Öko oder konventionell? Ein Gipfeltreffen der Ferkel-Erzeuger

14.02.2018 - Deutschland

Was ist besser: biologische oder konventionelle Landwirtschaft? Eine große Frage, die sich nicht nur Millionen Verbraucher, sondern natürlich auch die Bauern stellen. Und schon die Landwirte geben unterschiedliche Antworten - sowohl mit Blick aufs Tierwohl als auch auf die wirtschaftlichen Perspektiven.

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Für diese Geschichte treffen sich zwei Schweinehalter aus dem Münsterland, einer der wichtigsten Regionen der Schweine-Erzeugung in Deutschland.

Der eine: Dirk Schulz, 43 Jahre alt, verheiratet, 4 Kinder. Er hält Sauen und mästet die Ferkel bis zu einem Gewicht von 30 Kilogramm, dann verkauft er die Tiere an einen festen Abnehmerkreis von fünf Mästern. Seinen Beruf hat er von Kindesbeinen an erlernt. "Ich bin quasi mit im Stall, seitdem ich laufen kann", erzählt der Landwirt.

Der andere: Jan Spliethofe, 33 Jahre alt, verheiratet, drei Kinder. Bis vor zwei Jahren hatte auch er einen konventionellen Betrieb, auf dem er Sauen hielt und Ferkel erzeugte. Dann stellte er auf Bio um. "Wir haben, nachdem wir den Betrieb von meinen Eltern übertragen bekommen haben, nach einer Lösung gesucht, wie wir ihn nachhaltig und zukunftssicher aufstellen können", erklärt der junge Nachwuchsbauer.

Beide sind von ihrer jeweiligen Art, Landwirtschaft zu betreiben, überzeugt, wollen aber den anderen nicht kritisieren. "Wir bedienen unterschiedliche Märkte", sagt Schulz diplomatisch. Wer seine Ställe besichtigt, erlebt einen klassisch-konventionell geführten Hof.

500 Sauen hält er. Die Mütter und Ferkel sind im Stall, an die frische Luft kommen sie nicht. Statt auf Stroh laufen die Tiere auf Betonspaltenböden, was aus Sicht konventioneller Landwirte Vorteile hat: Kot und Urin fällt nach unten durch; die Bereiche, in denen die Tiere untergebracht sind, können so einfacher saubergehalten werden.

Das zahlt sich aus Sicht der Besitzer dann in gesünderen Tieren aus.

Wer sich mit Sauenhaltern unterhält, muss mit einigen Fachbegriffen umgehen. "Deckzentrum" beispielsweise bezeichnet den Bereich, wo die Sau vom Eber besamt - also gedeckt - wird. Bislang setzen viele Nutztierhalter noch auf die umstrittenen Kastenstände - einen engen, kastenförmigen Mini-Stall. Dieser Kasten soll die "rauschigen" Sauen - also diejenigen, die sich in der Brunft befinden - fixieren, damit sie besamt werden können. Bis zu vier Wochen dürfen sie derzeit so gehalten werden - noch. Denn nach einem höchstrichterlichen Urteil sollen die Bestimmungen zur Sauenhaltung geändert werden.

"Das Deckzentrum haben wir so gefahren, dass wir die Sauen nur bei der Besamung festhalten. Wir haben also gar nicht die vier Wochen ausgenutzt, die offiziell noch gestattet sind", sagt Schulz. Im Alter von etwa vier Wochen kommen die Ferkel von der Mutter weg und werden in ihren eigenen Stall gebracht. Das nennt man Absetzen. Wenn die Mütter hormonell so weit sind, dass sie gedeckt werden können - der Landwirt nennt es "Belegen" - kommen sie wieder in den Kastenstand.

Vom Absetzen der Sauen bis zur nächsten Geburt dauert es 120 Tage. In dieser Zeit sind sie bei Schulz fünf Tage zum Besamen und ab dem fünften Tag vor der Geburt fixiert. "Ansonsten laufen sie 110 Tage frei in Gruppen." Es sei also nicht so, dass nur auf Biohöfen Sauen frei laufen. Er halte die Tiere so, dass sie wenig Stress entwickeln.

Rund 15 Kilometer entfernt sieht auf dem Hof von Spliethofe die Welt für die Schweine ganz anders aus. Im Unterschied zu Schulz mästet er sie auch, bis sie zum Schlachter kommen. Das Fleisch vermarktet er über Bioland und im Eigenvertrieb. Ein Hofladen ist gerade im Aufbau.

Wer auf den Familienbetrieb fährt, kann die Tiere schon sehen:

Spliethofe hat seine alten Ställe so umgebaut, dass die Tiere Auslauf haben und an die frische Luft kommen. Die Schweine haben mehr Platz - etwa doppelt so viel wie gesetzlich vorgeschrieben, und schnüffeln im Stroh. Die Möglichkeit, nach draußen zu gehen, nutzten sie häufig.

"Wir haben ganz klar den Eindruck, dass es unseren Tieren besser geht als vorher", sagt Biobauer Spliethofe: der Außenauslauf, das Mehr an Platz mit den größeren Bewegungsmöglichkeiten. Sowohl in der Mast als auch in der Ferkelaufzucht setze er außerdem kaum Antibiotika ein.

Um den Hof umzustellen, habe er gründlich umlernen müssen.

"Dadurch, dass wir die Tiere nicht mehr fixieren, muss man sich anders um sie kümmern, auch anders mit ihnen umgehen." Bio bedeute eben mehr Arbeit. Um die Ställe sauberzuhalten, muss er sie täglich ausmisten. Spaltenböden gibt es nicht mehr. Aber ihm mache die Arbeit Spaß.

