Aufs Brot gekommen - Großbritannien setzt zunehmend auf Vielfalt

Skagen, Kartoffel- und Rosmarin-Brot und Fougasse - auch immer mehr Briten schätzen die Brotvielfalt. Wird der Brexit den Trend bremsen?

08.05.2018 - Großbritannien

Wie funkelnde Juwelen ziehen die bunten Kuchen von Ole & Steen die Passanten an. Auch Vollkornbrote sind in der Auslage. Es ist schon der dritte Bäcker, der in der Einkaufsstraße Richmonds im Südwesten Londons mit seiner Backkunst lockt. Eine Besonderheit, denn lange waren «Artisan Bakeries», wie Bäckereien mit selbst gebackenem Brot in Großbritannien genannt werden, eine Seltenheit.

Photo by Monika Grabkowska on Unsplash

Die ersten Vorläufer des Trends gab es in den späten 1990er Jahren.

Jonathan Cohen, zum Studium nach England gezogen, vermisste das deutsche Brot so sehr, dass er 1999 The Breadshop eröffnete. Etwa zur gleichen Zeit war der Engländer Daniel Bear nach einer Reise derart von französischen Backwaren begeistert, dass er seine Ausbildung in einer Anwaltskanzlei aufgab und die Euphorium Bakery gründete.

Weitab der Einkaufsstraße in Richmond betreiben Gerd Kusche und Carola Hesse eine Bäckerei, deren Backstube das produziert, was auch in einer traditionellen deutschen Bäckerei zu finden ist. 2011 reihte sich der Deutsche Marc Deuring mit seinem Bäkehaus in die Liga der Geschäfte ein, die deutsche Brote, Brötchen und Kuchen anbieten.

Inzwischen tummeln sich noch viel mehr Läden auf dem Brotmarkt.

Um solch spezielles Brot bieten zu können, wird vieles importiert, vor allem Mehl. «Das englische Mehl ist ganz anders als das deutsche», berichtet Carola Hesse. «Sie können mit dem englischen Mehl kein deutsches Brot backen. Da sind Enzyme drin», weiß die gelernte Bäckerin.

Ole & Steen arbeitet nur mit dänischem Mehl - und dänischen Bäckern, um das Brot originalgetreu herzustellen. Bear holte sich seine Bäcker ebenfalls aus anderen Ländern: Tschechien, Frankreich, Polen, Italien und Deutschland. The Breadshop und das Bäkehaus importieren ihre Waren aus Deutschland. Roggen- und Vollkornbrote stehen bei allen hoch oben auf der Verkaufsliste.

Hat der geplante EU-Austritt Großbritanniens Einfluss aufs Geschäft?

«Der Brexit macht uns zu schaffen», schimpft Carola Hesse. «Erstens das schlechte Pfund. Dann sind deutsche Kunden aufgrund des Brexits weggezogen, auch viele polnische.» Nach über zwanzig Jahren in London plant auch Hesse, dieses Jahr nach Deutschland zurückzukehren.

Marc Deuring macht andere Erfahrungen: «Seit dem Brexit geht es bei uns noch mehr bergauf.» Dies habe vermutlich damit zu tun, dass mehr Touristen wegen des schwächelnden britischen Pfunds kämen. Er hat gerade einen neuen Mietvertrag für sein Geschäft unterschrieben.

Das Angebot an Qualitätsbrot wächst nicht nur in London, sondern in weiten Teilen Großbritanniens. Aidan Monks von Lovingly Artisan in der nordwestenglischen Stadt Kendal berichtet, dass er 4000 Sauerteigbrote pro Woche backt - vor sechs Jahren waren es nur 200.

In Deutschland bieten immer mehr Läden die gleichen Produkte an, die in den Geschäften aufgebacken werden. Dies geht laut Mathias Meinke vom Zentralverband des Deutschen Bäckerhandwerks auf die Zunahme der Filialen zurück. Dennoch: «Die Zahl der Bäckereibetriebe ist von 14 594 im Jahr 2010 auf 11 737 im Jahr 2016 gefallen.» Der Umsatz ist aber im selben Zeitraum gestiegen, da wirtschaftlicher gearbeitet wird, und zwar von 12,93 Milliarden auf 14,29 Milliarden Euro.

In Großbritannien gibt es keinen vergleichbaren Verband, der solche Daten sammelt. In einem von der Regierung veröffentlichten Report über Nahrungsmittel (Food Statistics Pocketbook) sind aber auch alle Geschäfte zusammengefasst, die Backwaren herstellen: Ihre Zahl ist von 2060 im Jahr 2012 auf 2305 im Jahr 2016 gestiegen.

Meinke verzeichnet noch einen Trend in Deutschland: «Kunden sehnen sich nach ursprünglichen Lebensmitteln von Handwerksbäckern, die noch richtig backen.» Dazu gehören die Bäckereien der Biomärkte, die mit gesunder Ernährung werben. Deniz Gul von The Breadshop begründet die Popularität von Roggen-, Vollkorn- und Dinkelbrot in London ebenfalls damit, dass sich die Leute nun bewusster ernähren.

Viele Briten lernen sogar, selbst zu backen. Über das Land verstreut haben sich Backschulen einen Namen gemacht. Matt Jones von Bread Ahead hat beispielsweise 2014 eine Schule eröffnet, bei der Interessierte lernen können, wie leckeres Brot hergestellt wird. Angeboten werden Halb- und Ganztagsworkshops.

Die britische Backbranche geht quasi auf wie ein Hefeteig, aber ob sie Deutschland irgendwann einmal den Rang abläuft, ist sehr fraglich. Deutschland zählt nämlich über 3200 verschiedene Brotspezialitäten. Die deutsche Brotkultur ist sogar auf der Unesco-Liste des immateriellen Weltkulturerbes verzeichnet. (dpa/Sabine Schereck)

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