natürlich eine Einladung», sagt sie und verweist auf zwei Fälle aus den vergangenen Jahren, in denen in der Öffentlichkeit Schnaps und Kekse mit Gift verteilt wurden. Diese Sicherheitsrisiken wolle man nicht eingehen.
Als Verbot möchte Toepfer-Kataw das Vorgehen nicht verstanden wissen:
Nicht betroffen seien Kühlschränke auf privaten Grundstücken, wo ein geschlossener Personenkreis Nahrungsmittel teile. Der BUND etwa betreibt in Berlin-Schöneberg einen Kühlschrank im Ladenlokal, wo ein Kollege immer vor Ort sei, wie die zuständige Mitarbeiterin erzählt. Auslegungssache sei das Thema gewesen - bisher.
Foodsharing bemüht sich nach eigener Darstellung bereits um einen möglichst sicheren Ablauf: Es gibt Putzpläne und Regeln, wonach etwa Schweinemett oder Desserts mit rohem Ei nichts im «Fairteiler» zu suchen haben. Dass auch einmal Unappetitliches abgelegt oder eine Putzschicht versäumt wird, ist nicht auszuschließen.
Die behördliche Angst vor einer möglichen Gesundheitsgefahr hat für Frank Bowinkelmann «absurde Züge», wie er sagt. Die Politik fordere seit Jahren ein Ende der enormen Verschwendung von Lebensmitteln. Der WWF beziffert das Ausmaß in Deutschland auf 18 Millionen Tonnen pro Jahr - gewiss etliche Kühlschrankfüllungen. (dpa/ Gisela Gross)