Lichttest vermeidet millionenfachen Kükentod

06.04.2018 - Deutschland

Zwei Forschungsgruppen der Medizinischen Fakultät Carl Gustav Carus der TU Dresden sowie der Klinik für Vögel und Reptilien der Universität Leipzig ist der technologische Durchbruch bei der Geschlechterbestimmung in Hühnereiern gelungen. Dank der Spektroskopie lässt sich mit dem neuen Verfahren bereits am ersten Tag nach einer möglichen Befruchtung feststellen, ob in dem Ei eine Legehenne heranwächst oder ein männliches Tier. Mit dem neuen Verfahren ist es gelungen, ein kostengünstiges, schnelles und zuverlässiges Verfahren zu entwickeln, das das weltweit millionenfache Töten männlicher Eintagsküken überflüssig macht.

Medizinische Fakultät der TU Dresden / Stephan Wiegand

Dank der Spektroskopie lässt sich bereits am ersten Tag nach einer möglichen Befruchtung feststellen, ob im Ei eine Legehenne heranwächst oder ein männliches Tier.

Tausende männliche Küken werden täglich kurz nach dem Schlüpfen maschinell getötet. Der Grund: Sie sind für die Eierproduktion in der Massentierhaltung wertlos. Dieses Vorgehen birgt ethische Konflikte und steht im Widersprich zu geltenden Tierschutzgesetzen. Um diese Situation zu entschärfen ist ein kostengünstiges, schnelles und zuverlässiges Verfahren erforderlich, mit dem die Geschlechtsbestimmung am intakten und unversehrten Ei durchgeführt werden kann. Nach etwa fünfjähriger Forschung ist es jetzt zwei Forschungsgruppen der Medizinischen Fakultät Carl Gustav Carus Dresden sowie der Klinik für Vögel und Reptilien der Universität Leipzig gelungen, eine Geräteanordnung zu entwickeln, mit dem das Kükentöten beendet werden kann. Damit ist es möglich, einen Punkt des kürzlich zwischen CDU/CSU und SPD unterzeichneten Koalitionsvertrag umzusetzen: Darin ist vereinbart worden, innerhalb von zwei Jahren das Töten männlicher Eintagsküken zu beenden.

Bereits seit einigen Jahren arbeiten die Forschungsgruppen aus Dresden und Leipzig erfolgreich an der Geschlechtsbestimmung im Hühnerei. Die beiden Forschungsgruppen sind die Erfinder des spektroskopischen Sexens von Bruteiern. Bislang muss dazu ein etwa zehn Millimeter großes Loch in das Brutei eingebracht und auch anschließend wieder verschlossen werden. Obgleich die Methodik funktioniert, gilt das Öffnen und Schließen der Eier nach wie vor als Haupthindernis für die praktische Einführung der spektroskopischen Geschlechtsbestimmung in Großbrütereien. Vor wenigen Wochen gelang nun den Forschern ein entscheidender Durchbruch in der Weiterentwicklung der Methode, wodurch das Geschlecht nunmehr durch die unversehrte Eischale hindurch bestimmt werden kann. Das Ei muss also nicht mehr aufwändig geöffnet und folglich auch nicht mehr verschlossen werden.

Aufbauend auf den über mehrere Jahre gewonnenen Kenntnissen wissen die Forscher genau, wo und wie das Geschlecht im Ei codiert. Das ist die Grundlage dafür, die Spektroskopie so einzusetzen, dass sich das Geschlecht auch durch die intakte Eischale bestimmen lässt. Das Ei wird dazu etwa drei bis fünf Tage bebrütet. Zu diesem Zeitpunkt hat sich das sogenannte embryonale Blutgefäßsystem gebildet, das man auch durch die Eischale bereits mit bloßem Auge erkennen kann. Für die Geschlechtsbestimmung wird nun ein bestimmter spektraler Teil des Lichtes genutzt. Dazu wird das Ei mit einer herkömmlichen Lichtquelle durchleuchtet. Das von den Blutgefäßen reflektierte und auch transmittierte Licht wird auf der Eischale aufgefangen und spektroskopisch analysiert. Da das Licht neben den geschlechtsrelevanten Informationen aus dem Blut auch Informationen zu anderen Inhaltsstoffen des Eies trägt, müssen verschiedene mathematische Filter- und Separationsverfahren kombiniert werden, um letztlich die gewünschten, zur Geschlechtsbestimmung verwendbaren Signale zu erhalten. Kein Ei gleicht dem anderen, und so stellt die größte Herausforderung dabei die Beherrschung der optischen Variabilität der Eischale dar. Sobald alle störenden Einflussfaktoren in den Spektren eliminiert sind, lässt sich anhand des Hämoglobinspektrums das Geschlecht erkennen.

Die spektroskopische Messung eines einzelnen Eies erfolgt innerhalb von wenigen Sekunden. Bereits unmittelbar danach können als „männlich“ identifizierte Bruteier ebenso wie unbefruchtete Eier aussortiert und einer weiteren Verwendung zugeführt werden. In den Laborversuchen haben die Forscher einfache und dadurch sehr preiswerte Spektrometer eingesetzt – ein wichtiger Aspekt für den wirtschaftlichen Praxiseinsatz in der Legehennenvermehrung, da allein in Deutschland rund 100 Millionen Bruteier pro Jahr untersucht werden müssen. Der praktischen Umsetzung der Geschlechtsbestimmung im Hühnerei, die das millionenfache Töten von männlichen Eintagsküken überflüssig macht, dürfte damit nichts mehr im Wege stehen. Umfangreiche Schutzrechte für die Methodik sind angemeldet beziehungsweise schon erteilt worden. Ziel der Forscher ist es, die Methodik rasch und effektiv für den Einsatz in der Brütereipraxis zu adaptieren, um damit einen wichtigen Beitrag für die Verbesserung des Tierwohls in der Legehennenhaltung zu leisten.

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