"Ich hatte es einfach satt, ein tierisches Stückgut zu produzieren, das irgendwo geschlachtet und irgendwo gegessen oder weggeschmissen wird. Das war ein echt blödes Gefühl", erklärt Spliethofe. Weil er nun weniger Schweine halte als zuvor, habe er einen anderen Bezug zu den Tieren. Auch ihre Wertschätzung in der Handelskette sei größer.

Schulz verweist darauf, dass es auch seinen Tieren gut gehe. Auch er habe im Vergleich mit anderen Betrieben einen hohen Gesundheitsstatus und geringen Medikamenten-Einsatz. "Beim Antibiotika-Verbrauch liegen wir nur bei einem Drittel oder Viertel des unteren Durchschnitts. Das ist durch gutes Tiermanagement alles möglich." Für ihn sind diese Dinge Messlatten für die Qualität seiner Arbeit und seiner Produkte.

Er biete oft Betriebsbesichtigungen an. Die Menschen, die er treffe, lehnten konventionelle Landwirtschaft nicht so ab, wie es teils in den Medien erscheine. "Wenn ich ihnen erkläre, warum ich bestimmte Dinge so und nicht anders mache, dann verstehen sie es auch."

Wer wissen will, ob Bio nun tatsächlich besser für die Tiere ist als die konventionelle Haltung, bekommt unterschiedliche Antworten.

"Wir würden immer Bio empfehlen", sagt Lea Schmitz vom Deutschen Tierschutzbund. Die Interessengemeinschaft der Schweinehalter Deutschlands (ISN) im niedersächsischen Damme hält dagegen, man könne das nicht schwarz-weiß sehen. In der Hygiene etwa sei konventionelle Haltung besser, beim Platz und bei den Beschäftigungsmöglichkeiten jedoch die Ökohaltung, erklärt ISN-Experte Karl-Heinz Tölle.

"Man nicht sagen, dass es Schweinen in der Biohaltung grundsätzlich besser geht als in der konventionellen", sagt auch Elisabeth grosse Beilage, Professorin an der Tierärztlichen Hochschule Hannover und Fachtierärztin für Schweine. Bio- wie auch konventionelle Bauern könnten Fehler machen. Entscheidend sei, wie ein Betrieb geführt werde. An der Biohaltung kritisiert sie den begrenzten Einsatz von Antibiotika - wegen der Gefahr, dass Tiere im Krankheitsfall nicht ausreichend behandelt werden. Auch die Volleinstreu sei nicht immer gut: Es müsse auch eine Abkühlmöglichkeit für die Tiere geben.

Es gebe ihrem Eindruck zufolge auch öfter hygienische Probleme auf den Biohöfen. Dennoch sieht die Forscherin die Biohaltung im Vorteil, weil sie artgerechter sei als im konventionellen Stall.

"Bio- und konventionelle Halter können sich voneinander etwas abschauen. Aus beiden zusammen kann man eine ganz gute Schweinehaltung machen."

Und wer kauft das Schweinefleisch? Bio-Produkte sind im Laden nach Angaben der Agrarmarkt-Informationsgesellschaft (AMI) in Bonn zwei bis zweieinhalb Mal so teuer wie konventionelles Fleisch. Die Zielgruppen für konventionelle und für Biohaltung seien unterschiedlich, glaubt Schulz. Bio wende sich wohl eher an eine Käuferschicht, die mehr Geld fürs Essen ausgeben könne.

Da widerspricht Spliethofe. Er bediene primär die Bevölkerungsgruppe, für die das Wohl der Tiere einen sehr hohen Stellenwert hat. "Bei der Direktvermarktung kaufen alle Schichten ein. Der entscheidende Unterschied ist, dass nicht mehr so viel Fleisch pro Kopf gegessen wird und vor allem nichts mehr weggeschmissen wird, was bei den Billigprodukten ganz normal ist."

Der Anteil von Bio-Schweinefleisch an den Verkäufen ist gering und liegt derzeit noch bei unter einem Prozent. Aber er wächst. Die großen Einzelhandelsketten bieten Bio an: Rewe, Edeka, Aldi und Lidl.

Die Wachstumsraten seien gut, berichtet AMI-Expertin Diana Schaack. Für ein Schwein bekamen Biobauern im Schnitt im vergangenen Jahr zwischen 3,70 und 3,80 Euro pro Kilogramm Schlachtgewicht. Beim konventionell erzeugten Schwein lag der Schlachtpreis bei etwa 1,40 Euro. "Der Bauer hat aber auch deutlich höhere Kosten", sagt Schaack.

"Solche Bauern brauchen wir, die auch dieses Risiko eingehen", meint Gerald Wehde, Sprecher des Bioland-Verbandes, zur Strategie von Spliethofe. Denn die Investitionen seien groß. Sein Verband berate umstiegswillige Landwirte. Wichtig sei, dass ein Marktpartner aus dem Einzelhandel bereit stehe, mit dem der Landwirt einen langfristigen Vertrag schließe. "Das ist schon wichtig, darauf achten wir auch.

Einen Betrieb so aufs Blaue umzustellen, ist nicht zu empfehlen." Bioland etwa arbeite mit den Edeka-Regionalgesellschaften zusammen.

Das Interesse steige also. Aber ein Massenmarkt werde Bio wohl nicht, schätzt Spliethofe: "Die Biobauern, die ich kennengelernt habe, sind nicht diejenigen, die die Massen an Tieren halten wollen."/eks/DP/zb (dpa)

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